Schneeräumung
Wenn es zu schneien begonnen hat, muss alles für den Winterdienst bereit sein.
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Schneeräumen ist (k)eine Wissenschaft

Das Bild von Schneeräumfahrzeugen kennt jeder von uns. Seit der Kindheit. Welche Entwicklungen seit dieser Zeit im Winterdienst stattgefunden haben, erkennt der Laie beim Anblick eines Schneepfluges hingegen kaum. Dabei steckt heute eine Menge Technik und Know-how im immerwährenden Kampf gegen das Schneechaos.

Schneeräumen ist keine Wissenschaft. Im Prinzip ist es höchst simpel: Der Schnee muss weg, und mit Schaufel oder Salz ist eigentlich jeder im Stande, den winterlichen Niederschlag zu beseitigen - im Kleinen wohlgemerkt.

Denkt man eine Nummer größer, an öffentliche Straßen, scheint die Sache immer noch klar und einfach. Gut, man braucht maschinelle Unterstützung, um die Flächendimensionen zu bewältigen. Die Lösung dafür heißt Schneepflug, und dessen Funktionsweise ist simpel.

Winterdienst ist nicht nur Schneeräumung

Man sollte allerdings nicht den Fehler machen, in dieser Analogie weiterzudenken, denn der Winterdienst für eine ganze Kommune ist mehr als nur die Herausforderung, bei einsetzendem Schneefall möglichst schnell das gesamte Straßennetz mit räumenden Schwerfahrzeugen abzufahren. Um einen für die Bevölkerung zufriedenstellenden Straßenzustand herzustellen und aufrecht zu erhalten, gleichzeitig aber auch wirtschaftlich und umweltschonend zu arbeiten, ist eine Menge an spezifischem Wissen notwendig. 

Organisation, Logistik, Technik oder Chemie, sind nur einige der Themenfelder, in denen seit Jahrzehnten Forschungsprojekte und Entwicklungen rein für die Verbesserung des Winterdienstes vorangetrieben werden. Für Otto Normalverbraucher sind die Fortschritte, die in den vergangenen Jahren im Winterdienst stattgefunden haben, nicht unbedingt ersichtlich.

Die großen Räumfahrzeuge sehen nicht wesentlich anders aus als vor 40 Jahren, als Autofahrer sind sie einem noch immer zu langsam unterwegs, und als Fußgänger viel zu laut. Dennoch, die technologischen Fortschritte im Winterdienst sind bemerkenswert. 

Abstumpfende und tauende Streumittel

Besonders viele Untersuchungen wurden auf dem Gebiet des Streuguts angestellt.

Streustoffe sind neben dem Schneeräumen die wichtigste Maßnahme gegen Winterglätte. Sie müssen dabei vielfältige und teils gegensätzliche Anforderungen erfüllen.

Im Grunde teilen sie sich in zwei Gruppen: solche mit abstumpfender Wirkung, wie zum Beispiel Splitt oder Asche, und solche mit tauender Wirkung, in der Regel Metall-Chloride, also Salze. Durch zahlreiche wissenschaftliche Versuche hat man versucht, das optimale Streugut zu finden.

Natürlich gibt es nicht das eine, ideale Streumittel. Vielmehr hängt es von den jeweiligen Parametern ab, welcher Stoff am geeignetsten ist, um gestreut zu werden. 

Auswahl des Streumittels hängt von der Temperatur ab

Ein Faktor ist etwa die Temperatur. Üblicherweise ist Natriumchlorid das gängigste Taumittel. Bei Temperaturen unter minus 15 °C hingegen sind Magnesiumchlorid und Calciumchlorid wirksamer.

Eine anderer Faktor ist die Schnee-/Eislage. Salz kann nur Schneemengen bis maximal 1 cm Höhe tauen. Ohne Räumung ergibt das Salzstreuen bei Schneelage also nur manchmal Sinn. Selbst wenn die Fahrbahn schnee-und eisfrei ist, kann gestreut werden müssen.

Winterdienst
Rund 71 Prozent aller österreichischen Straßen fallen unter die Zuständigkeit von kommunalen Winterdiensten. 

Bei der Präventivstreuung wird heutzutage üblicherweise reine Sole (Salzlösung)ausgebracht. Damit wird ein Salzfilm auf die Fahrbahnoberfläche gelegt, der Glatteis vorbeugen kann.

