Martin Polaschek
Martin Polaschek: „Im Vollausbau sollen in den neuen Schularten 8.000 Ausbildungsplätze geschaffen werden. Jede zusätzliche gut ausgebildete Pflegekraft zählt.“
© BKA/Andy Wenzel

Pflege

„Es wird eine völlig neue Schule geschaffen“

6. November 2022
Einstimmig hat sich der Nationalrat Mitte Oktober für eine gesetz­liche Grundlage ausgesprochen, um ein neues Angebot in der Pflegeausbildung zu schaffen. KOMMUNAL hat bei Bildungsminister Martin Polaschek nachgefragt, was die Auswirkungen für die Gemeinden sind, die vom Thema Pflege massiv betroffen sind.

Mit der gesetzlichen Grundlage für ein neues Angebot in der Pflegeausbildung werden die Schulversuche für Höhere Lehranstalten für Sozialbetreuung und Pflege und die neuen dreijährigen Fachschulen für Sozialberufe mit Pflegevorbereitung zu einem Teil des Regelschulwesens.

Zudem soll, so eine Aussendung der Parlamentskorrespondenz, Berufstätigen und Arbeitssuchenden der Einstieg in den Pflegebereich erleichtert werden. Fraktionsübergreifend herrschte in der Debatte Konsens, dass angesichts des großen Pflege­kräftemangels in Österreich eine Ausweitung der Ausbildungsmöglichkeiten notwendig ist.

Möglichkeiten der Pflegeausbildung

Mit dem Beschluss des Gesetzes werden die als Schulversuch gestarteten fünfjährigen „Höheren Lehranstalten für Sozialbetreuung und Pflege“ (HLSP) zu regulären Berufsschulen mit Maturaabschluss.

Eine weitere ­Möglichkeit der Ausbildung zur Pflege(fach)assistenz bieten zudem künftig dreijährige Fachschulen für Sozialberufe mit Pflegevorbereitung, die die bestehenden Fachschulen für Sozialberufe ergänzen.

Starten sollen die neuen Schulformen ab dem Schuljahr 2023/24. Bildungsminister Martin Polaschek betonte in seiner Stellungnahme im Plenum des Nationalrats, mit der Regierungsvorlage werde ein wichtiger Punkt der Pflegereform umgesetzt.

Der Bund steuere für die neuen Schulformen nächstes Jahr 47 Millionen Euro bei. Bis 2027 werde der Bund rund 350 Millionen Euro für die neue Pflegeausbildung investieren. Durch verpflichtende Kooperationen der neuen Höheren Lehranstalten für Sozialbetreuung und Pflege und der Fachschulen mit bewährten Einrichtungen der Gesundheitsausbildung werde das hohe Niveau in der heimischen Pflegeausbildung gewährleistet, unterstrich der Bildungsminister im Parlament. 

Herr Minister, die Pflegeausbildung an BMHS und die Pflege-Lehre sind derzeit in Begutachtung bzw. Ausarbeitung. Was sind denn die Eckpunkte und Neuerungen und was wird damit bezweckt? Wie ist der aktuelle Stand? 

Martin Polaschek: Die Schulrechtsnovelle ist ein Meilenstein in der Pflegeausbildung und wird dafür sorgen, den steigenden Bedarf an Pflegepersonal zu bewältigen. Im Bereich der berufsbildenden mittleren und höheren Schulen werden zwei neue Schularten geschaffen: einerseits die Höhere Lehranstalt für Sozialbetreuung und Pflege als fünfjährige berufsbildende höhere Schule mit Matura und einer Ausbildung in der Pflege bzw. in Sozialbetreuungsberufen und andererseits eine dreijährige Fachschule mit Pflegevorbereitung. Der Start der neuen Ausbildung ist mit dem Schuljahr 2023/24 geplant.

Wie groß schätzen Sie den Beitrag für die kommenden berufsbildenden (mittleren und vor allem höheren) Schulen für das künftige Pflegepersonal ein? 

