Handymast
Die tatsächliche Wertsicherung ist durch einen Sachverständigen zu ermitteln; es darf sohin nicht eine „über einen Kamm geschorene“ Entschädigungsregelung für gemeindeeigene Grundstücke angewendet werden.
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Eingriff in bestehende Verträge möglich?

In einem Verfahren für eine niederösterreichische Gemeinde war zu klären, inwieweit durch die Änderung des § 5 Abs 7 TKG 2003, die durch die am 1. Dezember 2018 in Kraft getretene Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) 2003 eingetreten ist, in bestehende Verträge eingegriffen werden kann.

Nach Ansicht der klagenden Betreiberin einer Telekommunikationsanlage sei nach § 5 Abs 7 TKG 2003 dem Eigentümer einer ausschließlich im Eigentum einer Gebietskörperschaft (Gemeinde) stehenden und nicht öffentliches Gut darstellenden Liegenschaft, auf welcher ein Antennentragemast iSd § 3 Z 35 leg cit errichtet wurde – ebenso wie für gesetzliche Leitungsrechte – (nur) eine der Wertminderung entsprechende Abgeltung zu leisten.

Die Regelung basiere auf einer bewussten Wertungsentscheidung des Gesetzgebers. Ziel sei die Förderung des Ausbaus von breitbandfähiger Infrastruktur. Dieses öffentliche Interesse rechtfertige, dass öffentlichen Grundeigentümern für die Gebrauchsüberlassung ein über die Abgeltung nach § 5 Abs 7 TKG 2003 hinausgehendes - wohl vertraglich vereinbartes - Nutzungsentgelt nicht (mehr) zukommen solle. 

§ 5 Abs 7 TKG 2003 sei daher auch auf vor dessen Inkrafttreten abgeschlossene Nutzungsverträge anzuwenden.
Der Eingriff in einen bestehenden Vertrag war bzw. ist daher Prozessgegenstand; dieser hat zu einer Entscheidung des OGH vom 22. Juni 2022, 6 Ob 173/21s, geführt. 

Telekommunikationsbetreiber wollte in Vertrag eingreifen

Gemäß der vorstehenden Argumentation wollte der Telekommunikationsbetreiber in einen seit Langem bestehenden Vertrag zu Lasten der von mir vertretenen Gemeinde eingreifen. Konkret wurde zwischen den Streitteilen bereits im Jahr 1998 – samt Nachträgen aus dem Jahr 2007 und 2014 – eine Nutzungsvereinbarung abgeschlossen.

Zusätzlich war ein Kündigungsverzicht vereinbart, wonach die beklagte Gemeinde für die Dauer von zuletzt 30 Jahren, gerechnet ab September 2007, sohin bis September 2037, auf die Aufkündigung dieses Vertrages verzichtet hat. Dieser Verzicht ist auch im Nachhinein durchaus nachvollziehbar, weil zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kündigungsverzichtes im Jahr 2007 ein jährliches, wertgesichertes Nutzungsentgelt vereinbart wurde. 

Die oben angeführte Änderung des § 5 Abs 7 TKG 2003 wäre sohin für die Gemeinde von erheblichem Nachteil.

Das Erkenntnis des OGH

Der OGH hat im vorgenannten Erkenntnis ausgesprochen, dass ein Eingriff in den prozessgegenständlichen Nutzungsvertrag nur für den Zeitraum 1.12.2018 bis 31.10.2021 wirksam ist; dies zusätzlich mit der Argumentation, dass für diesen Zeitraum die maßgebliche Abgeltung für die Wertminderung von einem Sachverständigen auszumitteln ist.

Konkret vertritt der OGH die Ansicht, dass § 5 Abs 7 TKG 2003 (in der ­Fassung der Novelle vom 1.12.2018) den Eingriff in bestehende Verträge zulässt. Es ist allerdings die tatsächliche Wertminderung zu ermitteln. Dazu hat der OGH ausgeführt, dass die in der Wertminderungs-Richtsätze-Verordnung 2019 (WR-V 2019) festgelegten Richtsätze nicht verbindlich sind. 

Im fortgesetzten Verfahren wird daher durch Beiziehung eines Sachverständigen zu klären sein, welcher Wertminderung das Grundstück tatsächlich unterliegt und inwieweit das für diesen Zeitraum bezahlte Nutzungsentgelt die noch festzustellende Wertminderung übersteigt oder nicht.

Wesentlich ist der Ausspruch des OGH aber dahingehend, dass über den 31.10.2021 hinaus kein Eingriff in den bestehenden Nutzungsvertrag möglich ist. Dies deshalb, weil die maßgebliche Bestimmung des § 5 Abs 7 TKG 2003 nur bis zum 31.10.2021 in Geltung gestanden ist. 

Das TKG 2003 wurde nämlich am 1.11.2021 vom nunmehr geltenden TKG 2021 abgelöst. Das TKG 2021 beinhaltet keine dem § 5 Abs 7 TKG 2003 entsprechende Nachfolgeregelung. Damit ist ab dem Inkrafttreten des TKG 2021 die in § 5 Abs 7 TKG 2003 geregelte generelle Beschränkung der Höhe der Gegenleistung für das vertragliche Nutzungsrecht weggefallen.

Mit anderen Worten: Meiner Einschätzung nach bedeutet diese Entscheidung, dass ab dem 1.11.2021 (nach der Regelung des TKG 2021) bei bestehenden Verträgen, so wie bisher, von der Gemeinde das vertraglich vereinbarte jährliche Nutzungsentgelt eingehoben werden darf. 

Die Gesetzesänderung 2021 hat daher zu dem Ergebnis geführt, dass für Gemeinden nicht verständliche Eingriffe in bestehende Nutzungsverträge (wieder) für unzulässig erklärt wurden. Ein sehr beachtlicher Erfolg für die von mir vertretene Gemeinde, weil trotz der begehrten Zielsetzung, den Ausbau von breitbandfähiger Infrastruktur zu fördern, die damit verbundenen Maßnahmen nicht auf Kosten der Gemeinden umgesetzt werden dürfen; dies insbesondere dann, wenn mit dieser Intention in vor vielen Jahren abgeschlossene Verträgen rückwirkend so massiv eingegriffen wird, dass gegenständlich ein Nutzungsentgelt für die verbleibenden 18 Jahre des Kündigungsverzichtes wegfallen würde.

Positiv zu beurteilen ist auch der Hinweis des OGH, dass die laut Wertminderungs-Richtsätze-Verordnung 2019 festgelegten Richtsätze nicht verbindlich sind. Die tatsächliche Wertsicherung ist daher durch einen Sachverständigen zu ermitteln; es darf sohin nicht eine „über einen Kamm geschorene“ Entschädigungsregelung für gemeindeeigene Grundstücke angewendet werden, zumal ja Grundstücke unterschiedlicher Werthältigkeit von Nutzungsverträgen betroffen sein werden.