Breitbandkabel
Die flächendeckende Anbindung von Verwaltungseinrichtungen sowie öffentlichen Gebäuden des Landes und der Kommunen an das Glasfasernetz bis zum Jahr 2024 ist der letzte Schritt der „Thüringer Meilensteine“.
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Mit einem Infrastrukturziel die Zukunft gestalten

Das Thema „Glasfaser als flächendeckende Infrastruktur“ ist keinesfalls ein österreichisches allein. Thüringen in Deutschland hat sich für einen eigenen Weg entschieden und treibt den Ausbau voran.

Das Kupferzeitalter neigt sich dem Ende entgegen. Eine Telekommunikationsinfrastruktur für das 21. Jahrhundert wird nicht mehr auf Kupferkabel basieren. Allein die erwarteten Anforderung an die Datennetze neben der Kapazitäten der Datenmenge im Down- oder Upload (Gigabitfähigkeit), mindestens auch die Reaktionszeit beim Datenaustausch (Latenz) und die Sicherheit vor Paketverlusten erfordern neue Netze.

Technisch gesehen werden nur noch Glasfasernetze bis in die Gebäude in der Lage sein, diese Anforderungen zu erfüllen. Das gilt auch für die künftige Mobilfunkversorgung. Denn schon der nächste Mobilfunkstandard, die dann fünfte Generation (5G), erfordert nicht nur ein engeres Netz von Sende- und Empfangsanlagen, sondern zugleich deren Anbindung an ein Glasfasernetz, um die Zu- und Abführung der Signale sicherzustellen.   

Mögliche Downloadraten werden kaum genutzt

Allerdings sind diese künftigen Anforderungen gegenwärtig noch keine Ausbautreiber. Im Gegenteil ist die derzeitige Versorgungslage für die Mehrheit der Nutzer für ihren individuellen Bedarf offenbar akzeptabel. Laut einer Marktstudie aus dem Jahr 2017 hatten zum Beispiel 37 Prozent der per Vertrag tatsächlich gebuchten Anschlüsse in Deutschland einen Downloadrate von weniger 16 Mbit/s. Das ist deutlich weniger, als technologisch auf Basis der Bestandsinfrastruktur möglich ist. Denn immerhin können im Jahr 2018 schon mehr als 84 Prozent der Haushalte in Deutschland auf Anschlüsse mit einer Leistungsfähigkeit von 50 Megabit je Sekunde (Mbit/s) zugreifen.

Besonders drastisch ist das Missverhältnis zwischen verfügbaren und tatsächlich gebuchten Bandbreiten übrigens bei der Glasfaserinfrastruktur mit Anschlüssen bis in das Gebäude: Auch wenn bisher in Deutschland erst 3,1 Millionen Haushalte (2017) und damit weniger als 8 Prozent bereits Zugang zu einem solchen Glasfaseranschluss hatten, entschieden sich von diesen nur 28 Prozent für die dort möglichen hochleistungsfähigen Produkte der Telekommunikationsdienstleister.

Selbst im Vorzeigeland Estland wird kaum die ganze Bandbreite genutzt

Dies ist keineswegs ein spezifisch deutsches Problem. Der Europäische Rechnungshof hat jüngst in einem Sonderbericht nachgewiesen, dass es europaweit Schwierigkeiten gibt, Glasfaseranschlüsse zu vermarkten. Im europäischen Vorzeigeland der Digitalisierung, Estland, etwa haben zwar etwa 73 Prozent der Haushalte Zugang zu einem Glasfaseranschluss, allerdings werden nur rund 10 Prozent davon tatsächlich in der vollen Bandbreite genutzt. Der marktgetriebene Ausbau wird daher auf absehbare Zeit – insbesondere in eher ländlichen und zum Teil strukturschwachen Regionen – nur langsam an Fahrt aufnehmen.

Hinzu kommen unklare strategische Vorgaben zu Ausbauzielen durch die deutsche Bundesregierung. Bisher waren die nationalen Breitbandziele in Deutschland (und auch die der meisten Bundesländer) nach Datenübertragungsraten im Download bestimmt. Das neue Ziel der deutschen Bundesregierung, bis zum Jahr 2025 gigabitfähige Anschlüsse flächendeckend zu schaffen, behält diese Downloadlogik bei.

Brückentechnologien sind nicht unbedingt sinnvoll

Doch birgt eine solche Zielsetzung erhebliche Risiken. Sie impliziert die Ausrichtung an einer vermeintlichen Nachfrage zu einem bestimmten Zeitpunkt, die so aber nicht vorhanden ist. Beim Nachweis der Zielerreichung verleitet sie dann zur Nutzung von Brückentechnologien.

Schon angesichts des erneut knapp gesetzten Zeitraums für den Infrastrukturausbau ist es nahezu ausgeschlossen, die Leitungen auf der letzten Meile, die eigentlichen Flaschenhälse bei der Datenübertragung, flächendeckend durch neue Glasfaserverbindungen zu ersetzen. Dies birgt aber die Gefahr, dass sich zwar durch kurzfristige Lösungen wie „Super-Super-Vectoring“, d. h. einer Kupferkabelaufrüstung, die Statistik zur Versorgungslage verbessert, der Weg zur Generalüberholung der Anschlussleitungen aber gebremst wird. 