Im Vollausbau sollen in den neuen Schularten 8.000 Ausbildungsplätze geschaffen werden. Jede zusätzliche gut ausgebildete Pflegekraft zählt. Diese Ausbildungsplätze leisten somit einen wertvollen Beitrag, um die qualitativ hochwertige Pflege in Österreich langfristig abzusichern und Altern in Würde weiterhin zu ermöglichen.

Mit der Einrichtung einer Höheren Lehranstalt für Sozialbetreuung und Pflege schaffen wir eine völlig neue und eigenständige Schulform. Kann man sich das etwa als „Pflege-HAK“ vorstellen?

Ja, es wird hier eine völlig neue Schulart geschaffen. Es war somit auch eine eigene Bestimmung im Schulorganisationsgesetz erforderlich. Die Höhere Lehranstalt für Sozialbetreuung und Pflege ist eine absolut eigenständige Schulform und nicht zu verwechseln mit einer Höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe oder einer Handelsakademie. 

Welche Rahmenbedingungen müssen eingehalten werden, damit die HLSP angeboten werden kann?

Neben der Erfüllung der allgemeinen ­Vorgaben zur Führung einer BMHS ist für diese neue Schulart zusätzlich ein Kooperationsvertrag mit einer für die Ausbildung in Pflegeassistenzberufen bewilligten Einrichtung erforderlich. Dadurch wird sichergestellt, dass sämtliche berufsrechtliche Bestimmungen des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes sowie der Pflegeassistenzberufe-Ausbildungsverordnung eingehalten werden.

Speziell die Gemeinden sind vom Thema Pflege – vor allem dem Thema „Pflege zu Hause“ – betroffen. Wie wird die Ausbildung diesen Aspekt beachten? 

Der Lehrplan der HLSP umfasst unterschiedliche Zielgruppen mit Pflegebedarf. Dadurch werden auch die Anforderungen an die Pflege im häuslichen Umfeld abgedeckt.

Wer wurde in die Entwicklung des Lehrplans eingebunden?

Die Lehrplanarbeiten erfolgten in enger Abstimmung mit Expertinnen und Experten aus dem Gesundheitsbereich. Der Lehrplan wird einem Begutachtungsverfahren unterzogen, bei dem alle Stakeholder Stellung nehmen können.

Ein anderes Thema, das die Gemeinden bewegt, ist der Lehrermangel. Wie sehr sind Klein- und Kleinstschulen in den ländlichen Gemeinden betroffen und was wird getan, um dem Mangel abzuhelfen bzw. die Lehrer dieser Schulen zu entlasten?

Eines vorweg — alle zu unterrichtenden Stunden können auch in diesem Schuljahr gehalten werden. Aber es war und ist eine Herausforderung für das Bildungsmanagement, einzelne Unterrichtsfächer und Regionen sind leider besonders betroffen. Auch das ist nichts Neues, aber es verschärft sich aufgrund der generellen Lage am Arbeitsmarkt.

Wir sehen einen enormen Trend zur Teilzeit bei Junglehrerinnen und Junglehrern. Um trotzdem den Unterricht in allen Klassen sicherstellen zu können, setzen wir auf einen breit angelegten Maßnahmenkatalog. 

Neben längerfristigen Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität des Lehrerberufs – 
auch mit einer breit angelegten Kampagne – zählen dazu derzeit vor allem die ­vermehrte Anstellung von Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern sowie von Studierenden im Lehramtsstudium oder auch der Abschluss von Sonderverträgen. 

Zur Person

Ao. Univ.-Prof. Dr. Martin Polaschek

wurde 1965 in Bruck/Mur geboren. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften habilitierte er sich im Jahr 2000 und wurde zum außerordentlichen Universitätsprofessor ernannt. Von 2003 bis 2019 war er Vizerektor für Studium und Lehre sowie Studiendirektor der Universität Graz. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Nachkriegsjustiz, Universitätsrecht und Kommunalforschung.