Die Sole hat den Vorteil, dass sie im Gegensatz zum Salz oder Splitt nicht durch Wind bzw. Autoreifen vertragen wird. Zwischen dem trockenen Salz und der flüssigen Sole gibt es zudem noch variable Feuchtsalzgemische, die das Trockensalz als Streumittel seit den 80er-Jahren sukzessive verdrängt haben.

Bewährt hat sich das „FS30“, wobei FS für Feuchtsalz steht und dreißig den prozentualen Soleanteil des Gemisches beschreibt. Reine Sole trägt demnach die Bezeichnung FS100, da der Soleanteil hundert Prozent beträgt.

In den letzten Jahren wird zudem vermehrt auch FS5 und FS50 eingesetzt. Egal welches Streumittel in welchem Verhältnis oder Zustand verwendet wird – beim modernen Winterdienst wird immer zuvor ermittelt, welches Streugut für die aktuelle Straßenlage und die prognostizierten Wetterereignisse am geeignetsten ist.

Notwendige Salzmengen konnten reduziert werden

Übrigens auch im Hinblick auf die Umweltverträglichkeit. Auch wenn nach wie vor Salze die dominierenden Streumittel sind, konnte durch neue Streutechniken ihre Effektivität signifikant erhöht werden.

Die Menge an Salz, die beispielsweise zur Präventivstreuung verwendet wird, beträgt heute nur mehr 5 bis 10 Gramm pro Quadratmeter. Das ist etwa so viel wie ein gestrichener Teelöffel Salz. Die Verantwortlichen nehmen es mit der Auswahl des Streuguts sehr genau, ermittlen penibel mithilfe von Gefrier- und Lösungkurven, Streudichte-Berechnungsmodellen die optimale Art und Menge. Die Dosiergenauigkeitsprüfungen, denen die hochverschleißenden Winterdienstmaschinen regelmäßig unterzogen werden, sind ebenso Standard.  

Privatpersonen streuen meistens zu viel 

Die größten Probleme für Tiere und Pflanzen verursacht im Jahr 2019 übrigens nicht das Salz der professionellen Winterdienste, sondern jenes, dass Privatpersonen beim Gehsteigstreuen vor ihren Häusern in rauhen Mengen verteilen, nach dem Motto „Besser zuviel als zuwenig“ und in der Hoffnung, dadurch länger Ruhe vor einem neuerlichen Räumeinsatz zu haben. 

Innovationen im Winterdienst bleiben der Öffentlichkeit meist verborgen

Nicht nur bei den Streustoffen gab es Innovationen. Die gesamte Winterdiensttechnik hat in den letzten Jahrzehnten einen hohen technischen Stand erreicht.

In den 80er-Jahren war die schon erwähnte Feuchtsalztechnologie die wesentlichste Neuerung. Die 90er-Jahre waren durch Verbesserungen des Bedienkomforts und  der Dosiergenauigkeit gekennzeichnet, und in den Jahren ab 2000 fand die automatische Erfassung von Betriebsdaten in Verbindung mit der Ortsbestimmung mittels GPS immer weitere Verbreitung.

Außenstehenden blieben diese Entwicklungen eher verborgen. Am ehesten sichtbar wurden sie bei den Streugeräten, denn das Feuchtsalz erforderte auch Anpassungen der Gerätschaften, speziell deren Streuteller. Das sind jene rotierenden Scheiben, die das Streugut hinter dem Fahrzeug gleichmäßig verteilen. Bei einer Feuchtsalzstreuung werden Sole und Trockensalz einzeln auf den Streuteller gespritzt, das Salz erst dort angefeuchtet und unmittelbar ausgebracht. Doppelteller, Kombistreuer und Sprühsysteme sind die offensichtlichsten Veränderungen, aber bei weitem nicht die einzigen. 

Die Palette an einsetzbaren, teils hochspezialisierten Räum- und Streumaschinen wächst stetig an, auch weil sich die Anforderungen an den Winterdienst im Laufe der Zeit verändert haben.

