Gemeinden verschulden sich im Schulbereich und bei Sozialausgaben
Das KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung analysierte im Auftrag des Österreichischen Städtebundes die Entwicklung der österreichischen Gemeindefinanzen von 2012 bis 2021.
Mit der Pandemie stieg die Verschuldung nicht nur beim Bund, sondern auch bei den Gemeinden deutlich an. Lag der öffentliche Schuldenstand der Gemeindeebene (ohne Wien) von 2012 bis 2019 recht konstant bei 2,3 % des BIP, erhöhten sich die Schulden 2020 bzw. 2021 auf 2,5 % des BIP. Von 2019 auf 2020 erhöhte sich der Schuldenstand (absolut) um 9 %, während jener von Bund (+19 %) und der Länder (+15 %) noch stärker wuchs.
Dass die Verschuldung auf Gemeindeebene nicht stärker angestiegen ist, ist auch Ergebnis der Unterstützungsmaßnahmen des Bundes und der Länder zur Stabilisierung der Gemeindefinanzen 2020 und 2021, so das KDZ.
Gemeinden mussten sich vor allem wegen Ganztagsschulen verschulden
Betrachtet man einen längeren Zeitraum ab 2013 zeigt sich jedoch ein anderes Bild. So erhöhten sich die Schulden der Gemeindeebene bis 2021 mit +38 % doch deutlich stärker als jene des Bundes (+26 %) und der Länder (+22 %).
Dies geht einher mit einem starken Anstieg der Investitionstätigkeit. Die stärksten Steigerungen seit 2012 finden sich im Schulbereich mit 300 % aufgrund der Ausbauprogramme im Ganztagsschulbereich.
Ausgelöst durch die Ausbauprogramme der Elementarpädagogik stiegen die Investitionen in die Kinderbetreuung um 141 %. Die Investitionen im Straßenbereich erhöhten sich um 74 %.
Gemeindeverschuldung hängt auch vom Bundesland ab
Betrachtet man die Verschuldung pro Kopf der Gemeinden nach Bundesländern, lag diese 2021 in Kärnten bei 707 Euro und in Vorarlberg bei 2.129 Euro. Auch das Verhältnis zwischen Gemeinde- und Landesebene variiert: Während in Kärnten nur 10 Prozent der Schulden auf die Gemeinden entfällt, sind es in Vorarlberg ganze 57 Prozent. Die Zugehörigkeit zu einem Bundesland spielt daher eine zentrale Rolle für die finanzielle Situation einer Gemeinde.
Weiter dynamische Länder-Gemeinde-Transfers
Gemeinden leisten Ko-Finanzierungen in den Bereichen Gesundheit und Soziales (inklusive Pflege) an die Länder. Gleichzeitig erhalten die Gemeinden Transfers von den Ländern, wodurch ein sehr komplexes Transfersystem entsteht. In Summe zahlen die Gemeinden deutlich mehr Mittel an die Länder als umgekehrt.
Besonders problematisch für die Gemeinden ist dabei die überdurchschnittliche Dynamik der Umlagen. Wurden 2012 50 Prozent der Gemeinde-Ertragsanteile über Umlagen von den Ländern abgeschöpft, lag der Anteil 2021 bereits bei 53 Prozent – Tendenz steigend.
Der negative Transfersaldo zwischen Gemeinden und Ländern hat sich seit 2012 von 1.245 Mio. Euro auf 1.753 Mio. Euro (2021) erhöht. Das ist ein Plus von 508 Mio. Euro bzw. 41 Prozent. Dadurch bleiben immer weniger Spielräume zur Finanzierung der kommunalen Daseinsvorsorge.
Durch die länderweisen unterschiedlichen Transfersysteme verändert sich die ursprünglich über das Finanzausgleichsgesetz vorgesehene Mittelausstattung der einzelnen Gemeinde nochmals deutlich. Allerdings haben die Gemeinden hier - im Gegensatz zum Finanzausgleichsgesetz - keine Mitsprachemöglichkeiten.
Hohe Investitionsbedarfe für den Klimaschutz
Erstmals beschäftigt sich der Gemeindefinanzbericht mit Klimaschutzinvestitionen und identifiziert vielfältige Aufgabenfelder und hohe Investitionsbedarfe:
Die Handlungsfelder der Städte und Gemeinden sind vielfältig, Ausgaben und Investitionen sind auf zukunftsfähige Strukturen auszurichten.
Große finanzielle Herausforderungen für Städte und Gemeinden werden etwa die thermische Sanierung und die Umrüstung von Heizsystemen in kommunalen Gebäuden und Gemeindewohnungen sein. Investitionsbedarf besteht aber auch bei der Mobilität, bei Energiesparmaßnahmen, in erneuerbare Energieträger und in Hitzeanpassungsmaßnahmen. Anpassungen braucht es auch in der Raumplanung und bei Präventionsmaßnahmen gegen Umweltkatastrophen.
Um die Klimaziele zu erreichen, werden die Städte und Gemeinden künftig daher viel Geld in die Hand nehmen müssen. Bei gegebener Mittelausstattung durch den Finanzausgleich ist jedoch zu erwarten, dass nur ein Teil der notwendigen Maßnahmen finanziert werden kann. Gemäß einer Schätzung des Umweltbundesamtes belaufen sich die notwendigen Investitionen für die Klima- und Energiewende auf rund 145 Mrd. Euro bis 2030 bzw. auf 14 bis 19 Mrd. Euro pro Jahr. Derzeit beträgt der Anteil der öffentlichen Investitionen an den gesamten Bruttoinvestitionen in etwa 10 Prozent.
Da das Datenmaterial zum Investitionsbedarf für die öffentliche Hand insgesamt und speziell für die Gemeindeebene noch sehr begrenzt ist, brauche es dringend weitere Erhebungen zu den Investitionsbedarfen, meint das KDZ.
Gefordert: Daseinsvorsorge sichern, Investitionen ermöglichen
2023 und in den Folgejahren müssen sich Städte und Gemeinden in Österreich auf einen deutlichen Einbruch ihrer Liquidität einstellen. 2023 steigen die Ausgaben doppelt so stark wie die Einnahmen, wodurch mit Liquiditätsschwierigkeiten und einem Rückgang der Investitionen zu rechnen ist.
Unter Berücksichtigung der immer umfangreicher werdenden Aufgaben der Städte und Gemeinden (z. B. Personalknappheit, Ausbau der Elementarpädagogik usw.) sowie der Dynamik der Länder-Gemeinde-Transfers und der anstehenden Investitionen in den Klimaschutz bedarf es mehr Geld, um zu planen, Projekte zum Erhalt der Daseinsvorsorge umzusetzen und zukunftsfähige Strukturen zu schaffen.
Zudem haben die Städte und Gemeinden durch die ökosoziale Steuerreform und die Abschaffung der kalten Progression geringe Einnahmen.
Neuer Verteilungsschlüssel gefordert
Der Städtebund fordert daher anlässlich der laufenden Finanzausgleichsverhandlungen eine ernsthafte Diskussion und Veränderung der vertikalen Verteilung der Finanzmittel zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, zugunsten der Städte und Gemeinden.
Die Landesfinanzreferenten haben kürzlich bei ihrer Tagung beschlossen, den Schlüssel für die vertikale Verteilung wie folgt zu ändern: 25 % (bisher 20 %) für Länder, 14,5 % (bisher 12 % für Gemeinden.
„Diesem Beschluss schließen wir uns an, denn die Städte und Gemeinden tragen mit der kommunalen Daseinsvorsorge zur tagtäglich spürbaren Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner bei und können mit ihren Investitionen wesentlich zur Erreichung der Klimaziele beitragen. Es gilt, die Finanzierbarkeit der kommunalen Daseinsvorsorge abzusichern und die Investitionsfähigkeit in klimafreundliche Infrastruktur im notwendigen Maß zu ermöglichen, um die Leistungen aufrecht erhalten zu können und Strafzahlungen zu vermeiden!“, so der Generalsekretär des Städtebundes, Thomas Weninger.