Haus für die Einhebung steht im ländlichen Raum
Im Praxisbeispiel geht es um die Erklärung eines Grundstückes zum Bauplatz. (Symbolfoto).

Die Einhebungsverjährung

Unter Einhebungsverjährung versteht man die Verjährung des Rechtes der Gemeinde, eine bereits (vorgeschriebene) fällige Abgabe einzuheben. Die Einhebungsverjährung tritt fünf Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Fälligkeit eingetreten ist, ein (§ 238 Abs. 1 BAO).

Eine Unterbrechung der Verjährung tritt durch jede nach außen erkennbare Handlung der (zuständigen) Behörde ein, die der Einhebung der Abgabe bzw. der (zwangsweisen) Durchsetzung des Abgabenzahlungsanspruches dient.



Wirksame Unterbrechungshandlungen wären z. B. Mahnungen, Vollstreckungsmaßnahmen, die Bewilligung von Zahlungserleichterungen, Bescheide, Amtshilfeersuchen, die Zusendung von Erklärungsformularen für die Selbstberechnung oder die Anmeldung einer Konkursforderung.



Eine Unterbrechungshandlung muss in den Akten einwandfrei dokumentiert sein. Eine förmliche Mitteilung über die Unterbrechung der Verjährung an den Abgabepflichtigen ist jedoch nicht notwendig.



Im Fall einer Unterbrechungshandlung beginnt die Verjährungsfrist nach Ablauf des Jahres, in dem die Unterbrechung eingetreten ist, neu zu laufen. Eine absolute Verjährungsfrist wie bei der Festsetzungsverjährung gibt es bei der Einhebungsverjährung nicht.

Fall aus der Praxis



Thomas und Petra R. (in der Folge: Beschwerdeführer) sind grundbücherliche Eigentümer eines Grundstückes in der Marktgemeinde S.



Mit einer als „Abgabenbescheid“ titulierten Erledigung des Bürgermeisters der Marktgemeinde vom 21. Juni 2010 wurde das Grundstück der Beschwerdeführer auf Grund ihres schriftlichen Ansuchens vom 17. Februar 2010 zum Bauplatz erklärt. Weiters wurde im Spruch aus dem Anlass der Erklärung eines Grundstückes zum Bauplatz gemäß § 38 Abs. 1 NÖ Bauordnung 1996 eine Aufschließungsabgabe in der Höhe von 15.579,47 Euro vorgeschrieben. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.



Die Gemeinde gewährte auf den festgesetzten Betrag einen „Nachlass“ von 40 Prozent (=6.231,78 Euro), der aber an eine Hauptwohnsitzbegründung geknüpft war und welcher innerhalb von vier Jahren zu begründen wäre.



Da die Beschwerdeführer noch keinen Hauptwohnsitz in der Gemeinde begründet hatten, wurde die Wohnbauförderung bis zur Erfüllung des Tatbestandes der Wohnsitzbegründung, jedoch bis längstens 31. Dezember 2014 auf Antrag der Beschwerdeführer vom 25. Juni 2010 hin gestundet. Sollte keine Hauptwohnsitzbegründung bis 31. Dezember 2014 erfolgen, werde dann der gestundete Betrag fällig gestellt.



Da bis zum 1. Dezember 2014 keine Hauptwohnsitzbegründung erfolgte, sprach der Bürgermeister mit Bescheid vom 31. März 2016 aus, dass der gestundete Betrag für die Aufschließungsabgabe fällig werde.



Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung und gegen den abweisenden Berufungsbescheid in weitere Folge Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich.

Die Entscheidung



Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG 09.11.2016, LVwG-AV-1052/001-2016) führte dazu folgendes aus:



Im Wesentlichen sei der Sachverhalt als unstrittig zu beurteilen und ergebe sich dieser aus dem unbedenklichen Akteninhalt in Verbindung mit dem bekämpften Bescheid sowie aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, soweit dieses den Feststellungen der belangten Behörde nicht entgegentritt.



In der Sache war festzuhalten, dass sich das Beschwerdevorbringen vorwiegend auf die Frage reduzieren lässt, ob die Vorschreibung der Aufschließungsabgabe überhaupt erfolgen durfte, da nach Ansicht der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der (erneuten) Vorschreibung der Aufschließungsabgabe bzw. eines Restbetrages dieser Abgabe bereits Verjährung eingetreten sei.



Mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters vom 21. Juni 2010 war den Beschwerdeführern für ihre Liegenschaft eine Aufschließungsabgabe in der Höhe von 15.579,47 Euro vorgeschrieben worden.



Mit Bescheid des Bürgermeisters vom 31. März 2016 ist den Beschwerdeführern für ihre Liegenschaft (erneut) eine Aufschließungsabgabe im Betrag von 6.231,78 Euro (i.e. jene 40 Prozent der Aufschließungsabgabe von 15.579,47 Euro, die mit Bescheid vom 1. Juli 2010 gestundet worden waren) vorgeschrieben worden.



Entschiedene Sache („res iudicata“) liegt nach übereinstimmender Rechtsprechung und Literatur dann vor, wenn seit Erlassung des ersten Bescheides die maßgebende Sach- und Rechtslage in den entscheidungswichtigen Punkten unverändert geblieben ist. Sache einer (rechtskräftigen) Entscheidung ist der im Bescheid enthaltene Ausspruch über die verwaltungsrechtliche Angelegenheit, die durch den Bescheid ihre Erledigung gefunden hat, und zwar auf Grund der Sachlage, wie sie dem in der Behörde angenommenen maßgebenden Sachverhalt zum Ausdruck kommt, und der Rechtslage, auf die sich die Behörde bei ihrem Bescheid gestützt hat. Entschiedene Sache bedeutet somit Identität der Verwaltungssache, über die bereits mit einem Bescheid abgesprochen wurde (vgl. VwGH vom 23. November 2009, Zl. 2007/03/0059).



Im gegenständlichen Fall gehört der Bescheid des Bürgermeisters vom 21. Juni 2010 nach wie vor dem Rechtsbestand an und entfaltet - mangels Aufhebung - sowohl für die Abgabenbehörde als auch für die Abgabepflichtigen Bindungswirkungen. Dies bewirkt bei unverändertem Sachverhalt (und unveränderter Rechtslage) das Prozesshindernis der entschiedenen Sache. Maßgebliche Wirkungen eines Bescheides sind dessen Unwiederholbarkeit und dessen Unabänderbarkeit. Parteien und Behörden haben den Bescheidinhalt als maßgeblich zu betrachten. Die Unwiederholbarkeitswirkung verbietet, dass über die mit dem Bescheid erledigte Sache neuerlich entschieden wird.



Mit dem Ergehen des zweiten (Abgaben-) Bescheides (in Gestalt der Erledigung vom 31. März 2016) ist aber der erste Abgabenbescheid (i.e. die Erledigung vom 21. Juni 2010), der über dieselbe Sache (mit letztlich identen Vorschreibungsbeträgen) absprach, nicht aus dem Rechtsbestand ausgeschieden. Dem zweiten Abgabenbescheid stand somit die materielle Rechtskraft des ersten Abgabenbescheides entgegen.



Der nunmehrigen neuerlichen Festsetzung einer Aufschließungsabgabe (bzw. eines Teilbetrages davon) für denselben Abgabenschuldner stand jedenfalls das Rechtshindernis der entschiedenen Sache neben dem Verstoß gegen den Grundsatz der Unwiederholbarkeit des Bescheides entgegen.



Aus diesem Grund war der Beschwerde Folge zu geben und der Spruch des angefochtenen Bescheides dahingehend abzuändern, dass der angefochtene Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde ersatzlos behoben wurde.



Darüber hinaus wurde festgehalten, dass im fortgesetzten Verfahren zu prüfen sei, ob der offene Restbetrag zu der mit Bescheid des Bürgermeisters vorgeschriebenen Aufschließungsabgabe in der Höhe von 6.231,78 Euro verjährt ist. Dies sei vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Bescheid vom 21. Juni 2010 noch im gleichen Jahr (2010) den Abgabenanspruch ausgelöst haben dürfte. Demzufolge wäre im Sinne der §§ 207 ff. BAO mit Ende des Jahres 2015 die Einhebungsverjährung eingetreten, wenn keine Verlängerungshandlungen seitens der Abgabenbehörden gesetzt worden sind.