Wenn es schneit, muss alles vorbereitet sein

Extremwetterereignisse nehmen zu, und insbesondere in Städten gibt es ein immer größeres Aufkommen an Fahrradverkehr und damit einhergehend die Qualitätsansprüche an den Winterdienst. Lange Jahre wurden auf Radwegen ausschließlich abstumpfende Streustoffe ausgebracht, mittlerweile gibt es eigene Sprühmaschinen für den Rad- und Gehsteigbereich.

Der Winterdienst erschöpft sich nicht nur im Einsatz von Räum- und Streugerätschaften. Ein ganz wesentlicher Anteil eines erfolgreichen Winterdienstes liegt in der genauen Vorbereitung, denn eines ist klar: Setzt der Schneefall ein  und Glätte tritt auf, muss bereits alles bestmöglich geplant und organisiert sein.

Vom letztendlich nie präzise vorhersehbaren Wetter abhängig sind im Einsatzfall sämtliche Kräfte mit der Akutsituation beschäftigt. Deshalb ist alles, was irgendwie möglich ist, im Vorfeld zu erledigen.

Das reicht von der Erhebung des Straßenzustandes (mittlerweile digital und fallweise automatisiert) über die Berechnung der einzulagernden Streumittel, das Erstellen von Räumplänen bis hin zur Schulung der Mitarbeiter. Die ist nicht zu unterschätzen, denn ein Schneepflugfahrer sollte im Idealfall jeden Kanaldeckel kennen und auch bei durchgängiger Schneedecke noch wissen, wo darunter problematische Stellen auf der Route liegen.

Mit Ausnahme vielleicht des Mitarbeitertrainings werden die genannten Aufgaben heute alle mithilfe moderner Technik bewältigt. Hochrechnungsprogramme, Analysetools, und die GPS-gestützte Routenoptimierung erfordern von den Mitarbeitern des Winterdienstes weitaus  höhere und umfangreiche Kenntnisse als früher.
 
Die jahrzehntelangen Bemühungen, den Winterdienst effizienter, sparsamer und umweltfreundlicher zu machen, haben zwar enorme Verbesserungen gebracht. Die grundsätzliche Herangehensweise von Räumen und Streuen ist im Prinzip jedoch gleich geblieben.

Bis jetzt. Dass das in Zukunft nicht immer so bleiben muss, oder besser gesagt nicht nur so bleiben muss, zeigen alternative Methoden wie etwa Straßen- oder Fahrbahnheizungen. Solche werden entweder mit Strom oder mit Erdwärme beheizt. 

Energiefresser Straßenheizung

Die Straßenheizung mittels Strom ist wahrlich keine neue Idee. Schon seit Jahrzehnten gibt es immer wieder Ambitionen, solche zu realisieren.

Das Erwärmen der Heizdrähte verbraucht allerdings 400 Watt pro Quadratmeter. Anders gesagt, um eine Fläche von 300 m² einen Tag lang zu heizen, benötigt man den Jahresstrombedarf einer Familie. Das belegt der Verbrauch einer derartigen Heizung in Berlin.

Die Straßenheizung weist also eine äußerst schlechte Umweltbilanz auf und ist ähnlich sinnvoll wie die Heizschwammerln für Schanigärten im Winter.

Auch in Österreich gab es Bestrebungen für den Bau derartiger Freiflächenheizungen, wie sie sonst nur unter Fußballfeldern oder Start- und Landebahnen üblich sind. In den 90er-Jahren überlegte man ein Areal rund um die Wirtschaftsuniversität in Wien zu beheizen, doch verwarf man den Gedanken letztendlich ebenso wie die Frohnleitner ihre Idee, den Hauptplatz zu beheizen.

Vor sechs Jahren wünschte sich der Kitzbüheler Tourismusverband einen beheizten Stadtplatz. Im US-amerikanischen Nobelskiort gibt es das schließlich auch. Die Politik erteilte der Tourismusobfrau eine Absage, die für die Heizung unter anderem mit durch Schneematsch verschmutzten Geschäften argumentierte.

beheizte Straße
In der Stadt Holland (Michigan, USA) werden 4,9 Meilen Gehweg beheizt. Die Jogger freut‘s! Foto: Stig Nygaard/CC BY 2.0

Eine Parallele zur US-Stadt Holland. In der war nicht die Einsparung des Winterdienstes oder irgendein Umweltgedanke die treibende Kraft, das größte gemeindeeigene Straßenheizsystem Nordamerikas zu bauen, und mit „Snowmelt“knapp acht Kilometer Gehwege zu beheizen. Das Stadtzentrum und dessen Geschäfte gegenüber der Konkurrenz an Shopping-Malls aufzuwerten, war vielmehr die eigentliche Motivation.  

