Blick aus dem Bürgermeister-Büro in Hohenweiler.
Blick aus dem Bürgermeister-Büro in Hohenweiler.

Leerstände nutzen

Hohenweilers Rezept gegen teures Bauland und leere Häuser

Die kleine Vorarlberger Gemeinde Hohenweiler im Leiblachtal zeigt, wie aktive Bodenpolitik und Flächen­management funktionieren können. Bürgermeister Wolfgang Langes setzt gemeinsam mit der Projekt- und Strukturentwicklungsgenossenschaft (PSG) und dem ISK Institut aus Dornbirn auf vorausschauende Bodenpolitik und Flächenmanagement. Statt zu warten, bis der Markt reagiert, sichert die Gemeinde Grundstücke, entwickelt Leerstände und schafft Raum für Wohnen und Wirtschaft – ein Modell, das andere Gemeinden hellhörig machen sollte.

Es ist ein früher Vormittag in Hohenweiler. Vor dem Gemeindeamt weht die Fahne im leichten Sommerwind und Bürgermeister Wolfgang Langes lehnt entspannt am Geländer, als er uns (den Autor und Stefan Niederer vom ISK, dem Vorarlberger Institut für Standort-, Regional- und Kommunalentwicklung) begrüßt. „Mir händ nid d’Wealt erfunda“, sagt er und lacht, „aber mir händ früh kapiert: Wenn ma nix tuat, passiert genau des – nix.“

Hohenweilers Bürgermeister Wolfgang Langes im Gespräch mit KOMMUNAL-Chefredakteur Hans Braun
Hohenweilers Bürgermeister Wolfgang Langes im Gespräch mit KOMMUNAL-Chefredakteur Hans Braun.

Langes erinnert sich an seinen Amtsbeginn im Jahr 2009. „Lehman-Krise, null Spielraum, kein Budget für große Sprünge. Und genau das war unser Glück“, meint er schmunzelnd. „Wenn du kein Geld hast, dann machst du keine Schnellschüsse. Du denkst länger nach.“

In dieser Zeit stieß er auf das S5-Programm, eine methodische Herangehensweise zur Gemeindeentwicklung. „Das S5 hat man damals in Lech beim Gemeindetag kennengelernt“, erzählt Langes. „Und ich habe gemerkt: Das ist genau unser Weg – Schritt für Schritt, nicht von heute auf morgen.“

Das S5-Programm ist ein vom ISK entwickeltes Modell, das Gemeinden in fünf Schritten von der Analyse über konkrete Maßnahmen bis hin zur laufenden Steuerung begleitet. Hohenweiler ist ein Beispiel dafür, wie aus diesem Prozess greifbare Ergebnisse werden. Aber nicht nur Hohenweiler, sondern viele Gemeinden in Vorarlberg, Tirol und der Steiermark haben bisher so einen Standort- und Gemeindeentwicklungsprozess abgeschlossen. 

KOMMUNAL hat Anfang 2025 über diesen Prozess anhand der steirischen Gemeinde St. Georgen am Kreischberg berichtet:

Von der Analyse zur Aktion

Unterstützt vom ISK, vertreten durch Standortentwickler Stefan Niederer, startete Hohenweiler zunächst mit einer genauen Bestandsaufnahme: Wo gibt es Leerstände? Wo sind Entwicklungsflächen? Was braucht die Gemeinde wirklich?

„Des Wichtigste war: Wir haben eine klare Basis für spätere Maßnahmen geschaffen“, erklärt Niederer. „Weil Bauchgefühl allein hilft bei so komplexen Fragen nicht.“ Daraus entstand ein Masterplan zur Zentrumsentwicklung – und mit ihm der Mut, eine Projekt- und Strukturentwicklungsgenossenschaft (PSG) zu gründen.

Die PSG: Grundstücke sichern, bevor der Markt zuschlägt

„Immer dann, wenn die Gemeinde als Käuferin erkennbar ist, steigt der Preis sofort“, erzählt Langes. „Mit der PSG können wir anonym agieren. Wir handeln wie ein Unternehmen – aber nicht für Profit, sondern fürs Gemeinwohl.“
Das Prinzip ist einfach: Die PSG kauft Grundstücke oder leer stehende Gebäude, entwickelt sie weiter und bringt sie dann wieder in Nutzung. Finanziert wird das Ganze über einen Mix aus Eigenkapital der Gemeinde und der lokalen Bank – im Fall Hohenweiler die Raiffeisen Bodensee-Leiblachtal – und Fremdkapital. 

