Simone Schmiedtbauer
Simone Schmiedbauer: "Wir müssen die Dinge vor Ort lösen. Da, wo es für die Bürgerinnen und Bürger am sinnvollsten ist."
© Paul Gruber

"Ich werde mich dafür einsetzen, dass Gemeinden mehr Handlungsspielraum haben"

5. Mai 2019
KOMMUNAL hat ob der Bedeutung der Wahl nicht nur den Spitzenkandidaten Fragen gestellt, sondern auch anderen Kandidaten mit kommunalpolitischem Hintergrund. Steiermark, kandidiert auf einem Ticket des Bauernbundes auf Platz 4 der Liste der ÖVP. Und als ehemalige Bürgermeisterin gibt sie klare Antworten.

In Europa gibt es mehr als 100.000 Gemeinden, die sich um die Anliegen der Bürger vor Ort kümmern: Wie wollen Sie die Rolle der Gemeinden in Europa stärken?

Ich komme aus der Kommunalpolitik und war bis Ende März 2019 Bürgermeisterin einer rund 7000 Einwohner Gemeinde nahe Graz. Ich habe die steirische Gemeindestrukturreform aktiv mitgestaltet und kenne die Stärken und Schwächen unserer Gemeinden und ländlichen Regionen sehr gut.

Auf Kommunalebene sind wir Bürgermeister den Menschen am nächsten. Daher bin ich für ein Europa der Aufgabenteilung. Angefangen vom Gemeinderat bis hin zum Europaparlament macht es Sinn, die Aufgaben den jeweiligen Ebenen klar zuzuteilen. Zu viele Köche verderben den Brei – das gilt auch für die Aufgabenteilung innerhalb der EU. Ziel muss ein schlankes aber effizientes System sein, das schütz und nützt.

Ich werde mich dafür einsetzen, dass Gemeinden künftig mehr Handlungsspielraum haben. Wir müssen die Dinge vor Ort lösen. Da, wo es für die Bürgerinnen und Bürger am sinnvollsten ist.

Mehr als 1.000 Europa-Gemeinderäte sind Sprachrohr und Vermittler der europäischen Idee in Österreichs Gemeinden. Ihr Motto ist „Europa fängt in der Gemeinde an!“: Was verbinden Sie damit?  

Europa-Gemeinderäte sind Vermittler, sie sind Brückenbauer zwischen unseren Heimatgemeinden und der Europäischen Union. Europa ist für viele von uns oft weit weg, doch Europa, das sind wir alle. Unsere Gemeinden sind Impulsgeber, wenn es um die Umsetzung dieser, unserer europäischen Idee geht. Für mich sind Europa-Gemeinderäte wichtige Schnittstellen, davon könnten wir mehr brauchen.  

Egal ob es um den Brexit, die Trinkwasserrichtlinie oder diverse Auswirkungen der Brüsseler Bürokratie: Das Thema „EU“ kommt meist nur in Form negativer Berichterstattung vor. Wie kann erreicht werden, dass das die Menschen ein positiveres Bild von der Union bekommen?

Wie so oft geht es um die Art und Weise, wie wir miteinander umgehen und wie wir kommunizieren. Ein guter Mix aus digitalen Möglichkeiten der Kommunikation und dem direkten Draht zum Menschen ist entscheidend. Denn ein Händedruck und das persönliche Gespräch ist mit nichts zu ersetzen!

Als künftige EU-Parlamentarierin möchte ich die Wochenenden nutzen, um den Menschen in unseren Regionen ein Bild von Europa zu geben. Eine große Errungenschaft ist die Reisefreiheit innerhalb Europas oder etwa die Abschaffung der Roaming-Gebühren. Den Klimawandel können wir nur gemeinsam bewältigen, Einzelinitiativen der Mitgliedsstaaten sind vorbildlich, aber weniger effizient.

Auch die Gemeinsame Agrarpolitik sehe ich als positives Beispiel. Ohne EU-Mittel, beispielsweise für Umweltmaßnahmen oder die Bewirtschaftung von Steilflächen, wäre der Strukturwandel in Österreich deutlich weiter fortgeschritten. Wir profitieren auf unseren Höfen, in den Gemeinden und Regionen tagtäglich von Europa, der größten Errungenschaft des 20. Jahrhunderts. Ich sehe mich als lebendige Botschafterin unserer Europäischen Idee.

Was würden Sie von einem europäischen Nachrichtenportal a la CNN halten, damit nicht Boulevardmedien das Bild der EU verzerren?

