In Marseille versammelten sich am 3. und 4. März rund 3000 Delegierte aus den Regionen und Gemeinden Europas. Hunderte waren live zugeschalten, um die Solidaritätskundgebung für die Ukraine zu unterstützen.
© Hans Braun

Ehrenmitgliedschaft für Kiew im Ausschuss der Regionen

Ganz im Zeichen des Ukraine-Krieges – und es ist ein Krieg, kein „Konflikt“ – stand die Eröffnung des 9. Gipfeltreffens des europäischen Ausschusses der Regionen (AdR) im südfranzösischen Marseille. Die sehr emotionalen Rednerinnen und Redner der Eingangssession waren sich einig, dass in dieser Situation Europa geeint sein müsse. „Der Kampf um die Ukraine ist auch der Kampf um die Zukunft unserer Kinder, um die Zukunft der Demokratie“, wie Apostolos Tzitzikostas, Präsident des AdR in seinem Eingangsstatement meinte. Er verkündete nach einem Gespräch mit dem Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko, dass Kiew die Ehrenmitgliedschaft des AdR erhält.

Der Gipfel steht eigentlich unter ganz anderen Vorzeichen – Digitalisierung der Gemeinden Europas oder Weiterentwicklung des ländlichen Raums zum Beispiel – aber die Ereignisse in der Ukraine stellen alles in den Schatten.

Renaúd Muselier
„Es hat erst begonnen“, so Renaúd Muselier, Präsident der Region Provence-Alpes-Côte d'Azur.

Martine Vassal, Präsidentin der Metropol-Region Aix-Marseille-Provence, unterstrich es besonders drastisch: Sie sei eine Nachkommin armenischer Immigranten und das Ignorieren des Genozids im Ersten Weltkrieg habe zu einem weiteren Genozid im Zweiten Weltkrieg geführt. Und das nur, weil „damals keiner aufgestanden ist und dagegen angegangen ist“. So etwas dürfe nie wieder passieren.

Was das mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern zu tun hat?

Alles, wie Frans Timmermans, Vizepräsident der Europäischen Kommission in seinem Video-Statement sagte. „Europa darf sich nicht mehr länger von russischem Gas abhängig machen. Und dazu brauchen wir die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Und natürlich auch für die Organisation der Hilfe.“

Frans Timmermans
„Unsere Geschichte ändert sich gerade.“ Frans Timmermans, Vizepräsident der Europäischen Kommission.

Etwas, das Emil Boc, Präsident des rumänischen Gemeindebundes, Bürgermeister von Cluj-Napoca, in seiner Rede deutlich machte. Er berichtete, dass „in Rumänien derzeit 120.000 Flüchtlinge aufgenommen sind, 70.000 sind noch in Rumänien, wir müssen sie integrieren. Am wichtigsten ist, dass 18.000 der Flüchtlinge Kinder sind. Wir brauchen Hilfe, um Zugang zu Bildung und Unterstützung bei der Integration zu ermöglichen.

Emil Boc
Emil Boc, Präsident des rumänischen Gemeindebundes, bei seiner emotionalen Rede. Er hatte Briefe an mehr als 300 Bürgermeister in Russland geschrieben, wo er klarstellte, dass Europa die Menschen in Russland nicht verantwortlichen machen. „Das ist Herrn Putins Krieg!“, so Boc.

Boc ist auch überzeugt, dass der schlimmste Teil des Krieges noch nicht gekommen ist und „wir europäische Unterstützung für die nächsten Schritte brauchen. Mit der Koordination der Behörden und den Bürgern, die uns helfen, haben wir die Situation im Moment im Griff, aber wir werden in Zukunft Unterstützung durch den europäischen Notfallmechanismus brauchen. Wir müssen mit einer starken Stimme sprechen. Dies ist das erste Mal, dass Europa zeigt, wie geeint wir sind. Bürgermeister und Städte, wir müssen mit Bürgermeistern und Städten in der Ukraine in Kontakt bleiben, um ihnen die schnelle und pragmatische Unterstützung bieten zu können, die sie von uns benötigen“, so Boc.

Gemeinden wissen Bescheid

Was die Ereignisse in der Ukraine betreffen, würden Städte und Gemeinden aus eigener Geschichte wissen. „Ich komme aus der Stadt, ín der die ersten Schüsse des Zweiten Weltkriegs gefallen sind“, berichtet Aleksandra Dulkiewicz, deren Mann Pawel das Amt bis zu seiner Ermordung im Jänner 2019 innehatte. Die Bürgermeisterin von Danzig, das eine Städtepartnerschaft mit dem belagerten Mariopul in der Ukraine pflege, meinte weiters, dass besonders humanitäre Hilfe (Nahrung und medizinische Güter) notwendig seien.