Frau mit Wasserglas
Das österreichische Trinkwasser unterliegt bereits jetzt strengen Qualitätskontrollen und ist von erstklassiger Qualität, meint man beim ÖVGW.
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EU-Trinkwasserrichtlinie: Völlig übers Ziel geschossen

28. Juni 2018
Nach Bekanntgabe der EU-Trinkwasserrichtlinie werden nach wie vor massive Auswirkungen auf österreichische Wasserversorgungs- unternehmen, drastische Kostenerhöhungen für rund 3600 kleine Wasserversorger und eine Liberalisierung durch die Hintertür befürchtet.

In Österreich gibt es rund 5500 Wasserversorgungsunternehmen. Zwei Drittel davon sind kleine Wasserversorger, die weniger als 100 Kubikmeter pro Tag zur Verfügung stellen. Eine Umsetzung der von der EU-Kommission geplanten Neuerungen der Trinkwasserrichtlinie hätte massive Auswirkungen auf die heimische Trinkwasserwirtschaft. Sie müsste mit einem unverhältnismäßig höheren Aufwand und mit Kostensteigerungen um mehr als das 70-fache rechnen. Das betrifft vor allem die Entnahme von Proben als auch den Umfang von Untersuchungen.

Im Europa-Parlament arbeitet der österreichische Abgeordnete Lukas Mandl für eine Trinkwasserrichtlinie, die nicht zulasten der österreichischen Versorger und Verbraucher geht. „Wir in Österreich haben zu diesen teuren Lösungen einfach nicht die passenden Probleme. Wir haben super Trinkwasser und eine super Versorgung“, betont Mandl.

„Trinkwasser in Österreich hat mit Recht einen guten Ruf. Wir brauchen nicht zusätzliche teure Kontrollen. Außerdem ist ein Systemfehler im Kommissionsentwurf enthalten, der verlangt, dass bei geringsten Grenzwert-Überschreitungen Alarm geschlagen wird. Wenn es ständig Alarm gibt, dann wird der Alarm sehr schnell sehr wenig ernst genommen“, erinnert Mandl, der sinnvoll bemessene Korridorwerte bevorzugen würde.

Dinhobl und Mandl
ÖVGW-Vizepräsident Franz Dinhobl und EU-Abgeordneter Lukas Mandl wollen verhindern, dass die Trinkwasserrichtlinie zulasten der Versorger und Verbraucher geht.

Mandl weist darauf hin, dass es bei der Trinkwasserversorgung um lokale und regionale Strukturen geht. „Daher ist eines der Grundprinzipien unserer Europäischen Union, nämlich das Subsidiaritäts-Prinzip, berührt. Ich freue mich daher darüber, dass mehrere Landtage die Arbeit für eine bessere Trinkwasserrichtlinie unterstützen. Es ist unschätzbar wertvoll, dass sich die Landtage an der europäischen Gesetzgebung beteiligen.“

Kostenexplosion bei kleinen Wasserversorgern

Laut einer von der Österreichischen Vereinigung für das Gas- und Wasserfach (ÖVGW) beauftragten Studie der Universität für Bodenkultur Wien würden die Untersuchungskosten bei kleinen Wasserversorgern nach Inkrafttreten der Trinkwasserrichtlinie in der von der Kommission geplanten Form von derzeit rund 250 Euro auf rund 18.000 Euro pro Jahr steigen.

„Der personelle und finanzielle Mehraufwand steht in keiner Relation zum erhofften Nutzen. Das österreichische Trinkwasser unterliegt bereits jetzt strengen Qualitätskontrollen und ist von erstklassiger Qualität. Mehr Untersuchungen bedeuten nicht eine bessere Wasserqualität. Die massiven Mehrkosten werden kleine Wasserversorger zur Aufgabe und zur Bildung von größeren Einheiten zwingen“, so Franz Dinhobl, ÖVGW-Vizepräsident und Sprecher des Wasserfachs.

Aktueller Bestand Probenahmehäufigkeiten in Innsbruck
Der aktuelle Bestand der Probenahmehäufigkeit in Innsbruck (oben) und die Entnahmehäufigkeiten laut Kommissionsvorschlag. Nach den Plänen der Trinkwasserrichtlinie müsste Innsbruck die Entnahmestellen der Proben von 95 auf 275 erhöhen. Und das, obwohl es in Innsbruck seit langem keinerlei Probleme mit der Wasserqualität gibt.

Probennahmehäufigkeiten in Innsbruck durch Kommissionsvorschlag

Auch jede Überschreitung eines Parameterwertes (Vorsorgewertes) muss nach der geplanten Revision automatisch als potenzielle Gefährdung der menschlichen Gesundheit gewertet werden. Die bisher gelebte Praxis, dass eine geringfügige Überschreitung der Vorsorgewerte – etwa bei Pestiziden – akzeptiert wird, wenn diese keine Gefahr für die Gesundheit darstellt und entsprechende Maßnahmen zur Beseitigung ergriffen werden, wäre nicht mehr möglich.

„Das zwingt die Wasserversorger bei jeder Belastung des Rohwassers sofort Aufbereitungsanlagen zu errichten. Diese Maßnahmen tragen aber weder zur Verbesserung der Grundwasserqualität, noch zur Erhöhung des Gesundheitsschutzes bei. Die erforderlichen Investitionskosten wären für zahlreiche kleine Wasserversorger existenzbedrohend. Auch die Personalkapazitäten für den Betrieb solcher Anlagen sind bei den Wenigsten vorhanden“, so Dinhobl.

Erzwungene Liberalisierung wird abgelehnt

Die ÖVGW setzt sich seit jeher für eine transparente und sachgerechte Information der Konsumentinnen und Konsumenten ein. Die konkrete Ausgestaltung sinnvoller Informationen muss jedoch auf regionale Gegebenheiten Rücksicht nehmen und den Mitgliedsstaaten nach dem Grundsatz der Subsidiarität überlassen werden.

Die im Entwurf der EU geforderten einheitlichen Informationsverpflichtungen sind einerseits zu umfangreich, andererseits würden diese einer komplexen Erklärung der Zusammenhänge und Unterschiedlichkeiten bedürfen. Denn die Rahmenbedingungen, wie etwa die Topographie des Versorgungsgebietes und die Siedlungsstruktur, sind von Land zu Land unterschiedlich und nicht vergleichbar. Ein europaweiter einfacher Vergleich der Wasserversorgung, wie von der Kommission vorgeschlagenen, ist auf diese Art nicht möglich und der erhoffte Informationsgewinn für die Öffentlichkeit erscheint mehr als fraglich.

Aufgrund der steigenden Untersuchungskosten, des vorschnellen Baus von Aufbereitungsanlagen und eines nicht nachvollziehbaren Leistungsvergleichs würde es zu einer Änderung der klein strukturierten österreichischen Trinkwasserversorgung kommen. Der Trinkwassermarkt könnte so für eine mögliche Liberalisierung vorbereitet werden. „Eine solcherart erzwungene Änderung der Struktur bietet keinerlei Nutzen für die Konsumentinnen und Konsumenten, stärkt keineswegs die Versorgungssicherheit und wird von daher von der ÖVGW vehement abgelehnt. Sollte es Versuche seitens der Kommission geben, die Branche durch die Hintertür zu liberalisieren, ist und bleibt das für uns nicht akzeptabel“, so Dinhobl.