Kettenbruck
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Österreichs digitalste Gemeinde

Kennen Sie Kettenbruck? - Nein? Kettenbruck ist Österreichs ungewöhnlichste und zugleich modernste Gemeinde. Das besondere an ihr: sie ist Österreichs erste virtuelle Gemeinde. KOMMUNAL hat sie besucht und erklärt, wozu so eine Gemeinde überhaupt gut ist.

Kettenbruck ist wahrlich eine außergewöhnliche Gemeinde. Ihre Bürger sind Datensätze, Ihre Verwaltung ist komplett digitalisiert, und Kettenbruck liegt extrem nah - genauer gesagt, nur einen Klick weit entfernt. Auch die öffentliche Sicherheit ist beneidenswert hoch, basieren doch die meisten Abläufe in Kettenbruck auf der Blockchain. 
 
Wer jetzt nur Bahnhof versteht, ist nicht allein. Uns in der Kommunal-Redaktion ging es nicht anders, daher haben wir uns mit Matthias Lichtenthaler, einem der Gründungsväter von Kettenbruck, getroffen. Lichtenthaler ist Bereichsleiter Digital Transformation im Bundesrechenzentrum (BRZ). Er empfängt uns in der „Innovation Factory“, jenem realen Ort im BRZ, in dem Kettenbruck gegründet wurde. Der Name der Gemeinde ist übrigens auch Lichtenthalers Idee gewesen. Inspiriert wurde er dazu zum einen von der unweit seiner Wiener Wohnung gelegenen Kettenbrückengasse, und zum anderen von der Analogie zur Blockchain, also der Blockkette.  

Die Blockchain spielt in Kettenbruck eine ganz wichtige Rolle. Mit dem Wissen, was es mit dieser dezentralen Datenbank auf sich hat, erklärt Lichtenthaler die Idee, die Absicht und die Funktionsweise von Kettenbruck.

Mehr als nur ein Schaufenster

Die ldee der virtuellen Gemeinde ist, auf einfache und anschauliche Weise darzustellen, in welcher Fülle von kommunalen Themenbereichen digitaler Fortschritt heute schon anwendbar ist. Wer auf www.kettenbruck.at surft, findet sich auf dem Hauptplatz der Gemeinde wieder und findet über den ganzen Ort verteilt Anwendungsbeispiele von Tools, die schon jetzt von Kommunen umgesetzt werden können, deren Arbeit erleichtern oder die Arbeitseffizienz optimieren.

Die Seite ist nichts anderes als ein digitales Schaufenster, das den Entscheidungsträgern in den Gemeinden klar und verständlich die Möglichkeiten aufzeigt, die sie auch ohne speziellen IT-Kentnisse in die Arbeitsabläufe der Gemeinde integrieren können. Das betrifft die Webseite wohlgemerkt! Denn - und das ist Lichtenthaler ganz wichtig - Kettenbruck ist noch viel mehr als nur ein Schaufenster. Es soll eine Brücke schlagen zwischen dem Virtuellen und der Realität.

Werkstatt für neue Anwendungen

Der Kern Kettenbrucks ist eine Werkstatt, in der digitale Ideen und Lösungen erst einmal validiert werden. Anhand von Fachverfahren, auch unter Einbeziehung von anonymisierten Echtdaten werden neue Anwendungen auf Herz und Nieren getestet. Auf ihre Sicherheit, auf ihre Verlässlichkeit, aber auch auf ihre Nutzerfreundlichkeit und Praxistauglichkeit.

Nur was gut genug genug ist, wird ins Schaufenster gestellt. Mittlerweile sind das bereits zehn verschiedene Anwendungsfälle, sogenannte Use Cases. Mehr als ein Dutzend weitere befinden sich zur Zeit in der Evaluation.

Bei einem dieser Anwendungsfälle geht es zum Beispiel um digitale Transaktionen im Immobilienbereich. „Aufgrund der Legistik wäre er heute noch gar nicht umsetzbar, aber wir wollen zeigen, dass es technisch machbar ist“, verrät Lichtenthaler.

Die Werkstatt ist eine „Sandbox“ mit der Anbindung an Fachverfahren. Die Kandidaten müssen quasi  eine Prüfung am offenen Herzen durchlaufen. Eine strukturierte und möglichst standardisierte Vorgehensweise ist auch insofern hilfreich und interessant, da die bestandene Prüfung der Anwendungsfälle ein gutes Argument für die FFG, die Technologieförderung des Digitalisierungsministeriums und ähnlichem sein kann: „Certified by BRZ“. „Blockpit“ beispielsweise  hat die Prüfung bereits bestanden.

