Im Beispiel ging es um den Anbau an ein bestehendes Wohnhaus (Symbolbild).

Verlust der Parteistellung im Bauverfahren

Gemäß § 8 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) sind Parteien Personen, die an einer Sache aufgrund eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind. Darüber, wer welche „Rechtsansprüche“ und „rechtlichen Interessen“ hat und im Verfahren geltend machen kann, gibt das AVG keine Auskunft. Sie sind aus der auf den Sachverhalt anzuwendenden materiellen Rechtslage abzuleiten, d.h. für das Bauverfahren aus der NÖ Bauordnung.

Der Begriff der Partei hat eine normökonomische Funktion, da das Gesetz an die Stellung als Partei ein Bündel von Verfahrensrechten, wie etwa auch das Recht auf Erlassung des Bescheides durch mündliche Verkündung oder Zustellung der schriftlichen Ausfertigung, knüpft.

Die mündliche Verhandlung

Als Teil des Ermittlungsverfahrens dient die mündliche Verhandlung der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes unter Berücksichtigung des Parteiengehörs. Darüber hinaus verleiht ihr das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz (§ 42 Abs. 1 AVG) noch dadurch eine weit reichende Konzentrationswirkung, dass es jene Parteien aus dem Verfahren wieder ausscheidet, die sich nicht – spätestens bei der mündlichen Verhandlung – mittels Einwendungen aktiv daran beteiligen. Durch die Präklusion der Parteistellung wird der Kreis der Parteien auf jene begrenzt, die sich aus eigener Initiative am weiteren Verfahren beteiligen.

Verlust der Parteistellung

Der Verlust der Parteistellung tritt ein, wenn die betroffene Partei

  • von der mündlichen Verhandlung rechtzeitig verständigt wurde,
  • auf die Präklusionswirkung hingewiesen wurde und
  • nicht spätestens in der mündlichen Verhandlung präklusionshemmende Einwendungen erhoben hat.

Um die Präklusionswirkungen des § 42 Abs. 1 AVG zu verhindern, also die Stellung als Partei nicht zu verlieren, muss die betroffene Person nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung und spätestens am Tag vor Beginn der mündlichen Verhandlung während der Amtsstunden oder während der Verhandlung Einwendungen erheben. Nur zulässige Einwendungen sichern die Parteistellung im weiteren Verfahren. Nicht gefordert ist, dass die Einwendung auch begründet sein muss, weil gerade das im nachfolgenden Verfahren geklärt werden soll. Unter einer Einwendung ist die Behauptung einer Partei zu verstehen, dass sie das gegenständliche Vorhaben in einem bestimmten subjektiv öffentlichen Recht verletze.

Ein Fall aus der Praxis

Um einen Zubau zum bestehenden Wohnhaus errichten zu können, beantragten zwei Bauwerber die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung. Die Baubehörde erster Instanz beraumte daraufhin eine Bauverhandlung an. In der Einladung zur Bauverhandlung hieß es unter anderem:

„Rechtsgrundlage: §§ 40 bis 42 des AVG (…)

Als sonst Beteiligter beachten Sie bitte, dass Einwendungen gegen den Gegenstand der Verhandlung, die nicht spätestens am Tag der Verhandlung der Behörde bekannt gegeben oder während der Verhandlung vorgebracht werden, keine Berücksichtigung mehr finden und angenommen wird, dass Sie dem Gegenstand der Verhandlung zustimmen“.

Diese Erledigung wurde dem Nachbar zugestellt, der auch an der Bauverhandlung teilnahm. Einwendungen seinerseits sind der Niederschrift nicht zu entnehmen. Vielmehr heißt es darin, dass er und ein weiterer Anrainer „bei plangerechter Ausführung mit dem Vorhaben einverstanden“ seien. Die Niederschrift weist eine Reihe von Unterschriften auf, eine Unterschrift, die (eindeutig) dem beschwerdeführenden Nachbarn  zuzuordnen wäre, war daraus aber nicht ersichtlich.Die Baubewilligung wurde daraufhin erteilt und den Rechtsmitteln des Nachbarn in den Instanzen nicht Folge gegeben, weil er seine Parteistellung im Verfahren verloren habe.

Schließlich wurde der Fall an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH 22.05.2001, 2000/05/0271) herangetragen, der dazu Folgendes erwog:

Die Präklusion der Parteistellung kann nur dann eintreten, wenn neben der korrekten Umschreibung des Verfahrensgegenstandes in der doppelten Kundmachung der mündlichen Verhandlung ausdrücklich auf die Säumnisfolgen des § 42 Abs. 1 AVG hingewiesen wurde. Das heißt, dass jede der beiden Kundmachungen darauf aufmerksam zu machen hat, dass eine Person ihre Stellung als Partei verliert, wenn sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt.

Es genügt nicht, bloß die Paragraphenbezeichnungen anzuführen. Auch eine Abweichung vom Text des § 42 Abs. 1 AVG hat zur Folge, dass der Verlust der Parteistellung nach dieser Bestimmung nicht eintreten kann.

Die in der gegenständlichen Ladung gewählte Formulierung des Hinweises auf die Folgen des § 42 Abs. 1 AVG, nämlich dass verspätete Einwendungen keine Berücksichtigung finden und die Beteiligten als dem Vorhaben zustimmend angesehen werden - anstatt des nach der geltenden Rechtslage nötigen Hinweises auf den Verlust der Parteistellung gemäß § 42 Abs. 1 AVG - entspricht jener der früheren Fassung des AVG.

Die Entscheidung

Im Ergebnis hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass in der Verständigung über die Anberaumung der mündlichen Bauverhandlung nicht auf die im § 42 AVG vorgesehenen Rechtsfolgen hinsichtlich des Verlustes der Parteistellung verwiesen wird. Der beschwerdeführende Nachbar hat deshalb seine Parteistellung im Bauverfahren nicht verloren. Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er aufzuheben war.

Hinweis für die Praxis

Da – wie aktuelle Anfragen zeigen – diese Problematik in der Verwaltungspraxis immer noch vorkommt, wäre es wichtig, die Unterlagen und Muster dahingehend zu kontrollieren. Die Baubehörde sollte darauf achten, dass in der Ausschreibung einer Bauverhandlung darauf hingewiesen wird, dass der Beteiligte, wenn er nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung während der Amtsstunden bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhoben hat, die „Parteistellung gemäß § 42 Abs. 1 AVG verliert“. Nur so tritt diese Rechtsfolge auch tatsächlich ein.