Frau genießt die Sonne in Schwimmbad

Kooperation für mehr Lebensqualität

Vor nicht allzu langer Zeit standen die Zeichen nicht so gut für das Walgaubad in der Vorarlberger Gemeinde Nenzing. Schließung oder Sanierung, lauteten die Optionen. 2014 fiel dann eine Entscheidung, die in ganz Österreich Schule machen könnte.

Der Walgau (rätoromanisch  Val Druschauna) ist ein etwa 20 Kilometer langes, von der Ill durchflossenes Tal im Süden Vorarlbergs. Die stark bevölkerte Region bildet gemeinsam mit der Stadt Bludenz am östlichen Ende des Tals ein Ballungszentrum im ansonsten eher dünn besiedelten Süden des Ländles. Im Westen grenzt der Walgau an die Stadt Feldkirch im noch dichter besiedelten Vorarlberger Rheintal.



Die Entscheidung, von der hier vorrangig die Rede ist, betraf das Freizeitangebot und fiel zwischen 14 Gemeinden des Walgaus, die rund 37.000 Einwohner repräsentieren. „Die Angebote für Freizeit, Erholung und Kultur müssen attraktiv und leistbar bleiben“ – so das Ziel der Walgau-Gemeinden. Zur Erhaltung braucht es faire Kostenmodelle für regional bedeutsame Angebote wie Schwimmbäder, Bahnen oder Kultureinrichtungen – eben einen regionalen Verteilungsschlüssel.

An diesem ehrgeizigen Vorhaben arbeitete die „Regio Im Walgau“, wie sie korrekt heißt, beinahe zwei Jahre lang. Aus konkretem Anlass – das Walgaubad war seit 2012 dringend sanierungsbedürftig – wurde das Thema „Bäder im Walgau“ vorrangig behandelt. Ergebnisse aus öffentlichen Walgaudiskussionen, Richtlinien für Kooperationsförderungen sowie regionale Gesellschaftsformen wurden zusammengetragen. Ein Kooperationsmodell Walgau wurde ausgearbeitet, in dem neben den Bädern mit der Zeit auch andere regional bedeutsame Infrastruktur diskutiert werden soll. Investition und Betrieb werden in einem regionalen Modell geregelt. Die Grundüberlegung lautete: Wir brauchen im Walgau einen Finanzierungsschlüssel, der generell für regional bedeutsame Projekte verwendet werden kann, und nicht eine „Insellösung“ für das Walgaubad.



Der Gesellschaftsvertrag der WFI - die „Walgauer Freizeit und Infrastruktur GmbH“ - wurde Ende Jänner 2014 im Beisein von Landeshauptmann Markus Wallner sowie den 14 Regio-Bürgermeistern feierlich im Göfner Konsumsaal unterschrieben. Ergänzt wurde dieser vorarlbergweit einzigartige Schritt durch die Unterschriften der 14 Regio-VizebürgermeisterInnen. Anfang April 2014 wurde dann die WFI GmbH aus der Taufe gehoben. Historisch „fixiert“ wurde das Ganze mit einem Foto in historischen Badekostümen. Und im Juli 2015 öffneten die Tore des sanierten Walgaubades.



Ein Bad für mehr Lebensfreude. Vom Vorbereich kommend, öffnet sich eine neu positionierte und gestaltete Zugangssituation ins Walgaubad. Der Kassabereich, der mit seinem durchs Gebäude wachsendem Baum und seiner Transparenz die Grenzen zwischen Innen und Außen verschmelzen lässt, ist schon das erste Highlight.



Die Umgänge der Becken werden durch tektonisch angeordnete Sitzstufen räumlich akzentuiert und vermitteln mit ihren schilf- und gräserbewachsenen Außenflächen Intimität und trennen somit auch funktionell und sicherheitstechnisch die verschiedenen Badebereiche. Die derzeit acht Bahnen im Schwimmerbecken werden auf kleinere Becken aufgeteilt. Somit können die Becken nicht nur unterschiedlichen Nutzungen zugeführt werden, sondern auch die Temperatur des Wassers kann von Becken zu Becken variieren.