Das Tool liefert eine hochintelligente Auswertung aus Kryptoportalen. Trader und Miner von Kryptowährungen können sich damit ausrechnen, was sie an Steuern zu zahlen haben, denn auch das ist Steuerhinterziehung, wenn man diese Angaben nicht macht. Ein anderes Tool (Farmdok) hilft beim Aufzeichnen und Auswerten der Feldarbeit; künftig könnte ähnliches auch für den Winterdienst kommen. e-Zustellung, abgesichert in der Blockchain, „naturetrip“, ein Service zur Ausflugsplanung (nicht nur für Touristen) in der Region, oder „Homecare“ für die vernetzte Kommunikation in der Pflege sind weitere Anwendungsgebiete, die es bereits ins Schaufenster geschafft haben.

Kooperationsgemeinden werden noch gesucht

 „Wir haben gemerkt, dass Bürgerpartizipation ein großes Thema ist“, erklärt Lichtenthaler. Dafür gibt es E-Democracy. Das hausintern entwickelte Programm ist fixfertig, in der Blockchain abgesichert, und leicht anzuwenden. Mit ihm lassen sich strukturierte Abstimmungen in der Gemeinde online durchführen.

Genau darin liegt der Sinn von Kettenbruck: reale Gemeinden vom Einsatz digitaler Technologien zu  überzeugen. Darum sucht man die Kooperation mit Österreichs Kommunen. Noch diesen Herbst soll das niederösterreichische Kremsmünster die erste Partnergemeinde von Kettenbruck werden. Weitere Gemeinden sind hochwillkommen: „Wir möchten Projekte auf kommunaler Ebene möglich machen, Konzepte, die in der Schublade liegen, in die Realität  bringen und so bundesweite Blueprints für Kommunen schaffen.“ Andere Gemeinden müssten dadurch nicht mehr bei Null anfangen, weil es schon durchgespielte Beispiele und Vorlagen gäbe.  

Digitale Bauprojekte in der Blockchain

Die Blockchain ist bei weitem nicht der einzige Schwerpunkt von Kettenbruck, aber dennoch höchst präsent. „Sie steht aber nicht im Vordergrund weil sie so cool ist oder die Leute sie funky finden. Sie ist vielmehr ein Mittel zum Zweck“, stellt Lichtenthaler klar. Künftige „digitale Bauprojekte“ der öffentlichen Hand könnten dem Bürgermeister alle Prozessschritte in der Blockchain sichern und ihm so dabei helfen, beweisführungssicher zu sein. Zum Beispiel beim Bau einer Umfahrungsstraße. Ein solcher steht im Leben eines Bürgermeisters höchstwahrscheinlich nur einmal an, sprich er hat diesbezüglich keine Erfahrungswerte, auf die er zurückgreifen kann.

„Mit einer digitalen Oberfläche hätte er plötzlich einen Leitfaden zur Verfügung, basierend auf Erkenntnissen aus ähnlichen Projekten in anderen Gemeinden. Einen Leitfaden von der allerersten Gemeinderatssitzung,  in der die Idee geboren wurde, bis hin zur Übergabe der fertigen Straße an den regulären Straßenverkehrsbetrieb. Hilfe, das Projekt zu managen, und Antworten auf die Frage, wie er dafür sorgen kann, dass das, was verhandelt wurde auch tatsächlich in die Bauplanung einfließt“, freut sich Lichtenthaler auf weitere Innovationsimpulse durch Kettenbruck. Auf komplexere Use Cases fürs Optimieren der Verwaltung in einer größeren Kommune genauso wie auf einfache, praktische Anwendungen, oder auf den Austausch mit anderen EU-Staaten. Verschiedene Kontakte, etwa nach Deutschland, Frankreich oder Schweden gibt es bereits. Möglichen Kooperationen im Rahmen der Horizon 2020, einem EU-weiten Projekt, bei dem in den kommenden Jahren zig Milliarden Euro Förderung ausgeschüttet werden.

Blockchain-Technologie wird noch wichtiger

Österreich ist im internationalen Vergleich gut unterwegs, was die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung betrifft. „Vom Bund wurde viel getan“, konstatiert Lichtenthaler, „und im Gemeindeumfeld gibt es ... sehr große Unterschiede.“ Anders gesagt, für Kettenbruck gibt es noch genug zu tun, denn die Digitalisierung und insbesondere die Blockchain-Technologie werden an Bedeutung noch maßgeblich zulegen.

Blockchain in einer Gemeinde

Blockchain weltweit
Die weltweite Nutzung der Blockchain-Technologie.

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