Christoph Stockinger
Christoph Stockinger: „Gemeinden sind Firmen mit besonderen Anforderungen.“

Kommunalwirtschaftsforum 2022

„Handeln statt jammern“ ist die Lösung

6. April 2022
Die Amtsleiterinnen und Amtsleiter in Österreich müssen einiges „heben“, wie es in der Mundart so schön heißt: Mehr als 300 Gesetze, „unzählige“ Behördenkontakte, dazu das Personal- und Projektmanagement und vieles mehr, wie Christoph Stockinger, Amtsleiter im oberösterreichischen Gampern im Hausruckviertel beim KWF 2022 ausführte. Das das Ganze immer im Umfeld soziologischer und demografischer Veränderungen stattfinde, zudem seit zwei Jahren von Corona und jetzt der Ukraine überlagert wird, mache es nicht einfacher.

„Und dazu kommt dann immer das Public Governance, also die Abstimmung mit der Politik, sowie die Diskussionen mit Bürgerinnen und Bürgern erschwerend hinzu“, wie Stockinger ausführte. „Und alles findet in der öffentlichen Wahrnehmung statt.“

All das bringt Stockinger zum Schluss, dass die Gemeinden „Firmen mit besonderen Bedürfnissen oder Anforderungen“ sind.

Wie funktionieren die Firmen mit besonderen Bedürfnissen?

Bei der Umsetzung helfen digitale Prozessoptimierungen bei den diversesten Abläufen mit neuen Technologien bei der Umsetzung der Ziele. Überhaupt sei auch die Digitalisierung Teil des Jobs geworden. Trotzdem gebe es immer wieder neue Betätigungsfelder. Eines der wichtigsten und wahrscheinlich umfangreichsten, so Stockinger, ist die Gestaltung und Entwicklung der eigenen Gemeinde. Seine einfache Schlussfolgerung: „Am besten geht das, wenn ich mich als Gemeinde selber um Flächen und Gebäude kümmere.“

Das funktioniert immer auf Basis der Raumordnungsgesetze – in Österreich mit seinen neun Bundesländern und neun Raumordnungsgesetzen besonders spannend. Und weil jede Gemeinde für sich selbst entscheidet, gibt es vermutlich rund 2000 verschiedene Zugänge zu dem Thema.

Dennoch ermutigt Stockinger die Gemeinden, gerade dieses Thema aktiv anzugehen. „Trauts euch drüber“, appelliert er: „Nicht jammern, handeln!“

Wie heikel das Thema ist, sehe man anhand eines kleinen Pressespiegels. Da gehen die Titel von „Spekulationsverbot“ über „Kampf ums Bauland: 185 Bewerber für neun Parzellen“ und „Stopp der Bodenversiegelung“ bis hin zu „Das muss alles in einer Hand sein“.

Spagat zwischen Investor und Gemeinde

Der eine will Profit machen, die Gemeinde kann kostenneutral bleiben und im Sinne der Menschen handeln. Aus diesen Voraussetzungen ergibt sich ein fetter Spannungsbogen! Kommt hinzu – als Vorteil für die Gemeinde – dass diese auch Widmungsbehörde ist und es sich somit einteilen kann, wie sie mit den Grundstücken agieren will. Mit diesem Beschluss der Gemeinde konnten in den vergangenen fast 20 Jahren ein Technologie- und ein Gewerbepark – wegen der Kommunalsteuer fast überlebensnotwendig für Gemeinden – und neue Wohnviertel umgesetzt werden.

In Summe wurden 250 neue Häuser gebaut, die rund 750 neue Einwohner angezogen haben. Dazu wurden in Gampern rund 1000 neue Arbeitsplätze geschaffen.  

Die Arbeitsschritte der Gemeinde umfassten die Prüfung, wo die neuen Projekte umgesetzt werden können inklusive der Klärung der Widmungsfähigkeit, die Prüfung der Erschließungsmöglichkeiten sowie das Aufsetzen von Options- und Kaufverträgen mit Rechtswirksamkeit bei der Widmung, was die Voraussetzung für gelungene Projekte seien. „Wer schreibt, der bleibt“, wie Stockinger formulierte.

Planung, Vorleistung, Gestaltung, Abwicklung

Für die Planung, so Stockinger, sei essentiell, die Erstellung einer Grobplanung mit Fachleuten, die Abstimmung mit dem jeweiligen Land, der Grundverkehrsbehörde, dem Wasserrecht und so weiter. Die Erhebung der Infrastrukturkosten und natürlich die Prüfung der Finanzierbarkeit fallen da ebenso darunter wie die Einleitung einer Flächenwidmungsplanänderung, die durch den Gemeinderat und den Fachabteilungen des Landes abgesegnet sein müsse.

Sei das geklärt, gehe es an die Gestaltung. Da braucht es Flächen für die Retention, die Straßen (neue und Abtretungen), Abbiegespuren, Flächen für Grünbereiche (in Gamper überlegt man die Begrünung von Garagen vorzuschreiben) u.v.m. Das passiert im Idealfall am Gemeindeamt zusammen mit den Fachleuten und Juristen. Dort wird auch geklärt, wer was macht. Stockinger: „Abzuklären ist auch die politische Unterstützung durch den Gemeinderat, der Zeitplan und – natürlich – die Öffentlichkeitsarbeit.“

Appell an und Chance für Gemeinden

„Als Grundsatz muss bestehen, dass die Raumordnung und damit die Gemeindeentwicklung bei der Gemeinde bleiben muss“, wie Stockinger festhält. Hier sei die Erfahrung und die Kompetenz zentriert, die es anderswo nicht gibt.

„Wichtig ist auch, dass im Dienstpostenplan die Möglichkeit besteht, zusätzlich qualifiziertes Personal anzustellen.“ Der Verdienst muss mit jenen von Projektmanagern in der Privatwirtschaft vergleichbar sein. Die Kosten können, so Stockinger, in das Budget eingerechnet werden, müssen aber über das Gemeindebudget abgerechnet werden. Buchhaltung und Finanzierung müssen natürlich auch mitspielen.

Die Chancen, die sich durch so ein Vorgangsweise für eine Gemeinde, in Stockingers Fall Gampern, zur Entwicklung innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen ergeben? Sehr groß!

Ging es vor 20 Jahren noch um die Ansiedlung von Betrieben und Gewerbe sowie Wohnhäuser, sind jüngst weitere Parameter dazu gekommen. Heute müssen auch PV-Anlangen mitgedacht werden, Flächen dafür bereitgestellt werden. Neu sind auch Gestaltung und Belebung von Ortszentren ohne Gewinnabsicht – gemeint ist damit der An- und Verkauf von alten Häusern und leerstehenden Flächen. Gerade dieser Punkt ist essentiell für die Entwicklung eines ganzen Ortes auf Jahre hinaus.