Fotos: Parlamentsdirektion/Thomas Jantzen
Wie verwirklicht man Subsidiarität?
Die Europäische Union befindet sich in der Krise. Immer öfter haben die Bürger das Gefühl, dass die Politik an ihnen vorbei regiert. Doch wie schafft man es, dass jede Ebene sich nur um die Dinge kümmert, die sie am effizientesten und besten erledigen kann? Hier kommt das Subsidiaritätsprinzip ins Spiel.
„Erst bei wichtigen Angelegenheiten, wo eine Ebene alleine keine Lösung mehr hinbekommt, muss die nächsthöhere aktiv werden“, betont Karl-Heinz Lambertz, Präsident des Ausschusses der Regionen (AdR). „Für die EU sind das vor allem die Außen- und Sicherheitspolitik, Klimaschutz und Brexit“, fasst Bundesratspräsident Edgar Mayer zusammen.
Am 4. Dezember 2017 machte die Subsidiaritätskonferenz des AdR zum ersten Mal in Österreich Halt. Sie wird alle zwei Jahre in einem anderen EU-Land veranstaltet und ist die wichtigste Veranstaltung des AdR zur Subsidiarität. Durch die Diskussionen rund um eine Reform der EU gewinnt diese Veranstaltung besondere Bedeutung.
Subsidiaritätsprüfer Bundesrat
AdR und Bundesrat treffen einander auch inhaltlich, wenn es um Subsidiarität geht. Während der AdR bei europäischen Gesetzmaterien klagen kann, die nicht dem Subsidiaritätsprinzip entsprechen, können nationale Parlamente im Rahmen eines „Frühwarnsystems“ binnen acht Wochen darlegen, weshalb der Entwurf ihres Erachtens nicht mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar ist. Der österreichische Bundesrat gilt bei diesem Verfahren als Musterschüler, da er 2016 nach dem schwedischen „Riksdag“ die meisten Stellungnahmen abgegeben hat.
„In der Diskussion um eine Reform der EU darf es nicht primär darum gehen, bestehende Systeme zu verbessern, sondern eine starke Subsidiaritätspolitik zu entwickeln, die zu mehr Zusammenhalt innerhalb der EU führt“, ist sich Lambertz sicher. Subsidiarität soll auch nicht dazu führen, dass nun alle Regionen nationalstaatliche Bestrebungen anstrengen, hält Lambertz bei einer Frage eines spanischen Journalisten fest. „Es braucht bessere Regionalitätskonzepte. Und es geht bei der Diskussion rund um eine Stärkung der Subsidiarität nicht darum, wer was abgeben soll, sondern darum, das Gemeinwesen Europa so zu ordnen, dass es optimal funktioniert und es den Bürgern etwas bringt. Und ich glaube mit dem Prinzip der Subsidiarität kann das gelingen“, so Lambertz.
Echte Chance für Veränderung durch Task Force
Die Rolle der nationalen und regionalen Parlamente bei der Subsidiarität war nicht das einzige Thema der rund 200 anwesenden Vertreter/innen der Europäischen Kommission, des Europäischen Parlaments und der estnischen EU Ratspräsidentschaft sowie der Bundesländer, Gemeinden und Städte der EU in Wien. Sie nutzten auch die Gelegenheit, um die neuesten Entwicklungen rund um die von der Europäischen Kommission eingesetzte Task Force für Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit zu diskutieren.
Der AdR ist in der Task Force mit drei Mitgliedern vertreten: Neben Karl-Heinz Lambertz werden auch noch Michael Schneider, Staatssekretär in Sachsen-Anhalt und Präsident der EVP-Fraktion im AdR, sowie François Decoster, Vize-Präsident der Hauts-de-France Region und Vize-Präsident der AdR-Fachkommission für Unionsbürgerschaft, Regieren, institutionelle Fragen und Außenbeziehungen (CIVEX) mit dabei sein.
„Die Task Force ist eine große Chance, die Art und Weise, wie die EU funktioniert, zu verändern und Städten und Regionen eine stärkere Rolle bei der Gestaltung der Zukunft Europas einzuräumen. Die EU ist nur insofern stark, als sie in der Lage ist, mit ihren Bürgern in Verbindung zu treten. Hier sind Regionen und Städte unerlässlich“, erklärte Karl-Heinz Lambertz im Rahmen der Konferenz. Neben den drei Mitgliedern des AdR wird sich die Task Force aus drei weiteren Mitgliedern des Europäischen Parlaments und drei Mitgliedern aus nationalen Parlamenten zusammensetzen. Den Vorsitz übernimmt der Erste Vize-Präsident der Europäischen Kommission Frans Timmermans. Die Task Force soll ihren Bericht bis zum 15. Juli 2018 der Europäischen Kommission vorlegen.