
Sebastian Kurz: „Alle, die sich für die Gemeinschaft vor Ort einsetzen, verdienen Respekt für Ihren Einsatz – egal hinter welcher Parteifarbe sie stehen.“
Was der Wahlsieger jetzt plant
Die ÖVP unter Sebastian Kurz ist eindeutig der Gewinner der Nationalratswahlen. Bundespräsident Alexander van der Bellen hat ihn mit der Regierungsbildung beauftragt. Viele kleine Gemeinden und der ländliche Raum generell setzen hohe Erwartungen in ihn. KOMMUNAL hat mit ihm gesprochen.
Herr Kurz, in den Wochen und Monaten vor der Wahl waren Sie im ganzen Land unterwegs, bei vielen Gesprächen mit Bürgern und Bürgermeistern im ländlichen Raum. Welche Anliegen und Themen haben Sie dabei mitgenommen?
Sebastian Kurz: In meinen Gesprächen habe ich mit den Menschen über die unterschiedlichsten Themen gesprochen und mir ihre Sorgen und Anliegen angehört. Die Hauptbotschaft, die ich dabei mitgenommen habe, ist, dass die Menschen mit unserer Politik zufrieden sind und den Weg der Veränderung mit uns tragen. Die Menschen haben das politische Hick-Hack satt und wünschen sich eine Politik, die mit Hausverstand arbeitet und notwendige Reformen auf den Boden bringt. Diesen Weg wollen wir auch in der nächsten Regierung weiter verfolgen.
Ihr Wahlsieg ist zu einem guten Teil den Menschen in den Dörfern und kleineren Gemeinden am Land zu danken. Ihr 11-Punkte-Plan für den ländlichen Raum ist auch besonders auf die Menschen am Land zugeschnitten. Welche dieser Punkte haben für Sie oberste Priorität? Was wird denn der erste Schritt sein, wenn die Regierung steht?
Wer im ländlichen Raum lebt, muss die gleichen Chancen haben, wie in den Städten. Das betrifft die Gesundheitsversorgung genauso wie die Infrastruktur und Arbeitsplätze. Das große Ziel ist daher eine Attraktivierung des ländlichen Raums durch gezielte Infrastruktur-Maßnahmen. Zudem braucht es einen Ausbau schnellen Breitband-Internets und von 5G-Netzen.
Nach der Wahl haben Sie vom Bundespräsidenten – erwartungsgemäß – den Regierungsbildungsauftrag bekommen. Wie schaut Ihr Fahrplan in den nächsten Wochen aus?
Wir haben immer gesagt, dass wir uns keiner Partei verschließen und mit allen ins Gespräch treten werden. Momentan befinden wir uns in der Sondierungsphase und vor der Aufgabe, auszuloten, mit welcher Partei wir am besten zusammenkommen. Für uns ist klar: Wir wollen den Weg der Veränderung fortsetzen und die brennenden Zukunftsfragen lösen.
Gefordert wird österreichweit schnelles Breitband-Internet und der Ausbau von 5G. Über diesen Ausbau wird schon so lange geredet, dass hier die Skepsis der Bürgermeister groß ist. Vor allem haben viele Gemeinden nicht die notwendigen Finanzmittel. Können Sie konkrete Hilfszusagen machen, etwa die Förderungen durch das BMVIT auszuweiten und einfacher zugänglich zu machen?
Wir haben es uns zum Ziel gemacht, Österreich bis Anfang 2021 zu einem 5G Pilotland zu machen und haben es auch im Zuge unserer Regierungsarbeit geschafft, wesentliche Maßnahmen in diese Richtung zu setzen. Für unsere ländlichen Regionen birgt dieser Ausbau ein enormes Potential für mehr Chancengleichheit und Wettbewerbsfähigkeit. Außerdem können wir so auch der Landflucht entgegensteuern. Diese Anstrengungen wollen wir in einer künftigen Regierung konsequent fortsetzen.
Thema Gesundheitsversorgung und Pflege – hier ergeben sich riesige Handlungsfelder, bei denen mittlerweile auch schon ein Zeitproblem auf uns, und auch auf die Gemeinden, zukommt. Der Masterplan Pflege beispielsweise sollte ja eigentlich mit Ende 2019 stehen. Daraus wurde bekannterweise ja nichts. Wie geht es da nun weiter?
Pflege ist ein Thema, das uns in Zukunft noch stärker beschäftigen wird. Derzeit beziehen etwa 460.000 Menschen in Österreich Pflegegeld und etwa 950.000 sind an der Pflege im Familienkreis beteiligt. Diese Menschen verdienen nicht nur Wertschätzung, sondern auch unsere volle Unterstützung. Daher werden wir einen Pflege-daheim-Bonus von bis zu 1.500 Euro für alle pflegenden Angehörigen einführen. Das wird auch dabei helfen, die Pflege daheim attraktiver zu gestalten. Zusätzlich wollen wir die Finanzierung der Pflege mit einer Pflegeversicherung auf stabile Beine stellen.
