Wipptal
Im Tiroler Wipptal fusionieren die drei Gemeinden Pfons, Mühlbachl und Matrei am Brenner.
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Warum drei Gemeinden freiwillig fusionieren

26. Juli 2021
Während es anderswo nur unter Druck zu erreichen ist, schließen sich in Tirol drei Gemeinden aus eigenem Antrieb zusammen – und das hat einen ganz einfachen Grund.

Zum kommenden Jahreswechsel fusionieren in Tirol drei Gemeinden, und zwar ganz freiwillig und eigeninitiativ. Es handelt sich um Matrei am Brenner, Mühlbachl und Pfons. Warum sie das tun, fasst der Matreier Bürgermeister Paul Hauser ganz simpel zusammen: „Weil es eigentlich nur Vorteile und keine Nachteile bringt.“ Ja, so einfach kann es sein. Der Weg dahin war dennoch kein kurFotozer. 

Historische Teilung nach Gerichtsbarkeiten

Um das Verhältnis der drei Gemeinden zueinander zu verstehen, muss man in der Geschichte zurückgehen und die geografischen Verhältnisse beachten. Die drei Gemeinden liegen im Wipptal nebeneinander, wobei das kleine Matrei von den beiden anderen Flächengemeinden umschlossen wird.

Bevor es die Gemeinden im heutigen Sinne gab, wurden sie nach Gerichtsbarkeiten unterschieden. Es gab das Marktgericht Matrei (seit 1249) und am Rande dessen gab es einzelne Weiler, die man Rigate nannte. Die Rigate haben sich zusammengeschlossen zu den Gemeinden Pfons auf der einen und Mühlbachl auf der anderen Seite. Letztere beiden kamen zum Landgericht Steinach, Matrei blieb Marktgericht. Daher kommt die Unterteilung, die bis heute Bestand hat.

Gemeinden sind engstens verwoben

Davon abgesehen sind die drei Kommunen engstens miteinander verwoben. Das beginnt damit, dass sie gemeinsam eine Pfarre bilden und sich die Kirche und den Friedhof teilen. Es setzt sich fort bei den Vereinen, die gemeinsam gegründet und belebt werden. Die Ortsbezeichnung für sie lautet üblicherweise „Matrei und Umgebung“. Das setzt sich in vielen Bereichen fort. Die Pfarre, der Kindergarten, die Volksschule, die Mittelschule – alle heißen „Matrei“, auch wenn sie in einer der beiden anderen Gemeinden liegt. Der Name Matrei war als Pars pro Toto immer präsent. 

Matrei
Matrei am Brenner ist die älteste Marktgemeinde Tirols, aber mit einer Fläche von nur 36 Hektar auch dessen kleinste. Mit dem Jahreswechsel ändert sich das. Foto: dennisvdwater - stock.adobe.com

Aufteilung war ineffizient

Paul Hauser hat es immer gestört, dass es drei Gemeinden sind, denn: „Wir haben eigentlich alles gemeinsam und dennoch müssen wir alles und ständig in Verbänden ausgliedern. Der Kindergarten ist ein Verband, die Volksschule ist ein Verband, die Mittelschule, die Sportstätten und so weiter.“

Paul Hauser
Paul Hauser, Bürgermeister von Matrei am Brenner: „Wir haben eigentlich alles gemeinsam und dennoch müssen wir alles und ständig in Verbände ausgliedern.“

Und dort, wo das nicht der Fall ist, merkt man, wie unsinnig oder zumindest ineffizient die Aufteilung ist. Zum Beispiel hat jede Gemeinde einen eigenen Bauhof. Alle drei Bauhöfe liegen jedoch in einem Umkreis von gerade einmal 1,2 Kilometern. Hauser bringt es auf den Punkt: „Wir kennen uns alle und sind eine große Gemeinde, die nur politisch getrennt ist.“

Zwangszusammenlegung wurde nach dem Krieg rückgängig gemacht

Versuche, die drei Kommunen zusammenzulegen, gab es schon früher. Während des Zweiten Weltkrieges wurden sie zwangsbeglückt und zusammengeschlossen, sofort nach Kriegsende jedoch wieder getrennt.

1974 forcierte der damalige rote Bürgermeister von Matrei abermals eine Zusammenlegung. Es gab eine Volksabstimmung in Mühlbachl und Pfons, die nach Matrei eingemeindet worden wären, doch die Zeit war noch nicht reif und die beiden Flächengemeinden damals dagegen. Über 40 Jahre später wurde nun ein neuerlicher Versuch in Angriff genommen, freiwillig zu fusionieren. Mithilfe eines Spezialisten, dem ehemaligen Bürgermeister von Ötz im Ötztal, wurde die Fusion in die Wege geleitet. 

