„Nur im Parlament und im AdR sitzen wirklich demokratisch gewählte Leute“
Für die Grünen sprach Florian Wunsch, Europabeauftragter und Bezirksrat in der Wiener Josefstadt. Er bezog sich vor allem auf die „Konferenz Zukunft Europa“, in der jeder Bürger, jede Bürgerin ihre Vorstellungen einer neuen EU einbringen könnte.
Heraus kam vor allem, dass die wichtigsten Akteure einem der wichtigsten EU-Gremien nicht demokratisch gewählt, sondern bestimmt seien: Die Europäische Kommission, der es obliegt, Gesetz auf den Weg zu bringen. Das Europäische Parlament und seine beratende Organisation AdR, wo wirklich die gewählten Vertreter sitzen, hat in diesem Prozess lediglich nachrangige Bedeutung. Beispielsweise sollte das Parlament künftig allen Gesetzesentwürfen zustimmen müssen. Eigentlich sollte das üblich sein, ist es aber nicht.
Es ist im Wesentlichen der „alte Wunsch“ nach einer Stärkung der Rolle des EU-Parlaments. Angeschlossen ist die Forderung, der Stimme der Regionen und Kommunen, also dem AdR, deutlich mehr Gewicht zu geben. „Nur so“, meint Wunsch, „wird es Europa schaffen, auch bei den Bürgerinnen und Bürgern mehr beachtet und künftig auch mehr Zustimmung zu erfahren.“ Und es wäre auch eine Erfüllung der Bürgerwünsche, wie sie in der „Konferenz Zukunft Europa“ formuliert wurden.
In dem Zusammenhang wäre es auch wichtig, dass beispielsweise die EU-Regionen die Abgeordneten zum EU-Parlament wählen.
Parlament soll Kommissionspräsidenten wählen
Eine weitere radikalere Neuerung, die Wunsch vorschlägt, ist die „Wahl des EU-Kommissionspräsidenten oder der -präsidentin durch das Parlament“. Derzeit bestimmt ja oder besser schlägt der Europäische Rat eine Person für diesen Posten vor. Das Parlament hört später an und stimmt zu oder lehnt ab.
Diese Idee hat großen Charme, wenn man sich die Geschehnisse in Erinnerung holt, die zur Ernennung der aktuellen Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyens geführt haben. Die EVP (die „europäische Volkspartei“) hatte als Spitzenkandidaten eigentlich Manfred Weber nominiert. Der gewann die europaweite Wahl auch deutlich. Und wurde dennoch nicht Kommissionspräsident, weil sich die EVP (manche munkeln hinter vorgehaltener Hand, unter Druck Angela Merkels, die eine Vertraute an der Schaltstelle der EU wollte) nach der EU-Wahl 2019 dann „umentschieden“ hat. Ein demokratiepolitisch bestenfalls bedenklicher Vorgang, einen bereits gewählten Vertreter einfach so zu ersetzen. Sicher aber ging das damals zu Lasten der Glaubwürdigkeit der Demokratie Europas.
Solchen Vorgängen wäre nach dem Vorschlag des jungen Josefstädter Bezirksrats ein Riegel vorgeschoben, würde das Parlament den/die Kommissionspräsident/in wählen. Wobei er mit einem sicher Recht hat: Es würde die Akzeptanz der EU bei den Menschen in Europa vermutlich deutlich heben und die Demokratie vermutlich auch stärken.
Wie realistisch diese Änderungen sind, beurteilt Wunsch selbst skeptisch: „Ein paar Jahre wird das noch dauern“, wie er meint. Und hat damit vermutlich eines der Understatements dieser Woche geliefert.
Noch etwas will er geändert haben: Das Ende des Einstimmigkeits-Prinzips im Rat der EU, dem Gremium, in dem alle 27 Staats- und Regierungschefs sitzen. Noch kann jeder mit einem einfachen „Nein“ einfach alle Vorhaben blockieren. Zumindest dieser Änderungswunsch kann als illusorisch abgetan werden. In der (politischen) Realität wird niemals und unter keinen Umständen ein politisch motivierter Machtmensch – und als solcher kann jeder Politiker, jede Politikerin bezeichnet werden – auf eine derartige Machtposition verzichten.
Zur Person
Florian Wunsch (27) ist der jüngste Bezirksrat der Josefstadt und stellvertretender Vorsitzender der Grünen Josefstadt. Seit 2020 Bezirksrat, ist er als Beauftragter des Bezirksvorstehers für die Bereiche Kinder und Jugend zuständig. Zusätzlich fungiert er als Europabeauftragter.