Kinder und Betreuerin im Kindergarten
Durch den Ausbau des Angebots an Kinderbetreuung können ländliche Regionen an Attraktivität gewinnen und somit der Abwanderung – insbesondere von jungen Frauen – entgegenwirken.
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Soziales

Kinderbetreuung: Potenziale und Herausforderungen

Die Bedeutung, die der Kinderbetreuung zukommt, hat in den letzten zwei Jahren nochmals deutlich an Aufschwung erfahren. Auch steigt die Kinderbetreuungsquote in Österreich seit einigen Jahren kontinuierlich an. Trotz alledem bleiben regionale Unterschiede hinsichtlich der Bereitstellung von Angeboten bestehen.

Die Elementarbildung kann als Fundament des Bildungssystems bzw. als Eintrittskarte in dieses System verstanden werden. Dabei kommen der Elementarbildung unterschiedliche Aufgabenbereiche/Rollen – national als auch international – zu. Je nach historisch-politischen Kontexten und gegebenen Rahmenbedingungen reichen diese von der Entlastung der Familien, über die Unterstützung von einkommensschwächeren Haushalten bis hin zu sozialisationsergänzenden Funktionen. [1]

Nicht nur diese Faktoren wirken sich in unterschiedlicher Form auf die Kinderbetreuung und deren gesellschaftliche Bedeutung aus, auch spielen hier Einstellungen und Werte der Länder und deren Bewohnerinnen und Bewohnern eine wichtige Rolle.

Wie in Deutschland wiegen auch in Österreich traditionelle Werte und Ansichten hinsichtlich des „klassischen“ Familienbildes bis heute vor. Typisch sind unteranderem das Ideal der Zwei-Kind-Familie, Kinder gehören zu einer gelungenen Partnerschaft aber auch die Erwartungen an die Müttererwerbstätigkeit. Diesbezüglich zeigen sich zudem regionale Unterschiede. Vor allem ländliche Regionen vertreten hier traditionellere Einstellungen und Ansichten als dies bei urbanen Zentren der Fall ist. [2]

Im Allgemeinen hat das Kinderbetreuungssystem eines Landes Auswirkungen auf:

  • den Anteil erwerbstätiger Frauen (Frauenerwerbstätigenquote)
  • die Chancengleichheit nach Geschlecht am Arbeitsmarkt
  • aber auch auf die Geburtenentwicklung [3].

Studien geben Aufschluss darüber, dass sich unteranderem niedrige Kinderbetreuungskosten günstig auf das Erwerbsverhalten von Frauen auswirken. Darüber hinaus wirkt sich die Elementarbildung positiv auf die Erfolgschancen von Kindern aus. So kann sie wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten begegnen und einen wichtigen Grundstein für die soziale, ökonomische, aber auch kognitive Entwicklung der Kinder von heute legen [4].

Trotz dieser positiven Aspekte gilt es anzumerken, dass nicht nur die Betreuungskosten oder auch das zur Verfügung gestellte Angebot Auswirkungen haben, sondern vor allem spielt die Flexibilität (z. B. Öffnungszeiten, Schließtage, Ferienbetreuung) des Systems eine bedeutende Rolle. Zwar steigt die Betreuungsquote hierzulande seit Jahren an, dennoch stellen mitunter die Öffnungszeiten der Einrichtungen bis heute eine nicht unwesentliche Herausforderung dar (siehe hierzu Abbildung 3).

Zahlen, Daten, Fakten

Der Ausbau der Kinderbetreuung ist seit vielen Jahren ein wichtiger Bestandteil der europäischen Sozialpolitik. 2002 haben hierzu die Mitgliedstaaten beim EU-Gipfeltreffen in Barcelona erstmals Ziele definiert. Vor allem die Verbesserungen der Frauenerwerbsbeteiligung lag im Zentrum des Interesses. So sollten alle Mitgliedstaaten bis 2010 sicherstellen, dass für 90 Prozent der Kinder zwischen drei Jahren und dem Schulpflichtalter bzw. 33 Prozent der unter dreijährigen Kinder ein Zugang zu Kinderbetreuungsplätze zur Verfügung stehen. [5]

Betrachtet man hierfür nun die Zahlen für Österreich zeigt sich, dass Österreich im internationalen Vergleich hier lange Zeit nachhinkte. Laut der Kindertagesheimstatistik lag die Betreuungsquote der unter 3-Jährigen im Jahr 2007/08 bei 11,8 Prozent [6], hingegen in den 27 EU-Mitgliedstaaten bei rund 28 Prozent [7].

