Ordner mit Aufschrift Baubewilligung
Die Ergänzungsabgabe ist untrennbar mit dem Grundstück verbunden und immer jenem vorzuschreiben, welcher im Zeitpunkt, in dem der Abgabentatbestand verwirklicht wird, Eigentümer des Baugrundstücks ist.
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Keine rückwirkende Vorschreibung der Ergänzungsabgabe

In einer Abgabenangelegenheit habe ich für eine niederösterreichische Gemeinde die Frage geprüft, inwieweit anlässlich einer Baubewilligung eine Ergänzungsabgabe vorzuschreiben war.

Gemäß § 39 Abs 3 NÖ BO 2014 ist eine Ergänzungsabgabe vorzuschreiben, wenn mit Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2 leg. cit. eine Baubewilligung für den Neu- oder Zubau eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage erteilt wird.

Die Ergänzungsabgabe ist untrennbar mit dem Grundstück verbunden und immer jenem vorzuschreiben, welcher im Zeitpunkt, in dem der Abgabentatbestand verwirklicht wird, Eigentümer des Baugrundstücks ist.

Ein Zubau im bautechnischen Sinn ist alles, wodurch nach außen die Kubatur vergrößert wird, also jede Erweiterung des Baubestandes in waag- und lotrechter Richtung, wie beispielsweise durch einen Wintergarten oder durch einen Dachgeschoßausbau unter Anhebung des Kniestocks (Kienastberger/Stellner-Bichler, NÖ Baurecht, Seite 320).

§ 39 Abs 3 3. Absatz NÖ BO 2014 lautet wie folgt:

„Von dem zur Zeit der den Abgabentatbestand auslösenden Baubewilligung (§ 23) anzuwendenden Bauklassenkoeffizienten wird der bei der Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages bzw. der Aufschließungsabgabe oder der Ergänzungsabgabe angewendete Bauklassenkoeffizient – mindestens jedoch 1 – abgezogen und die Differenz mit der Berechnungslänge (abgeleitet vom Ausmaß des Bauplatzes zur Zeit der den Abgabentatbestand auslösenden Baubewilligung) und dem zur Zeit dieser Baubewilligung geltenden Einheitssatz multipliziert.“

Auf Basis dieser gesetzlichen Berechnungsmethode wurde sodann die Ergänzungsabgabe vorgeschrieben. Die Vorschreibung dieser Ergänzungsabgabe wurde gemäß § 39 Abs 3 NÖ BO 2014 auf einen Sachverhalt angewendet, welcher bereits vor Inkrafttreten dieser Bestimmung verwirklicht wurde.

Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht NÖ

Mit dieser Entscheidung des Gemeindevorstandes hat sich das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich aufgrund einer Beschwerde auseinandergesetzt.

Nach Ansicht dieses Gerichtes ist der im § 39 Abs. 3., 3. Absatz NÖ BO 2014 etablierte Berechnungsmodus für die Ergänzungsabgabe erst mit der Novelle der Bauordnung LGBl Nr. 53/2018 am 30.8.2018 in Kraft getreten und daher erst ab diesem Zeitpunkt wirksam.

Hintergrund dieser Novelle war, dass bei Bauplätzen aufgrund alter Baubestände früher meist noch kein Abgabentatbestand gegeben war. Der Gesetzgeber wollte daher im Sinne einer Gleichbehandlung bei Bauplätzen aufgrund alter Baubestände die Abgabentatbestände an die spätere Bestimmung angleichen.

Landesgesetzgeber hat etwas übersehen

In dieser Hinsicht dürfte jedoch der Landesgesetzgeber etwas übersehen haben, weil laut Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes NÖ im Abgabenverfahren der Grundsatz der Zeitbezogenheit der Abgabenregelungen anzuwenden ist. Das heißt, dass die Anwendung einer neuen Rechtslage in Fällen, in denen der Abgabentatbestand bereits vor der Novellierung verwirklicht wurde, ausdrücklich anzuordnen wäre. Eine solche Anordnung fehlt aber in der zitierten Novelle zur NÖ BO 2014 (LGBl Nr. 53/2018).

Mit anderen Worten: Hätte der Landesgesetzgeber ausdrücklich die rückwirkende Geltung der novellierten Bestimmung des § 39 Abs 3 3. Absatz NÖ BO 2014 in seiner Novelle LGBL Nr. 53/2018 angeordnet, dann hätte auch für den bereits vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle am 30.8.2018 verwirklichten Sachverhalt die Ergänzungsabgabe vorgeschrieben werden dürfen. Mangels ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung im Rahmen der Novelle zur NÖ BO 2014 LGBL 53/2018 war daher auf den von mir zu beurteilenden Fall die neugefasste Bestimmung des § 39 Abs. 3 3. Absatz NÖ BO 2014 nicht anzuwenden.

Im Ergebnis müssen daher die NÖ Gemeinden darauf achten, dass eine Ergänzungsabgabe auf Basis des Berechnungsmodus gemäß § 39 Abs. 3, 3. Absatz NÖ BO 2014 nur für jene Fälle vorgeschrieben werden darf, die nach dem 30.8.2018 verwirklicht wurden; dies naturgemäß bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen.