Walter Schwinger
Walter Schwinger und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben es geschafft, dass der Bezirk zu den beliebtesten Trauungsbezirken Österreichs gehört.

Gemeinsam von der Wiege bis zur Bahre

20 Gemeinden im Bezirk Mödling haben als erste in Niederösterreich ihre Standesämter verheiratet. Die Liaison veränderte ganz Österreich - und schuf einen neuen Wirtschaftszweig.

Die Traumhochzeit in der alten Burg oder unter blühenden Birnbäumen? Heute Standard. Doch vor gar nicht allzu langer Zeit war die standesamtliche Hochzeit ein wenig prunkvolles Ereignis, meist in einem mehr oder weniger geeigneten Zimmer im Rathaus. Nur mit begrenzter Teilnehmerzahl und natürlich nur wochentags zu fixen Amtszeiten. Dass dies heute anders ist, haben Pioniere der Kooperation ermöglicht: Die zehn Beamten des Standesamtsverbandes Mödling unter der Leitung von Walter Schwinger.

Lange bevor Standesamtsverbände üblich wurden, waren die 20 Wienerwaldgemeinden südlich von Wien diesbezüglich bereits zusammengeschweißt.

„Das ist historisch begründet“, erklärt Amtsleiter Walter Schwinger. „Der Bezirk Mödling war früher Teil von Wien. Die Gemeinden wurden unabhängig, der Standesamtsverband blieb aber bestehen.“ Darum betreute der Verband als erster in ganz Niederösterreich rund 120.000 Menschen – von der Wiege bis zur Bahre. Das wäre weiter nicht erwähnenswert, wenn vor rund 25 Jahren nicht eine Revolution aus der Mödlinger Amtsstube ausgegangen wäre, die ganz Österreich veränderte – und einen ganzen Wirtschaftszweig begründete.

Boom bei großen standesamtlichen Hochzeiten

Denn kurz vor der Jahrtausendwende begannen Walter Schwinger und sein Team zu grübeln: „Durch die steigende Zahl der Kirchenaustritte wurde das Bedürfnis nach großen standesamtlichen Hochzeiten immer größer. Es gab dafür aber keine Angebote. Die Räumlichkeiten in den Rathäusern sind begrenzt, drum haben wir uns überlegt, wie wir das Bedürfnis der Menschen ermöglichen können.“

Heiraten in stilvoller Umgebung

Die Lösung lag auf der Hand. Der Bezirk Mödling ist voll von malerischen Schlössern, pittoresken Burgen oder idyllischen Altstädten. Orte, wie geschaffen für einen der glücklichsten Momente im Leben vieler Menschen.

„Wir haben gedacht, es ist ja viel sinnvoller, wenn ein Standesbeamter zu 300 Hochzeitsgästen kommt, statt umgekehrt. Und daher haben wir beschlossen, die Ämter zu verlassen und gegen eine Gebühr Trauungen auch außerhalb vorzunehmen. Wir haben uns mit Burgbesitzern, der Gastronomie und anderen Anbietern zusammengesetzt und einen Plan ausgearbeitet. Damit waren wir die ersten in ganz Österreich.“

Natürlich gab es am Anfang auch Widerstände. Zum einen befürchteten Traditionalisten, dass der Bezirk zu einer Art Las Vegas verkommen würde. Zum anderen bedeutete die Umstellung auch einen erheblichen Mehraufwand für die Beamten. Es bedeutete Wochenenddienste und Einsätze außerhalb der Amtszeiten. Schwinger: „Wir haben uns das intern gut aufgeteilt, es gibt Zeitausgleich und eine kleine Aufwandsentschädigung für den Beamten. Somit wurde das gut akzeptiert und funktioniert heute klaglos.“

Wirtschaft profitiert

Was als Versuchsballon gestartet wurde, hat sich heute zu einer Wirtschaftsrakete erster Ordnung entwickelt. Die Zahl der Trauungen im Bezirk verdoppelte sich von 600 auf 1.200 pro Jahr. Vor allem Paare aus Wien, aber auch aus anderen Teilen des Landes nutzen die Gelegenheit, um einander vor einer der Traumkulissen des Bezirkes ewige Treue zu schwören. Rund um das Amtsservice hat sich ein ganzer Wirtschaftszweig gegründet. Von der Gastronomie und Hotellerie bis hin zum Wedding Planner, Taxiunternehmen und Blumenhandel profitiert die Wirtschaft der Region von der Flexibilität der Beamten. Und auch der Verband profitiert, pro Trauung gibt es Mehreinnahmen von 260 Euro.

„Zuerst ist Salzburg auf unsere Initiative aufmerksam geworden und hat das ebenfalls umgesetzt. Heute sind Trauungen auswärts fast überall Standard“, ist Walter Schwinger stolz. Auch der Gesetzgeber musste sich mit dem Mödlinger Phänomen beschäftigen. Inzwischen gibt es ein Bundesgesetz, in dem geregelt wird, wo nicht standesamtlich geheiratet werden darf. Etwa in Sportstätten oder auch in Kirchen. Sonst sind der Fantasie kaum Grenzen gesetzt. Schwinger: „Die AUA wollte einmal 50 Paare im Luftraum über Mödling verheiraten. Das mussten wir ablehnen, da der Luftraum nicht mehr Hoheitsgebiet der Verwaltungsbehörden ist.“

Auch ungewöhnliche Wünsche werden erfüllt

Sonst versucht man aber, auch eher skurrileren Kundenwünschen nachzukommen. Schwinger: „Ein Paar hatte sich versprochen, barfuß auf einem Sandstrand zu heiraten. Die Familie war dagegen, und so haben die jungen Leute uns gebeten, ob sie einen Sandstrand im Rathaus aufschütten dürfen. Wir haben kurz überlegt und dann zugestimmt.“

Amt wurde zur Servicestelle

Heute ist der Bezirk Mödling bei den Trauungszahlen mit Wien und Salzburg führend. Das Angebot ist serviceorientiert, auf einer Homepage kann man unkompliziert freie Termine buchen. „Früher war der Bürger Bittsteller am Amt. Jetzt sind wir zur Servicestelle für Bürger geworden“, resümiert Schwinger. Eine Einstellung, die sich auch auf andere Dienstleistungen übertragen hat. So eröffnete Mödling als erster Bezirk in ganz Niederösterreich auch einen „Babypoint“ im Klinikum. 

Schwinger: „Auch hier war der Gedanke: Wir haben rund zehn Geburten pro Tag in unserem Gebiet, die meisten im Spital. Warum sollen tausende Menschen zu einem Beamten gehen, warum kommt der Beamte nicht zu den Menschen? Noch dazu, wo junge Eltern ohnehin andere Probleme als Amtswege haben. Jetzt können sie die Formalitäten mit einem kleinen Gangspaziergang in der Klinik verbinden.“ Auch hier war der Standesamtsverband Mödling Vorreiter in Niederösterreich und auch diesmal ist die Idee inzwischen weit verbreitet und kaum mehr wegzudenken.