Mann begutachtet Baum
Im Wald ändert sich nichts, das Haftungsrechts-Änderungsgesetz 2024 ist ausdrücklich nicht auf Waldbäume anzuwenden.
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Wer haftet bei Schäden durch Bäume?

Durch Kundmachung im BGBl. I Nr. 33/2024 wurde das Haftungsrechts-Änderungsgesetz 2024 (HaftRÄG 2024) verlautbart, mit dem zur Lösung haftungsrechtlicher Fragen bei Bäumen das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) geändert wurde. Der neue § 1319b ABGB ist mit 1. Mai 2024 in Kraft getreten. Dem ist ein langjähriger, umfangreicher Diskussionsprozess vorausgegangen, bei dem sich alle relevanten Akteure eingebracht haben. Im Wald ändert sich dadurch nichts, das HaftRÄG ist ausdrücklich nicht auf Waldbäume anzuwenden.

Mit dem neuen § 1319b („b“ wie baumhaftung) ABGB konnte eine wesentliche Lücke des Zivilrechts geschlossen werden. Bisher kannte das ABGB nämlich keine eigene Bestimmung über die schadenersatzrechtliche Haftung für Schäden durch fallende Bäume oder Baumteile.

Vielmehr setzte der Oberste Gerichtshof (OGH) schon seit den 1950er-Jahren Bäume mit Bauwerken gleich, was dazu führte, dass es seither – doch letztmalig für Schadensereignisse, die vor dem oder am 30. April 2024 eingetreten sind – im Haftungsfall zur Beweislastumkehr gekommen ist. Das bedeutete, dass sich im Fall der Baumhaftung der Halter des Baumes nur dadurch entlasten konnte, dass er beweisen konnte, alle zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt aufgewendet zu haben.

Auch wenn es sich von selbst versteht, dass Bäume keine Bauwerke (und auch nicht mit Bauwerken gleichzusetzen) sind und als Gebilde der Natur keine mangelhafte Beschaffenheit im Sinne der Bauwerkshaftung aufweisen können, hat dies noch kürzlich (also, vor Inkrafttreten des HaftRÄG 2024) ganz anders ausgesehen: Der Baumhalter hatte im Schadensfall seine Schuldlosigkeit zu beweisen, weil er es – so die Rechtsvermutung – in der Hand hatte, eine mangelnde Beschaffenheit seines Baumes rechtzeitig zu erkennen und für geeignete Abhilfe zu sorgen.

Ein naheliegendes Bestreben vieler Baumhalter war daher, auf der „sicheren Seite“ zu bleiben – was zu den zahlreichen starken, sicher oft auch überschießenden Eingriffen geführt hatte. Besonders häufig waren von solchen Rückschnitten oder Fällungen gerade auch Bäume betroffen, die wegen ihres hohen Alters einen besonderen ökologischen wie auch gesellschaftlichen Wert haben.

Gegenwind

Das war natürlich ein untragbarer Zustand und es wurde zunächst vor allem bei „Baumtagen“ forstlicher Ausbildungsstätten sowie Veranstaltungen des Linzer Baumforums versucht, gegenzusteuern.

Ein wesentlicher Meilenstein der nun erreichten Klärung dieser für alle Betroffenen untragbaren Situation war die bereits im Februar 2011 im Neuen Wissenschaftlichen Verlag in Wien erschienene erste Auflage des Ratgebers „Der Baum im Nachbarrecht“ (Herbst/Kanduth/Schlager).

Die sich in der Folge formierenden Initiativen wurden ab 2015 unter der Ägide der Stadt Wien Umweltschutz (MA 22) zu einem breit angelegten, österreichweiten Prozess zusammengeführt, der Plattform „Österreichische Baumkonvention“.

Dank der breiten Unterstützung und konstruktiven Mit- und Zusammenarbeit zahlreicher Expertinnen und Experten aus Praxis, Verwaltung und Wissenschaft ist es der Plattform gelungen, eine Reihe wesentlicher Schritte zum Schutz der Bäume vor überbordenden Eingriffen zu setzen. Dazu gehören die Erarbeitung und Verteilung der ersten Auflage des „Leitfadens Baumsicherheitsmanagement – Bäume sichern und erhalten“, ein Entwurf der zuständigen Ministerien für einen neuen § 1319b ABGB („Baumhaftung“) – der mit 1. Mai 2024 in Kraft getreten ist – wie auch die Mitarbeit an der Überarbeitung in diesem Zusammenhang relevanter Önormen.

Die Initiatorinnen und Initiatoren der Plattform „Österreichische Baumkonvention“ haben im Frühjahr 2023 den gemeinnützigen Verein „Forum Baumkonvention“ gegründet, mit dem Ziel, den eingeschlagenen Weg zum Schutz und zur Erhaltung unserer Bäume und Wälder bundesweit auf breiter Basis weiterzugehen und eine Anlaufstelle für sich in diesem Zusammenhang ergebende Fragen und Handlungsnotwendigkeiten zu bieten.