Aus meiner Sicht wäre das eine gute Idee. Alles was auf EU-Ebene auf den Weg gebracht wird, könnte über diesen Kanal kommuniziert werden. Die Akzeptanz für Entscheidungen auf EU-Ebene könnte verbessert, die EU verständlicher gemacht werden.

Als Hürde sehe ich aber die vielen unterschiedlichen Sprachen innerhalb der Mitgliedsstaaten. Das ist selbstverständlich auch eine Frage des Bildungsniveaus im jeweiligen Land. Sollte es zu einem EU-Nachrichtenportal kommen – unabhängig, hochqualitativ und fundiert – würde ich die Pläne unterstützen.

Der eigentlich positiv besetzte Begriff „Subsidiarität“ wird derzeit vielfach dazu benutzt, um eine Renationalisierung von Kompetenzen zu fordern. Wie kann man erreichen, dass daraus eine „echte“ Subsidiarität entsteht, die die EU schlagkräftiger machen kann und zu einer besseren Akzeptanz der Union in der Bevölkerung führen kann?

In meiner bisherigen Tätigkeit als Bürgermeisterin habe ich vor allem eines gelernt: Entscheidungen müssen dort getroffen werden, wo sie den Bürgerinnen und Bürgern am meisten nutzen.

Es ist selbstverständlich nicht zielführend, Fragen zu Globalisierung, Klimawandel, Migrationsströmen oder Fluchtursachen langfristig auf Kommunalebene zu regeln. Auch wenn das im Jahr 2015 in meiner Heimat, der Südwestlichen Steiermark, der Fall war, als beispielsweise erste Flüchtlinge zu Fuß in unserer Gemeinde ankamen. Diese großen, überstaatlichen Richtungsentscheidungen müssen wir zielorientierter auf EU-Ebene begegnen.

Gegensätzlich dazu gibt es Beispiele wie etwa die Diskussionen zu Pommes-Bräune oder den detaillierten Hygienevorschriften auf kleinen Betrieben. Diese Fragen müssen wir vermehrt auf Ebene der Mitgliedsstaaten diskutieren, weil das zielführender ist.

Mehr Subsidiarität für die Mitgliedsstaaten bedeutet nicht automatisch eine Renationalisierung der Kompetenzen. Vielmehr besagt es, dass Entscheidungen besser dort getroffen werden, wo sie den Bürgerinnen und Bürgern auch wirklich was bringen.

Viele Gemeinden sehen die Digitalisierung, vor allem den flächendeckenden Glasfaserausbau, als Aufgabe der Daseinsvorsorge. Trotzdem bleiben vor allem ländliche Gemeinden „auf der Strecke“. Wie kann die EU hier Abhilfe schaffen?

Der Megatrend „Digitalisierung“ wird unser Leben und Arbeiten tiefgreifend verändern. Die Digitalisierung wirft dabei nicht nur technische Fragen auf, sondern betrifft die gesamte wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung einer Region.

Die Digitalisierung ist ohne die entsprechenden leistungsfähigen „Lebensadern“, also Glasfasernetze bis hin zu jedem einzelnen Haus, auch zu jedem Bauernhof nicht umsetzbar. Noch vor Deutschland beginnen wir jetzt in Österreich mit dem Ausbau. Das ist eine tolle Entwicklung, der ländliche Raum darf aber nicht auf der Strecke bleiben.

Das mobile Netz kann daher nur eine Ergänzung zum digitalen Festnetz sein. Unsere Gemeinden sind auf die Unterstützung der öffentlichen Hand angewiesen. Ich setze hier auf die Bundesregierung, aber auch auf die EU. Hier gibt es bereits die EU-Initiative „WiFI4U“, mit der Gemeinden um die Förderung von Gratis-WLAN in der Gemeinde ansuchen können. Dafür stehen 120 Millionen Euro zur Verfügung.

Die Mitgliedstaaten, Länder und Gemeinden sind jetzt gefordert, die Mittel aus den EU-Fördertöpfen auch auszuschöpfen.

Könnten Sie sich vorstellen, dass der Ausschuss der Regionen zu einer echten Länderkammer auf europäischer Ebene aufgewertet wird und bei regionalen Fragestellungen Mitbestimmungsrecht hat?

Im Entscheidungsprozess hat der Ausschuss der Regionen eine beratende Funktion. Viele Empfehlungen des Ausschusses der Regionen fließen schon jetzt in den Gesetzgebungsprozess der EU ein. Ich will ein Europa mit starken Regionen, wo Menschen den ländlichen Raum noch mit Leben erfüllen.

Wenn ich in Brüssel künftig mitentscheide, werde ich mich vehement für den Erhalt unserer ländlichen Räume einsetzen und speziell diesen Fragen widmen.