Durch seine ausgewogene Beckentiefe ist das AquaFit-Becken besonders für unterschiedliche sportliche, präventive und rehabilitative Betätigungen geeignet. Ein Erlebnisbecken bietet neben dem Wasserspielbereich für Kinder einen strandartig gestalteten Beckenbereich.

Die Hauptattraktion des Erlebnisbeckens ist ein Wellenbad mit hydraulischem Wellenball und Strömungskanal. Weiters gibt es einen Bereich für Schul- und Kursschwimmen mit

der Möglichkeit von Wasserballsportarten wie Wasserbasketball und Wasserball und eine Schaukelbucht.



In zentraler Lage zwischen den Becken liegt auf einer kleinen Anhöhe der Baywatchtower. So wird ein optimaler Überblick über alle Wasserbereiche gewährleistet.

Ein außergewöhnliches und naturverbundenes Konzept wird auch bei den Rutschen verfolgt. Statt wie üblich einen Turm zu errichten, sieht der Entwurf einen Rutschenhügel vor. Dieser fügt sich natürlich in das Gelände ein und dient zur Überbrückung des Höhenniveaus der Rutsche.

 

Das 25 m Sportbecken eignet sich neben der Nutzung zum Schulsport auch für Kurzbahnwettkämpfe. Auf der Langbahn können Sportschwimmer und ambitionierte Hobbyschwimmer trainieren. Das gegenüber den anderen Becken erhöht liegende Sprungbecken kann über tiefe Stufen erreicht werden, welche auch als Liegebereiche genutzt werden können. Hauptattraktion des Erlebnisbeckens ist ein Wellenbad.





„Wie habt's ihr das geschafft?“ Das Besondere am Walgaubad ist unterm Strich aber weder die Anzahl der Becken noch die Höhe der Rutschen. Was an dem Projekt erstaunt, ist die Bereitschaft der 14 Nachbargemeinden, sich an der Finanzierung zu beteiligen. Bei einer Konferenz bayerischer Bürgermeister und Wirtschaftsvertreter am Chiemsee referierte der Nenzingern Bürgermeister und Obmann der Regio im Walgau, Florian Kasseroler, über das Projekt, das durchaus das Zeug hat, zu einem Paradebeispiel nicht nur für Österreich zu werden.

Noch in den Neunzigerjahren und Anfang der neuen Jahrtausends ernteten die Bürgermeister von Nenzing und Frastanz für Ideen, dass die Nachbargemeinde für eine Freizeitattraktion einer „fremden“ Gemeinde mitzahlt, nur Unverständnis und Kopfschütteln. Beide Gemeinden haben ihre Bäder dann selbst gebaut - sehr zur Freuder der Menschen. Bei Analysen ist man dann daraufgekommen, dass lediglich 25 Prozent der Besucher aus der eigenen Gemeinde kamen. Mit dieser Erkenntnis wurden „erste Risse in der Sturheit der Mentalität“ sichtbar. Am 23. September 2011 fand die Gründung statt. Das Motto von Obmann Florian Kasseroler würde auch perfekt in die Gründungsakte passen: „Gemeinsam können wir für die Bürgerinnen und Bürger viel mehr erreichen.“



Und die Finanzierung? Wie bei so vielen Bürgermeistern trübt das Thema Finanzen kurz die Stimmung, auch bei Kasseroler. „Unsere Schulden – nicht nur die von Nenzing, sondern die von praktisch allen Vorarlberger Gemeinden – resultieren zu 30 bis 40 Prozent aus Investitionen  in Wasserversorgung und Kanalisation“, führt er aus. In Nenzing dürfte dieser Anteil nach Abschluss aller laufenden und geplanten Projekte sogar bei weit über 80 Prozent liegen, fürchtet Kasseroler. „In der politischen Diskussion über die Schulden wird gerne verschwiegen, dass diese eben zum größten Teil das Resultat von Projekten im Hochwasserschutz oder eben in der Kanal- und Wasserversorgung sind. Und das sind Investitionen in die Zukunft einer Gemeinde, die ganz einfach nicht von einer Generation alleine gestemmt werden können.“



Walgaubad