Halter des Baums

Für den Zustand des Baums verantwortlich und somit Träger der Haftung ist weiterhin der „Halter“ des Baumes. Baumhalter wird in der Regel der Eigentümer der Liegenschaft sein, auf welcher der Baum steht, es kommt jedoch auch ein Mieter oder Pächter auch jede sonstige natürliche oder juristische Person, die die Halterpflicht vertraglich oder konkludent (z. B. durch Durchführung von Pflegemaßnahmen) übernommen hat, als Baumhalter in Frage.

Wegfall der Beweislastumkehr

Der wesentliche Vorteil für Bäume und ihre Halter ergibt sich aus dem Wegfall der Beweislastumkehr. Der neue § 1319b ABGB regelt die Baumhaftung als klassische Verschuldenshaftung für die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten, wobei der Geschädigte den Schaden und das Verschulden des Schädigers beweisen muss. Der Baumhalter muss also die erforderliche Sorgfalt bei der Prüfung und Sicherung des Baumes vernachlässigt haben. Es wird dabei von differenzierten Sorgfaltsmaßstäben ausgegangen.

Kriterien für die Beurteilung der Sorgfaltspflichten des Baumhalters umfassen insbesondere den Standort, die standortbezogene Gefahr und spezifische Eigenschaften des Baumes (wie Größe, Wuchs und Zustand).

Als wesentliche Beurteilungsrichtlinie dafür steht der auch in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich angeführte und in den parlamentarischen Debatten präsentierte Leitfaden „Baumsicherheitsmanagement - Bäume sichern und erhalten“" zur Verfügung. Dieser Leitfaden wurde im Rahmen der Plattform „Österreichische Baumkonvention“ in Zusammenarbeit aller relevanten Experten entwickelt und bietet Orientierung, ob und welche Prüf- und Sicherungsmaßnahmen im konkreten Fall erforderlich sind.

Der Leitfaden wird aktuell vom „Forum Baumkonvention“ im Hinblick auf die neue Rechtslage überarbeitet und stellt den Stand der Technik dar. Die jeweils aktuelle Version des Leitfadens kann unter www.baumkonvention.at kostenlos heruntergeladen werden.

In einem Schadensfall hat der Geschädigte nach § 1319b ABGB zu beweisen, dass

  • überhaupt ein Schaden eingetreten ist,
  • dieser Schaden durch den umstürzenden Baum oder fallende Äste verursacht wurde,
  • der Anspruchsgegner der Halter des Baumes zum Schadenszeitpunkt war, und
  • der Halter des Baumes den Schaden durch Vernachlässigen der erforderlichen Sorgfalt bei der Prüfung und Sicherung des Baumes verursacht hat, wobei ihm die erforderlichen Prüfungs- und Sicherungsmaßnahmen auch zumutbar gewesen sein müssen.

Naturbelassener Zustand

Zudem kommt es ausdrücklich auf die Zumutbarkeit möglicher Prüfungs- und Sicherungsmaßnahmen an. Bei der Beurteilung der dem Baumhalter zumutbaren Maßnahmen ist der neuen gesetzlichen Regelung zufolge insbesondere auch das Interesse an einem möglichst naturbelassenen Zustand des Baumes angemessen zu berücksichtigen.

Dabei kann es sich um Bäume in Nationalparks oder sonstigen Schutzgebieten handeln, um Naturdenkmäler, oder einfach um Bäume, die für ihre natürliche Umgebung von besonderer Bedeutung sind (etwa Bäume in dicht verbautem Stadtgebiet). Hier sollen zukünftig im Zweifelsfall Absperrungen oder Gefahrenhinweise ausreichen.

Gemeinwohl und Eigenverantwortung

Neu ist auch, dass die Bedeutung zweier im Zusammenhang mit Bäumen besonders wichtiger Aspekte in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich betont wird: nämlich die Bedeutung einerseits der Gemeinwohlwirkung der Bäume, andererseits der Eigenverantwortung potentiell Geschädigter.

Die Gemeinwohlwirkung – also, die multifunktionellen Wirkungen der Bäume, Baumbestände und Wälder – begründet ein hohes Allgemeininteresse an der Erhaltung besonders von alten und großen Bäumen, welches bei der Beurteilung von Sicherungserfordernissen gegenüber etwaigen Baumrisiken abwägend mitzuberücksichtigen ist.

Unter dem Aspekt der Eigenverantwortung kann vom Einzelnen erwartet werden, dass er sich bei erkennbaren Gefährdungssituationen von Bäumen fernhält. Die Pflicht des Baumhalters zur Baumsicherung geht daher nicht so weit, dass er auch in solchen Situationen erhöhten Risikos Sicherungsmaßnahmen ergreifen müsste, die den Einzelnen vor Schäden durch fallende Bäume oder Baumteile schützen würden.

Forstgesetz

Im Wald hat sich durch das HaftRÄG nichts geändert. § 1319b ABGB gilt ausdrücklich nicht für Bäume, die Bestandteil eines Waldes im Sinne des Forstgesetzes sind.