Ein Vergabevorhaben setzt sich in der Regel aus mehreren Vergabeverfahren zusammen.
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Schritt 1 der Auftragsvergabe: das Vergabevorhaben definieren

11. April 2021
Beschaffungsvorgänge müssen gut geplant sein. Der wichtigste Schritt bei der Planung eines Beschaffungsvorganges ist die Definition des Vergabevorhabens.

Der Begriff „Vergabevorhaben“ ist im Bundesvergabegesetz nicht abschließend definiert – daher treten in der Vergabepraxis nicht selten Fragestellung in Zusammenhang mit der Abgrenzung des Vergabevorhabens auf. Dabei ist eine saubere Abgrenzung des Vergabevorhabens essenziell für die rechtssichere Durchführung von Vergabeverfahren, insbesondere für die Wahl der korrekten Verfahrensart(en).

Das Vergabevorhaben kann mehr sein als die unmittelbar anstehende Beschaffung, die möglicherweise nur einen Teilaspekt des gesamten Vergabevorhabens darstellt. Der Begriff „Vergabevorhaben“ ist nicht mit dem Begriff „Vergabeverfahren“ gleichzusetzen. Vielmehr setzt sich ein Vergabevorhaben in der Regel aus mehreren Vergabeverfahren zusammen.

Wie wird nun das Vergabevorhaben ermittelt?

Es ist vom öffentlichen Auftraggeber (bzw. von seinen fachkundigen Beratern) eine Prüfung nach funktionellen Gesichtspunkten vorzunehmen. Vereinfacht dargestellt ist zu prüfen, bei welchen Leistungen einer oder mehrere der folgenden Punkte vorliegen:

  • örtlicher oder zeitlicher Zusammenhang
  • sachlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang
  • gemeinsame Planung
  • einheitlicher Zweck der Beschaffungen
  • Vorliegen von Aufträgen aus gleichen Fachgebieten („Berufszweige“)

Alle Leistungen (bzw. deren geschätzte Auftragswerte), die einen solchen funktionellen Zusammenhang aufweisen, sind zusammenzurechnen. Erst wenn diese Zusammenrechnung stattgefunden hat, kann seriös und rechtssicher beurteilt werden, welche Verfahrensart(en) für die Vergabe der einzelnen Leistungen des Vergabevorhabens ausgewählt werden darf.

Besteht ein Vergabevorhaben aus mehreren Auftragsarten (Bau-, Liefer- oder Dienstleistungsaufträge), sind die Leistungen der jeweiligen Auftragsart nicht zwingend zusammenzurechnen (keine auftragsartenübergreifende Zusammenrechnung). Eine Unterscheidung zwischen Bau-, Liefer- und Dienstleistungsvorhaben kann zulässig sein.

Beispiel für ein Vergabevorhaben

Eine Gemeinde plant den Neubau eines Kindergartens. Für das Projekt sind sowohl Planungsleistungen (konkret Generalplanerleistungen) als auch Leistungen der Gewerke Baumeister, Heizung- und Lüftungstechniker, Elektroinstallateur, Spengler, Dachdecker sowie Zimmermann erforderlich. Der geschätzte (Gesamt-)Auftragswert beträgt 1,8 Millionen Euro (exkl USt), wobei für die Planungsleistungen die Kosten auf 90.000 Euro (exkl. USt) geschätzt werden. Die Gemeinde möchte die ausführenden Gewerke losweise vergeben.

Die Planungsleistungen können als eigenständiges Dienstleistungsvorhaben betrachtet werden. Aufgrund der Kostenschätzung ist z. B. eine Direktvergabe zulässig.

Sämtliche ausführenden Bauleistungen im Zusammenhang mit dem Neubau des Kindergartens stellen ein einheitliches Bauvorhaben dar, weshalb die Auftragswerte der einzelnen Gewerke für die Berechnung des geschätzten Gesamtauftragswertes zusammenzurechnen sind. Eine losweise Vergabe nach Gewerken ist – da der geschätzte Gesamtauftragswert des Bauvorhabens im Unterschwellenbereich angesiedelt ist – zulässig. Die einzelnen Gewerke können in separaten Vergabeverfahren vergeben werden.

Infos

Schramm Öhler Rechtsanwälte

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