Scheibbs
In Scheibbs konnten die Bürger abstimmen, wie die neue Brücke aussehen soll, und die drei Varianten in Virtual Reality begutachten.
© K.Vynhalek/BRZ

Virtuelles Voten in Scheibbs

Für den neuen Brückenbau in Scheibbs konnten die Bürger mithilfe der Software „BRZ eDem“ in einer Virtual-Reality-Umgebung die drei möglichen Varianten der Brücke selbst erleben und darüber abstimmen.

Erst unlängst hat KOMMUNAL über den erfolgreichen Einsatz von „BRZ eDem“ berichtet. Zur Erinnerung: Das ist ein Tool für digitale Bürgerbeteiligung, entwickelt vom Bundesrechenzentrum (BRZ). Abermals gibt es nun einen neuen Use-Case, der auch prompt beim österreichischen IT-Wirtschaftspreis „eAward 2020“ abgeräumt hat. Das Projekt, um das es geht, ist eine elektronische Bürgerabstimmung mittels virtueller Realität, und zwar zu einem Brückenbau über die Erlauf im niederösterreichischen Scheibbs.  

Virtuell begehbares Abbild der Gemeinde

Matthias Lichtenthaler, Leiter Digital Government & Innovation im BRZ, hatte die Idee, das Abstimmungstool eDemocracy (kurz „BRZ eDem“) in einem realen und plastischen Projekt einzusetzen. Dafür holte er die Virtual-Reality-Experten der Firma ViARsys mit ins Boot, die wiederum den Kontakt zur Stadt Scheibbs herstellten.

Matthias Lichtenthaler
Matthias Lichtenthaler, Bundesrechenzentrum: „Man braucht vor Ort einen Bürgermeister, der auch hinter dem Projekt steht.“

Die Idee war, von den VR-Experten mithilfe der Photogrammetrie ein virtuell begehbares Abbild von Scheibbs anfertigen zu lassen, insbesondere von der neu zu gestaltenden Brücke. Die Bürger könnten sich sodann die drei fraglichen Bauvarianten ansehen, sie virtuell begehen und jeweils mit ein bis fünf Sternen bewerten. Dank der Unterstützung des Scheibbser Bürgermeisters Franz Aigner setzte man die Idee um.

„Man braucht vor Ort einen Verantwortlichen - natürlich einen Bürgermeister – der auch dahintersteht. Das war ganz entscheidend!“, lobt Lichtenthaler Aigners Mut. 

Abstimmung mittels QR-Code

An alle Scheibbser Bürger ab zehn Jahren wurden Briefe mit einem „Token“ in Form eines jeweils nur einmal gültigen QR-Codes verschickt. Mit diesem konnte man entweder online abstimmen oder ins Rathaus gehen. Dort war von 9. bis 20. Dezember ein VR-Stand aufgebaut, in dem alle Bürger das 360°-Brückenbegehen selbst erleben konnten.

Scheibbs
 Ein virtueller Spaziergang über die Brücke, hier in der aufwendigsten Bau-Variante. Jede der drei Ausführungen konnte man mit ein bis fünf Sternen bewerten.  

Trotz der nur einmaligen Aussendung war die Resonanz beeindruckend. Rund tausend Wahlberechtigte (von insgesamt gut 4.500) stimmten ab, mehr als ein Viertel davon im Rathaus – eine Rücklaufquote, bei der sich jeder Marketingfachmann alle zehn Finger abschleckt. Die Korrektheit und Transparenz der Abstimmung garantiert „BRZ eDem“ übrigens durch die Absicherung in der Blockchain. 

Auch die älteren Bürger stimmten mit

Wer selbst ins virtuelle Scheibbs eintauchen will: Auf www.kettenbruck.at, der ersten digitalen Gemeinde Österreichs, ist das Video dazu online. Gewonnen hat übrigens – Achtung, Spoiler! – die Version „Tetratop“ (mit perforierten Seitenteilen), und das relativ deutlich.

Der Bürgermeister hatte schon im Vorfeld versprochen, sich an das Ergebnis des „Bauausschusses mit 1.000 Mitgliedern“ zu halten. Positiv fiel auf, dass auch die ältere Bevölkerung eifrig abstimmte.

Scheibbs
Das Brückenbauprojekt in Scheibbs gewann den  eAward 2020 in der Kategorie „E-Government“ 

Lichtenthaler: „Wichtig war uns vor allem der niederschwellige Einsatz – ohne dass spezifisches Digital-Know-how oder spezielle Smartphones notwendig gewesen wären. Die älteren Menschen haben sich sehr für die neue Technik und Anwendungen interessiert.“ Erfreulich, denn gerade die Digitalisierung bietet sehr viele Chancen für die ältere Generation.        

Weitere Pilotprojekte gesucht 

Zu weiteren Projekten dieser Art meint Lich­tenthaler: „Wir gehören zur Bundesverwaltung und können gar nicht in jeder Gemeinde des Landes ein Projekt vor Ort betreuen. Daher wollen wir lokale Gemeindedienstleister in die Lage versetzen, solche Lösungen anzuwenden.“

Weitere Pilotprojekte wird das BRZ aber natürlich auch in Zukunft außerordentlich und tatkräftig unterstützen. „BRZ eDem“ ist nämlich vielseitig und unter anderem für den Tourismus hochinteressant. Besonders spannend wäre auch ein kommunales Bauprojekt, „bei dem wir ein Konzept mit dem Prozesstool schon vor der eigentlichen Bauplanung strukturieren“.

Wer Anwendungsideen für e-Partizipation in seiner Gemeinde hat, findet in Matthias Lich­tenthaler jedenfalls einen kompetenten Ansprechpartner, der sich darauf freut, neue Ideen gemeinsam in die Realität umzusetzen.
matthias.lichtenthaler@brz.gv.at