Peter McDonald: "Den von der Interessenvertretung der Ärzte behaupteten oder prophezeiten Ärztemangel gibt es so nicht.“

„Leuchtturmprojekte müssen Weiterentwicklung erlebbar machen“

22. Juni 2015
„Es gilt, das Gesundheitswesen zukunftsfit zu machen.“ Das Ziel von Peter McDonald, Vorstandsvorsitzender des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger, für die Gesundheitsreform: die Menschen müssen Verbesserungen rasch spüren.

KOMMUNAL: Die Bevölkerung in den Gemeinden ist mit der Gesundheitsversorgung zufrieden. Wo liegt nun der Reformbedarf?



Peter McDonald: Unsere gemeinsame Verantwortung ist es, die Weichen für das Gesundheitswesen jetzt so zu stellen, dass wir es zukunftsfit machen. Denn wir stehen vor großen Herausforderungen: von der Sicherstellung der Finanzierung angesichts der bekannten Demographie und des anziehenden medizinischen Fortschritts bis zur konkreten Erfüllung von Anliegen der Bevölkerung. Etwa die bessere Erreichbarkeit des Arztes, mehr Zeit für ein wertschätzendes Arztgespräch mit den Patienten, eine niederschwellige, auch telefonische Erstberatung, eine ganzheitliche Betreuung dadurch, dass sich die Ärzte untereinander und mit den Spitälern besser vernetzen oder die Ärzte auch koordinierter mit anderen Gesundheitsberufen zusammenarbeiten sowie eine individuelle Betreuung, um länger gesund zu bleiben.



Als zentrales Vorhaben im Rahmen der Gesundheitsreform hat die Sozialversicherung ihr neues Modell für die Primärversorgung präsentiert. Wie soll diese aussehen und werden auch die Gemeinden davon profitieren?



Die „vernetzte Primärversorgung“ ist eines dieser Leuchtturmprojekte. Im Kern geht es um die Vernetzung des medizinischen Angebotes, also eine bessere und koordinierte Zusammenarbeit zwischen Ärztinnen und Ärzten, auch mit dem Pflegepersonal, sowie anderen Gesundheitsberufen etwa Physiotherapeuten und Sozialarbeitern.

In fast allen Gemeinden und Städten ist heute die Versorgung mit praktischen Ärzten und Fachärzten gesichert. Den von der Interessenvertretung der Ärzte behaupteten oder prophezeiten Ärztemangel gibt es so nicht. Das bestätigen auch Umfragen im Kreise der Gemeindevertreter. Aber das Modell der Vernetzung der medizinischen Leistungen innerhalb einer Gemeinde oder einer Region bedeutet natürlich eine große Verbesserung – von erweiterten Öffnungszeiten bis zur Begleitung durch das System. Und letztlich werden sich Ärzte lieber auf dem Land niederlassen, wenn sich nicht mehr als Einzelkämpfer, sondern in vernetzten Teams arbeiten können.



Ein Ziel der Gesundheitsreform ist die Realisierung des Grundsatzes „Geld folgt Leistung“. Wie wird die neue Primärversorgung, die auch die Spitäler entlasten soll, finanziert?





Das ist derzeit von Land zu Land und von Modell zu Modell individuell. Wichtig ist, dass Land und Sozialversicherung gemeinsam agieren und neue Modelle auch zum Nutzen der Bevölkerung in den Gemeinden in die Umsetzung bringen. Errichtungs- und Finanzierungsverantworung sollen gemeinsam getragen werden. Derzeit laufen in allen Bundesländern auf verschiedenen Ebenen Gespräche dazu, auch mit unseren Vertragspartnern. Die Weiterentwicklung des Gesundheitswesens darf man sich eben nicht so vorstellen, dass eine Reform passiert, dann ist alles erledigt und dann ist alles gut. Es ist ein kontinuierlicher Verbesserungs- und Weiterentwicklungsprozess, der aber dringend notwendig ist, wenn wir die soziale Sicherheit wie wir sie heute schätzen, auch in die zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts mitnehmen wollen.



Ihr großes persönliches Anliegen, das auch in den Gemeinden geteilt wird, ist die Prävention und die Gesundheitsförderung. Welche Initiativen kann man hier erwarten?



 Herr und Frau Österreicher verbringen im Schnitt 21 Jahre ihres Lebens in Krankheit. Schon diese Zahl allein muss Weckruf und Auftrag sein! Jeder zusätzliche Monat Gesundheit bringt nicht nur mehr Lebensqualität, sondern entlastet auch das Gesundheitssystem. Der Weg dorthin kann unterschiedlich sein – das Anreizmodell der SVA ist erfolgreich, muss aber nicht das Universalrezept für alle Versicherten sein. Es geht darum, den gesellschaftlichen Trend zu verstärken, der eigenen Gesundheit unbedingt mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Die Sozialversicherung hat als wirkungsvolles Instrument die Vorsorgeuntersuchung, die wir aber unbedingt weiterentwickeln wollen. Wir müssen künftig vermitteln, dass ein Gesundheitscheck allein zu wenig ist. Vielmehr sollte er der Ausgangspunkt für ein aktives Gesundheitscoaching sein, das in medizinischer Betreuung mit gemeinsamen Zielen stattfinden sollte.

Ich bin überzeugt davon, dass die skizzierte neue Primärversorgung hier einen Schub bringen wird. Denn sie soll auch aktiv Gesunde anzusprechen und zu Prävention und Gesundheitsvorsorge zu motivieren.



Welche Bilanz wollen Sie über ihre Tätigkeit an der Spitze der Sozialversicherung in den kommenden Jahren ziehen können?



Ich will, dass wir mit Leuchtturmprojekten im Rahmen der Gesundheitsreform einen konkreten Nutzen für die Bürger spürbar machen. Ich möchte rasch eine bedarfsgerechte Kinderrehabilitation in Österreich flächendeckend anbieten, wo für die Auswahl die beste Qualität für unsere Kinder im Vordergrund steht und nicht beschäftigungspolitische Aspekte. Wir müssen eine telefonische und webbasierte Erstberatung, die rund um die Uhr erreichbar ist, umgesetzt haben und wir müssen es besser schaffen, Ärztinnen und Ärzte von Bürokratie und anderen Tätigkeiten zu entlasten, damit sie sich mehr Zeit für das Arzt-Patienten-Gespräch nehmen können. Dazu wird auch eine bessere Vernetzung zwischen den Ärztinnen und Ärzten, den Spitälern und anderen Gesundheitsberufen notwendig sein.