In der Pflege finanzieren ja die Gemeinden einen großen Anteil mit, und die Bürgermeister sind auch oftmals die ersten Ansprechparten bei Fragen der Bürger zu Pflege und Betreuung. Werden die Gemeinden auch in die weiteren Planungen eingebunden?
Unser Ziel ist es, alle betroffenen Akteure mitzunehmen und gleichzeitig den bürokratischen Aufwand möglichst gering zu halten. Derzeit gibt es für die unterschiedlichen Bereiche der Pflege verschiedene Ansprechpartner. In Zukunft sollen alle Informationen, Angebote und Behördenwege an einer Stelle, möglichst nahe bei den Menschen, auf Gemeinde- oder Bezirksebene gebündelt werden.
Im Oktober gab es eine Enquete des Bundesrats zum Thema Dezentralisierung. Diese wird auch in ihrem 11-Punkte-Plan gefordert. Derzeit sind 95 Prozent aller Bundesdienststellen in Wien, sogar das AMS NÖ ist in Wien und nicht in St. Pölten. In welchen Bereichen halten Sie eine Dezentralisierung für sinnvoll und wo nicht?
Wir bekennen uns zur Umsetzung des Strategieplans für den ländlichen Raum, der sich unter anderem die Verlagerung einzelner nachgelagerter Bundesbehörden in – insbesondere strukturschwache – Regionen zum Ziel gesetzt hat. Dies soll in enger Absprache mit Ländern und Gemeinden erfolgen. Zudem schafft die Digitalisierung die Möglichkeit, immer mehr Prozesse der öffentlichen Verwaltung ortsunabhängig zu erbringen und so Mitarbeiter in den Regionen heranzuziehen. So können wir einen direkten Beitrag zur Stärkung unseres ländlichen Raums leisten.
Die Verurteilung des Salzburger Bürgermeisters Heinz Schaden hat unter den Bürgermeistern großes Entsetzen ausgelöst. Was sagen Sie zu dem Urteil und wie wirkt sich das Ihrer Meinung nach auf die Bereitschaft der Menschen aus, sich als Bürgermeister zu engagieren?
Das Urteil eines unabhängigen Gerichts ist natürlich zur Kenntnis zu nehmen. Gleichzeitig ist aber klar, dass wir die Rahmenbedingungen dafür, dass sich Menschen in der Gemeindepolitik engagieren, verbessern müssen. Alle, die sich für die Gemeinschaft vor Ort einsetzen, verdienen Respekt für Ihren Einsatz – egal hinter welcher Parteifarbe sie stehen. Darüber hinaus müssen wir generell Schritte setzen, um insbesondere ehrenamtliches Engagement stärker anzuerkennen.
Auf die Frage der Gewinnung geeigneter Menschen für das Bürgermeisteramt meinten Sie in unserer Umfrage vor der Wahl, dass „ein neuer Stil der Wertschätzung und des Miteinanders der Politik auf allen Ebenen guttun würde“. Wie wird Ihr neuer Stil aussehen?
Bereits im Wahlkampf 2017 haben wir uns einer neuen Kultur des politischen Miteinanders verschrieben. Anstatt andere ständig anzupatzen und schlecht zu machen, pflegen wir einen respektvollen Umgang miteinander. Politik ist mit sehr viel Emotion verbunden, da kann es ab und an schon passieren, dass Diskussionen hitziger werden. Unserer Meinung nach darf dabei aber die Wertschätzung anderen gegenüber nie verloren gehen. Wir leben das Motto „hart in der Sache aber wertschätzend im Umgang“. Diesen Stil werden wir auch in der nächsten Regierung hochhalten.
Wie würden Sie einen jungen Menschen motivieren, sich in seiner Gemeinde zu engagieren?
Politische Arbeit in der Gemeinde ist in mehrfacher Hinsicht bereichernd. Wenn der Wille da ist, kann man auf lokaler Ebene viel bewegen. Was die Arbeit zusätzlich bereichert ist, dass man ständig im Kontakt mit anderen ist und jeder Tag viele spannende Begegnungen bringt.
Was können sich Bürgermeister und Bürgermeisterinnen von Ihrem Wahlkampf abschauen? Welche Tipps würden Sie einem Ortschef vor einer Wahl geben?
Den besten Tipp, den ich geben kann, ist, sich selbst treu zu bleiben und für die Freude an der Sache zu arbeiten.