Seit dieser Zeit kamen verschiedene Vereinbarungen, allen voran im Rahmen der Bund-Länder-Vereinbarungen gemäß des Artikels 15a Bundesverfassungsgesetz zum Betreuungsaufbau. Das Angebot an Betreuungseinrichtungen sowie die Finanzierung wurde deutlich ausgebaut (im Jahr 2019 betrugen die Ausgaben aus der öffentlichen Hand für die institutionelle Elementarbildung und Kinderbetreuung rund 2,8 Mrd. Euro; 2008 waren es indessen knapp 1,5 Mrd. Euro) [8]. Blum 2015 verweist jedoch darauf, dass unter anderem aufgrund des Mehrebensystems (Bund, Bundesländer und Gemeinden) regionale Unterschiede hinsichtlich des Ausbauprozesses auch weiterhin bestehen [9].

Betreuungsquote Zeitverlauf
Abbildung 1: Betreuungsquote Zeitverlauf

Im Jahr 2020/21 standen den Österreicherinnen und Österreichern insgesamt 9.549 institutionelle Kinderbetreuungseinrichtungen [10] zur Verfügung (2.417 Krippen, Kleinkindbetreuungseinrichtungen, 4.582 Kindergärten, 951 Horte und 1.599 altersgemischte Einrichtungen) [11].

Hierzulande stellen Kindertagesheime mit öffentlichem Erhalter (Bund, Länder, Gemeinden – hier kommen den Gemeinden eine bedeutende Rolle zu) mehr als die Hälfte aller Einrichtungen dar, wobei sich hier die Bundesländer deutlich unterscheiden.

Krippen/Kleinkindbetreuungseinrichtungen und Kindergärten
Abbildung 2: Krippen/Kleinkindbetreuungseinrichtungen und Kindergärten nach dem Erhalter sowie differenziert nach Bundesland.

Im Burgenland werden 93 Prozent der Kindertagesheime aus der öffentlichen Hand finanziert. Hingegen liegt dieser Anteil in Wien bei 30 Prozent. Hier sind es vor allem die Krippen und Kleinkindbetreuungseinrichtungen, welche von privaten Erhaltern finanziert werden.

Neben dem Angebot per se spielt gerade für die Möglichkeit einer Erwerbstätigkeit die Flexibilität respektive die Öffnungszeiten einen wesentlichen Faktor. Hier zeigen die Daten große regionale Unterschiede. Zwar ist der Anteil jener institutionellen Einrichtungen, die weniger als acht Stunden am Tag geöffnet haben in den letzten Jahren zurückgegangen, dennoch schwankt das aktuelle Ganztagesangebot sehr stark.

Die Abbildung unten gibt einen zeitlichen Überblick über den Anteil der Entwicklung von institutionellen Einrichtungen, die weniger als acht Stunden am Tag geöffnet haben [12].

Anteil institutioneller Einrichtungen, Öffnungszeiten weniger als 8 Std./Tag
Abbildung 3: Anteil institutioneller Einrichtungen, Öffnungszeiten weniger als 8 Std./Tag

Insgesamt ist jener Anteil an Einrichtungen, die weniger als acht Stunden pro Tag geöffnet haben in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen. Lag dieser im Jahr 2007 gesamt bei 39,1 Prozent, so konnte im Zeitverlauf ein Rückgang von 12,4 Prozentpunkten, auf 26,7 Prozent, beobachtet werden. Wien nimmt hierbei eine Sonderposition ein (Anteil seit 2010 unter 5 Prozent). Hingegen haben in Tirol und Vorarlberg im Jahr 2016 noch mehr als die Hälfte der institutionellen Einrichtungen weniger als 8 Stunden pro Tag geöffnet.

Waltena (2021) verweist zudem in einem Artikel darauf, dass das aktuelle Angebot an Ganztageseinrichtungen für 0- bis 5-jährige Kinder in österreichischen Gemeinden stark schwankt und es sogar Gemeinden gibt, welche über keine einzige Ganztageseinrichtung verfügen.

