
21 Prozent der öffentlichen Ausgaben fließen in Bauprojekte.
Foto: www.Bilderbox.com
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Vergaben nach dem Bestbieterprinzip
Die führenden Vergaberechtsexperten lancieren gemeinsam mit den Sozialpartnern einen neuen Kriterienkatalog zum Bestbieterprinzip. Er soll den öffentlichen Auftraggebern Anregungen liefern, welche Qualitätskriterien für ihre Projekte sinnvoll sein könnten.
Seit 1. März 2016 gilt in Österreich bei der Vergabe öffentlicher Aufträge das Bestbieterprinzip. Damit soll dem Lohn- und Sozialdumping am heimischen Arbeitsmarkt entgegengewirkt werden. Nicht der Preis allein soll künftig über den Zuschlag entscheiden, sondern zumindest ein weiteres Kriterium. Welches das letztendlich ist, ist die Entscheidung der jeweiligen öffentlichen Auftraggeber. Bei den ausschreibenden Stellen ist die Unsicherheit darüber derzeit groß, denn Österreich ist das erste und einzige Land in Europa, das das Bestbieterprinzip verpflichtend eingeführt hat, und diesbezügliche Erfahrungen fehlen noch allerorts. Anhand des nunmehr präsentierten Vergabekataloges sollen sich Hilfesuchende orientieren, welche Kriterien zu ihrem jeweiligen Projekt passen.
Vorgestellt wurde der Katalog von Vergaberechtsspezialist Stephan Haid, sowie Spitzenvertretern der Bauinnung und der Gewerkschaft Bau - Holz. Somit sind die Vorschläge vornehmlich für Bauaufträge zu verstehen, für die das Bestbieterprinzip übrigens ab einer Auftragshöhe von einer Million Euro gilt. Der Katalog enthält 13 Vorschläge, wie die neu hinzugekommenen Qualitätskriterien aussehen könnten, und ist in drei Kategorien geclustert: acht wirtschaftliche Kriterien, drei soziale sowie zwei ökologische. Natürlich können auch völlig andere Kriterien herangezogen werden, das obliegt letztendlich dem Auftraggeber. Die im Katalog aufgelisteten Kriterien orientieren sich an bereits vorhandenen Praxiserfahrungen, etwa der ASFINAG oder der ÖBB, die sich bereits seit März freiwillig zum Bestbieterprinzip bekannt haben.
Wie funktioniert es in der Praxis?
Wie könnten nun diese Kriterien in der Praxis tatsächlich angewandt werden? Ein Beispiel veranschaulicht das: Angenommen, eine Gemeinde möchte eine Volksschule sanieren. Sie entscheidet sich dazu, aus jeder Kategorie ein Kriterium zu nehmen und das Bewertungsverhältnis mit 80:20 (mit 80 für den Preis und 20 für die Qualitätskriterien) festzulegen.
Das Kriterium der Ausbildung und Qualifikation des Schlüsselpersonals erscheint der Gemeinde zweckmäßig. Sie verlangt daher vom Bewerber, pro Schlüsselperson drei Referenzen aus der Vergangenheit in der Ausführung ähnlicher Bauvorhaben vorzulegen, und staffelt hierfür die Punktevergabe von Null bis Hundert. (Mustertexte für die Ausschreibungsunterlagen befinden sich übrigens ebenfalls im Katalog.) Gleichfalls denkbar wäre das Verlangen nach Schlüsselpersonen, die einen bestimmten Ausbildungsweg beschritten oder bestimmte Schulungen absolviert haben. Die Überprüfung der Bewerber kann dabei schon im Vorfeld einer Auftragserteilung stattfinden. Mit 5 Prozent für die Referenzen des Schlüsselpersonals und 5 Prozent für deren Fortbildung hätte man bereits 10 Prozent für das qualitative Zuschlagskriterium erreicht.
Beim Sozialkriterium entscheidet sich die Gemeinde für die Förderung von Lehrlingen. Dabei geht es darum, wie viele Lehrlinge tatsächlich auf der Baustelle eingesetzt werden. Das müsste in der Folge auf der Baustelle überprüft werden. Die grundsätzliche Lehrlingsanzahl im Betrieb würde nicht ausreichen. Im Bereich Umwelt ist der Gemeinde die Verringerung der Transportkilometer ein Anliegen. Bei volumenhaften Baumaterialien wie Schotter, Kies, Asphalt oder Holz bewertet sie die erforderliche Streckenlänge von der Produktionsstätte bis zur Baustelle. Unter
z. B. 60 Kilometer Anfahrt gibt es die volle Punkteanzahl, über 100 km null Punkte. Damit wären gleiche Bedingungen für alle Bewerber geschaffen und die 20% an Qualitätskriterien, die die Gemeinde für sich selbst festgelegt hat, erfüllt.
Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger hat für sich mit 1. Juli ein Verhältnis von 80:20 festgelegt, die Wirtschaftskammer Steiermark entschied sich für das Verhältnis 70:30. Eine Mindestgewichtung gibt es nicht. Allerdings hat der Gesetzgeber festgelegt, dass das bzw. die Zuschlagskriterien einen maßgeblichen Einfluss auf die Ermittlung des Bestbieters haben müssen. Ein niedrig einstelliger Wert wäre riskant. Hält sich der Auftraggeber nämlich nicht an das Bestbieterprinzip, droht eine Nichtigerklärung der Ausschreibung. Ein Nachprüfungsantrag auch nur irgendeines Interessenten käme dann einem Elfmeter ohne Tormann vor dem Bundes- oder Landesverwaltungsgerichts gleich.
Befürchtung vor Flut von Abprüfungsverfahren haben sich nicht bewahrheitet
Befürchtungen, dass eine Flut von Abprüfungsverfahren wegen der Qualitätskriterien eintreten würden, haben sich seit Gültigkeit des Bestbieterprinzips bislang nicht bewahrheitet. „Es ist nicht einmal ein signifikantes Ansteigen zu bemerken“, sagt Vergaberechtsspezialist Stephan Haid. Er ist es auch, der Bedenken hinsichtlich der ausständigen Umsetzung der EU-Vergaberechtsrichtlinie durch Österreich zerstreut. Der vorgestellte Kriterienkatalog berücksichtige bereits die kommenden Anpassungen und sei somit auch in dieser Hinsicht zukunftsfit.
Grenzenloser Optimismus bezüglich des Bestbieterprinzips mag sich dennoch nicht bei allen einstellen. Bedenken gibt es vor allem hinsichtlich der in Österreich so zahlreich vertretenen Klein- und Mittelbetriebe. Die Frage ist, inwieweit sie die zeitlichen und personellen Ressourcen aufbringen können, um sich derart detaillierten Ausschreibungsauflagen stellen zu können, vor allem im Wettbewerb mit den wenigen großen Playern am Markt, die dafür eigene Abteilungen beschäftigen. Es wird befürchtet, dass mit dem Bestbieterprinzip nur eine Verlagerung der Probleme stattfindet und lokale KMU erst recht wieder den Kürzeren ziehen. Anstatt ausländischer Sub-Sub-Unternehmer könnten künftig die Konzerne die Aufträge für sich verbuchen, was letztendlich auch nicht wirklich im Interesse der Gemeinden liegen kann. Es liegt also an den öffentlichen Auftraggebern, ihre Ausschreibungen derart zu gestalten, dass Regionalität ein Vorteil ist. Handlungsspielraum dazu gibt es. Ihn richtig zu nutzen ist das Kunststück, das es zu meistern gilt.
Der Bestbieterkriterien-Katalog ist kostenlos im Internet unter www.faire-vergaben.at abrufbar.