Klare Mehrheiten für eine Fusion

Vor rund dreieinhalb Jahren hielten die drei Gemeinden erstmals eine gemeinsame Gemeinderatssitzung ab. Dabei wurde die weitere Kooperation beschlossen und eine Probeabstimmung durchgeführt, um zu sehen, welche Gemeinderäte für eine Fusion wären.

Das Ergebnis war ziemlich eindeutig: Matrei und Mühlbachl waren zu 100 Prozent dafür, in Pfons waren 60 Prozent der Gemeinderäte für eine Zusammenlegung.

In weiterer Folge veranstaltete man Gemeindeversammlungen, um die Bevölkerung zu informieren. Die Leute konnten ihre Anmerkungen und Kritik vorbringen, und das kam sehr gut an.

Im September 2020 gab es schließlich in den drei Gemeinde eine Volksbefragung und auch die Bevölkerung stimmte diesmal einer Fusion zu. In Matrei votierten 96 Prozent für Ja, in Mühlbachl 73 Prozent und in Pfons 61 Prozent. Die Landesregierung beschloss daraufhin bereits im Dezember, dass die drei Gemeinden mit 1. Jänner 2022 fusioniert sind. Der Namen Matrei und der Status Marktgemeinde bleiben. Pfons und Mühlbachl werden künftig Katastralgemeinden sein. 

Der Fahrplan zur neuen Gemeinde

Eingemeindung ist es aber keine. Alle Gemeinden werden mit 31.Dezember 2021 ­aufgelöst. Dadurch gibt es dann keine Gemeinden, Gemeinderäte und Bürgermeister mehr.

Ab 1. Jänner gibt es die neue Marktgemeinde Matrei am Brenner und einen Verwalter, der vom Land oder der BH Innsbruck gestellt wird. Dieser wird die neue Gemeinde vorübergehend verwalten und muss die Wahl ausschreiben.

Der früheste Termin dafür könnte der 20. März sein, vielleicht wird es aber auch April. In jedem Fall wird es später als der 27. Februar werden, an dem die Gemeinderatswahlen im übrigen Tirol stattfinden.

Gemeinderat wird vollkommen neu

Fortan wird es entsprechend der Einwohnerzahl von rund 3.600 nur mehr 15 Gemeinderäte und einen Bürgermeister geben. Wer das sein wird, ist noch völlig offen. Eine gute Handvoll Listen sind bereits dabei, sich zu formieren und zu organisieren. Da und dort hört man auch schon, wer als Bürgermeister kandidieren könnte. Paul Hauser wird es aber bestimmt nicht: „Nach 18 Jahren Bürgermeister und sechs Jahren Vize ist es genug. Ich werde heuer 65 und gehe in den wohlverdienten Ruhestand.“ Beruflich befindet sich Hauser, der 45 Jahre bei derselben Bank gearbeitet hat, bereits seit zwei Jahren in Pension. 

Noch viel vor

Bis zur Politpension bemüht sich Hauser gemeinsam mit seinen Kollegen noch, das Schloss Trautson, das als Ursprung von Matrei gilt, als „Perle des Wipptales“ zu revitalisieren. Hoch über der Pfarrkirche thront es. Über jener Matreier Pfarrkirche, die auf Pfoner Grund steht.

Sobald man diese und den umgebenden Friedhof verlässt, befindet man sich am Kirchplatz und somit wiederum auf Mühlbachler Gemeindegebiet. Noch. Aber schon jetzt ist den wenigsten Einheimischen bewusst, wo die Grenzen verlaufen. In der Fremde geben die meisten ohnehin an, aus Matrei zu kommen, auch die Mühlbachler und Pfoner. Das kennt man nämlich und daher wird man es auch in Zukunft beim Namen Matrei am Brenner belassen. In der Diskussion um den künftigen Namen wurden Alternativen wie Matrei an der Sill oder Matrei im Wipptal bald wieder ad acta gelegt. 

Wer das neue Matrei führen wird, ist noch nicht entschieden. Fest steht hingegen schon jetzt, dass es nächstes Jahr ein neues Gemeindewappen geben wird und dass die Gemeinde vom Land Tirol 1,2 Millionen Euro erhalten wird, das Brautgeld sozusagen.