Fazit

Die Entwicklungen der letzten Jahre scheinen auf den ersten Blick sehr erfreulich. Das Angebot, die Finanzierung der Kinderbetreuungseinrichtungen aber auch die Betreuungsquote haben einen deutlichen Aufschwung erfahren. Dennoch zeigen sich bis heute große regionale Unterschiede vor allem bei den Öffnungszeiten, Ganztagesangeboten und Schließtagen. Durch ein flächendeckendes Angebot kann verschiedenen Herausforderungen begegnet werden:

  • reduzieren der Geschlechterungleichheiten (Frauenerwerbstätigenquote als auch Gehaltsunterschiede)
  • Arbeitszeiten können unabhängig vom Angebot der Kinderbetreuung gewählt werden (Reduzierung der unfreiwilligen Teilzeitarbeit)
  • Bildungsvorteile für Kinder
  • Entlastung von Alleinerziehenden und Personen ohne (familiäre) Unterstützung.

Darüber hinaus können ländliche Regionen an einem umfassenden Angebot an Attraktivität gewinnen und somit der Abwanderung – insbesondere von jungen Frauen – entgegenwirken.  

[1] Kreyenfeld & Krapf 2016, 121f

[2] Riederer & Buber-Ennser 2021, 73

[3] Kreyenfeld & Krapf 2016, 124

[4] Fessler & Schneebaum 2016, 1

[5] Europäische Kommission 2002, 12

[6] Statistik Austria 2008, 69

[7] Eurostat, EU-SILC 2008

[8] Statistik Austria 2021, 109

[9] Blum 2015, 192

[10] Der Definition von Statistik Austria folgend sind hier all jene Einrichtungen inkludiert, welche regelmäßige und ganzjährige Kinderbetreuung anbieten, mit öffentlichen Förderungen betrieben werden, durch ausgebildetes Personal, an mindestens 30 Wochen pro Jahr, an mindestens 4 Tagen pro Woche und an mindestens 15 Stunden pro Woche. Nicht inkludiert sind Tageseltern, Spielgruppen, Internate, Ganztagsschulen und Schülerheime. (Statistik Austria 2021, 22)

[11] Statistik Austria 2021

[12] Baierl & Kaindl 2021, 21

Literaturverzeichnis

Baierl, Andreas; Kaindl, Markus. 2021. Ausgaben für Elementarbildung und Kinderbetreuung in Österreich. ÖIF Working Paper, 96. doi: 10.25365/phaidra.226.

Blum, Sonja. 2015. Ausbau der Kinderbetreuung in Österreich: Regionale Unterschiede und politisches Lernen. SWS-Rundschau, Heft 2, 191-210.

Europäische Kommission. 2002. Presidency Conclusions. Barcelona European Council 15 and 16 March 2002 (zugegriffen 7.1.2022).

Fessler, Pirmin; Schneebaum, Alyssa. 2016. The Returns to Preschool Attendance. Department of Economics Working Paper, 233. WU Vienna University of Economics and Business, Vienna.

Kreyenfeld, Michaela; Krapf, Sandra. 2016. Soziale Ungleichheit und Kinderbetreuung – Eine Analyse der sozialen und ökonomischen Determinanten der Nutzung von Kindertageseinrichtungen. In: Becker, Rolf; Lauterbach, Wolfgang (Hg): Bildung als Privileg. Erklärungen und Befunde zu den Ursachen der Bildungsungleichheit. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, 119-144.

Riederer, Bernhard; Buber-Ennser, Isabella. 2021. Familie in der Stadt und am Land: Zur Bedeutung des regionalen Kontexts für die Realisierung des Kinderwunsches in Österreich. Zeitschrift für Soziologie, 46, 69-91. doi: https://doi.org/10.1007/s11614-020-00437-6.

Statistik Austria. 2008. Kindertagesheimstatistik. Wien.

Statistik Austria. 2021. Kindertagesheimstatistik (zugegriffen 5.1.2022).

Walenta, Carmen. 2021. Ausbau der Kinderbetreuung: Hoffnung auf bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie? (zugegriffen 9.1.2022).