„Das war für uns der Gamechanger“, betont Langes. „Wir haben dadurch 30 neue Wohnungen und Gewerbeflächen schaffen können. Ohne Spekulanten, ohne Preistreiberei. Und sogar Räume für den Krankenpflegeverein haben wir dabei gleich mitgelöst.“ Zu den Lehren aus diesem Prozess siehe Kasten „5 Lehren mit PSG“.

Leerstand? Nicht in Hohenweiler

Die Zahlen sprechen für sich: Während viele Gemeinden mit leer stehenden Immobilien kämpfen, geht Hohenweiler aktiv dagegen an. „Mir hockan nid und warten, bis irgendjemand was koaft“, sagt Langes. „Mir neand d’Entwicklung seal in d’Hand.“

Die PSG kümmert sich dabei nicht nur um Wohnraum, Schaffung von Arbeitsplätzen und zentralörtliche Entwicklungen, sondern auch um die Nachnutzung von Bestandsgebäuden, „Wenn ein Haus leer steht, dann schauen wir, ob man es sinnvoll nutzen und umbauen kann– für Start-ups, für soziale Einrichtungen oder für neue Büros oder Wohnformen“, erklärt Niederer.

Ein Modell für das ganze Land?

Die ISK-Studie „Wem gehört das Land?“ zeigt, dass Bauland in Vorarlberg knapp ist und die Besitzverhältnisse stark zersplittert sind: 64 Prozent der Bevölkerung besitzen kein Wohnbaugrundstück. Genau deshalb sieht Niederer Hohenweiler als Vorbild:
„Das, was hier passiert, könnte jede Gemeinde machen – wenn sie bereit ist, professionell zu handeln und auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Leerstand ist kein Naturgesetz, er ist eine Folge von Untätigkeit.“

„Ohne Geld koa Musi.“ 

Langes fasst es im Gespräch mit einem seiner Lieblingssätze zusammen: „Ohne Geld koa Musi. Aber mit dem PSG-Modell händ mir an Weg gfunda, wia ma mit wenig Geld trotzdem große Dinge möglich macht. Des isch der Unterschied zwischen Verwalten und Gestalten.“

Und dann lehnt er sich zurück und grinst aus dem Fenster: „Und jetzt schau dir die Baustellen an. Früher war do nix, jetzt isch do Zukunft.“ 

5 Lehren aus Hohenweiler – So vermeiden Gemeinden Leerstand

Frühzeitig handeln statt abwarten: Wer auf den „Markt“ hofft, verliert. Hohenweiler zeigt: Gemeinden müssen selbst aktiv Grundstücke und Immobilien sichern – bevor diese zu Spekulationsobjekten werden.
PSG als Werkzeug für mehr Schlagkraft: Mit der Projekt- und Strukturentwicklungsgenossenschaft (PSG) wird die Gemeinde handlungsfähig.

60:40-Finanzierungsmodell: 60 % der Eigenmittel kommen von der Gemeinde, 40 % von der lokalen Bank.
Die restlichen 75 % des Projektvolumens werden über Kredite finanziert.
Der Partner Bank übernimmt Risiko und bringt Eigenkapital ein.
Ergebnis: Grundstücke und Immobilien bleiben in kommunaler Hand, ohne das Gemeindebudget zu überlasten.

Professionelles Know-how ins Haus holen. Man könne nicht alles selber machen, sagt Bürgermeister Langes. Mit dem ISK als Partner wurde die Gemeinde nicht nur fachlich begleitet, sondern erhielt Zugang zu betriebswirtschaftlichem, raumplanerischem und rechtlichem Wissen – entscheidend bei komplexen Themen wie Baurechts- oder Pachtkonstruktionen.

Leerstand als Chance begreifen. Statt alte Gebäude verfallen zu lassen, prüft Hohenweiler systematisch Nachnutzungen:
    Beispiel „Trivium“: 30 Wohnungen plus Gewerbeflächen, inkl. Räumen für den Krankenpflegeverein.
    PSG sicherte die Flächen rechtzeitig und brachte sie zu fairen Konditionen in die Nutzung.

Transparenz und Bürgerbeteiligung. Die Bevölkerung wird von Beginn an eingebunden – mit Info-Abenden, Stammtischen und offenen Diskussionen. Wenn die Leute verstehen, warum man etwas macht, dann stehen sie auch dahinter, so das Resümee von Wolfgang Langes.

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