Der Freistaat Thüringen hat sich daher in seiner Glasfaserstrategie bewusst für einen anderen Weg entschieden. Das Bundesland hat über die nationalen Ziele hinaus ein nachfrageunabhängiges Infrastrukturziel gesetzt.

Thüring fördert keine Kupferkabelprojekte mehr

Dieses Ziel besteht in der Schaffung eines flächendeckenden Glasfasernetzes als FTTB-Lösung (Fiber to the Building). Thüringen ist damit nach dem Land Schleswig-Holstein das zweite Bundesland, das sich in einer Breitbandpolitik von den Bestandsinfrastrukturen auf Kupferbasis explizit löst. Konsequenterweise wird der Freistaat Thüringen ab dem Jahr 2019 keine Breitbandprojekte mehr fördern, die auf die Ertüchtigung der kupferbasierten Bestandsinfrastruktur abzielen.

Ein solches Infrastrukturziel ist allerdings eine Aufgabe, die sich nicht in wenigen Jahren und nicht von einem Bundesland allein lösen lässt. Auch wird die Zielerreichung bundesweit mit einem vertretbaren volkswirtschaftlichen Aufwand nur gelingen, wenn der Ausbau marktgetrieben erfolgt. Um das Wettbewerbsumfeld in dieser Hinsicht zu stärken, muss nicht nur die Marktregulierung konsequent auf die Erneuerung der Bestandsinfrastrukturen ausgerichtet sein.

Mitverlegungsmöglichkeiten müssen genutzt werden

Es müssen auch zuvorderst Mitverlegungsmöglichkeiten konsequent genutzt werden – wenn notwendig auch durch die öffentliche Hand. Das setzt zugleich eine Informationstransparenz über Tiefbauvorhaben sowie eine indikative Netzplanung auf regionaler Ebene voraus. Auch die bisher kaum funktionierende Mitnutzung von Infrastruktur muss so ausgestaltet werden, dass sie praktikabel, wettbewerbsneutral und planbar für die Telekommunikationsunternehmen wird.

Es ist nicht absehbar, wann der Markt Glasfaserleitungen aufgrund der technischen Parameter in größerem Stile nachfragen wird – das hängt nicht zuletzt von der Marktdurchsetzung solcher Nutzungen ab, die heute mit „smart“ apostrophiert werden –, so lassen sich doch Nutzergruppen identifizieren, die schon heute große Datenmengen schnell und verlustfrei austauschen wollen.

Diese Nutzer können die sozioökonomischen Treiber des Glasfaserausbaus sein, wenn es gelingt, ihren Anschluss an ein Glasfasernetz nicht solitär auszuführen, sondern zugleich zu nutzen, um das räumliche Umfeld um diese mit zu erschließen.

Solche sozioökonomischen Treiber sind zum Beispiel (datenintensive) Unternehmen, Bildungs- und Forschungseinrichtungen, aber auch staatliche Behörden. In Thüringen sehen wir den Anschluss dieser sozioökonomischen Treiber zugleich auch als die Meilensteine auf dem Weg zur Umsetzung der Thüringer Glasfaserstrategie:

  • Flächendeckende Verfügbarkeit von Glasfaseranschlüssen in Gewerbegebieten und für Unternehmen mit besonderem Bedarf bis zum Jahr 2022,
  • flächendeckende Verfügbarkeit von Glasfaseranschlüssen für Bildungs- und Forschungseinrichtungen, insbesondere Hochschulen, Berufsschulen und allgemeinbildende Schulen, bis zum Jahr 2023,
  • flächendeckende Anbindung von Verwaltungseinrichtungen sowie öffentlichen Gebäuden des Landes und der Kommunen an das Glasfasernetz bis zum Jahr 2024.

Neben diesem planmäßigen Vorgehen bleibt es eine weitere Herausforderung sicherzustellen, dass in der Übergangsphase hin zu dem langfristigen Infrastrukturziel kein Digitalisierungsprojekt in Thüringen an einem fehlenden Breitbandanschluss scheitert. Dafür notwendig ist eine Koordinierung und effizienter Einsatz der begrenzt zur Verfügung stehenden Ressourcen.

Gründung einer Landesinfrastrukturgesellschaft wird überlegt

In dieser Hinsicht prüft das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft nicht nur die Gründung einer Landesinfrastrukturgesellschaft, die Infrastrukturlücken schließen helfen soll, sondern auch die Erarbeitung von Sonderförderprogrammen für Einzelanschlüsse mit nachgewiesenem Bedarf, wenn damit zugleich die Grundlage für eine Gebietserschließung mit Glasfaserleitungen auf der letzten Meile erreicht wird.   

Mitarbeit: André Störr, Rechtsassessor