Zukunftstechnik Geothermie?

Das Heizen der Straße mit Geothermie hingegen hat Zukunft, besonders in Regionen, in denen Erdwärme bereits in geringerer Tiefe erreichbar ist.

Das eigentliche Heizen funktioniert also mit erneuerbarer Energie vor Ort, die  die Flüssigkeit, die durch Schläuche unter der Straßendecke fließt, temperiert. Nur die Wasserpumpen benötigen noch Strom, der natürlich auch wieder lokal und erneuerbar gewonnen werden könnte. In Skandinavien und besonders auf Island sind Straßenheizungen schon länger üblich.

beheizter Platz
Baustelle in Islands Hauptstadt Reykjavík: Hier wird eine Straßenheizung verlegt, die künftig den Winterdienst obsolet machen und die Lebensdauer der Straße verlängern soll. Foto: Stig Nygaard/CC BY 2.0

In Island wird sogar Abwasser in Straßenheizungen eingeleitet, das mit 30 bis 40 Grad immer noch ausreichend Restwärme hat. Pilotprojekte in Deutschland verliefen ebenso vielversprechend. Eine 135 Meter lange Straßenheizung auf einer Gefällsstrecke in Bayern soll sich nach neun Jahren durch die geringeren Unterhaltskosten der Straße amortisiert haben.

Eine Studie im Auftrag des Landes Nordrhein-Westfalen kommt zu dem Schluss, dass beispielsweise geschlossene Erdwärmesonden, die in der Regel 50 bis 250 Meter tief in den Untergrund reichen und das Gestein direkt als Wärmequelle nutzen, für die Straßenbeheizung sehr gut geeignet wären. Ebenso wie offene Brunnenanlagen, die Grundwasser als Quelle erschließen, da dessen Temperatur bereits ab einer Tiefe von zwanzig Metern auch im Winter sieben bis zwölf Grad Celsius beträgt. 

Im Sommer bleibt die Straße kalt

Neben dem Beheizen von Fahrbahnen im Winter ist es überdies in der heißen Jahreszeit umgekehrt möglich, Sonnenenergie über die Verkehrsfläche zu absorbieren und im Untergrund zu speichern. Durch die Belagskühlung wird der Asphalt nicht mehr so stark erweicht und das Bilden von Spurrillen verringert.

Ähnliche Positiveffekte gelten für den Winter. Durch die gleichbleibende „Wärme“ (minimal über dem Gefrierpunkt) werden Fahrbahnschäden vermieden. Kein Aufplatzen des Asphalts, keine Schlaglöcher im Frühling. Die Lebensdauer der Straße wird merklich erhöht, die Instandhaltungskosten gleichzeitig gesenkt. 

Die Vorteile, wie die verbesserte Verkehrssicherheit oder die Einsparungen des Winterdienstes sind da noch gar nicht berücksichtigt - angefangen bei der Herstellung und dem Transport des Streuguts, den zahlreichen Räum- und Streufahrten, dem Wiedereinkehren des Splitts bis hin zur Belags- und Umweltbelastung durch Salz und Splitt, den Personalkosten etc. 
  
Ganz besonders angesichts der Klimapolitik wird Geothermik, auch zum Temperaturausgleich der Straße, künftig an Bedeutung gewinnen. Und wieso sollte bei allem Smart City, Smart Country, Smart Lightning, Smart Driving und so weiter, die Straße nicht auch zur Smart Road werden?

Es ist durchaus denkbar und sogar wahrscheinlich, dass beheizte Verkehrsflächen in Zukunft den Winterdienst entlasten und zumindest teilweise ersetzen bzw. überflüssig machen. Bis es allerdings soweit ist, tut man gut daran, den gemeindeeigenen Winterdienst auf dem neuesten Stand der Technik zu halten, denn der nächste Schneefall kommt bestimmt! Und bestimmt schneller, als die Straßenheizung.