digitale Straße
Früher oder später werden Sensoren wohl auch auf Landstraßen Einzug halten und den Winterdienst erleichtern. Schon jetzt gibt es Hersteller, die an Gemeinden herantreten und günstige Komplettlösungen für die Digitalisierung anpreisen. Doch dabei ist Vorsicht geboten.
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Winterdienst

Digitale Landstraße ist noch Zukunftsmusik

Beim Winterdienst auf Autobahnen spielen Sensoren und künstliche Intelligenz bereits eine entscheidende Rolle. Aber für den Einsatz in Landgemeinden ist die Technik noch nicht ausgereift genug. Der Verkehrsexperte Michael Ronald Gruber warnt vor Lockangeboten.

Für die Asfinag ist es längst Standard: Die staatlichen Autobahnen sind durchwegs mit kleinen, für die meisten Fahrer kaum ersichtlichen Sensoren im Asphalt ausgerüstet, die jeden Niederschlag und jede Temperaturveränderung messen. Dazu kommen Tausende Kameras, die das Verkehrsaufkommen präzise bestimmen.

Gemeinsam mit den Wetterinformationen meteorologischer Dienste fließen all diese Daten in einer Leitstelle zusammen, wo Fachleute sie auswerten und die notwendigen Entscheidungen treffen: Wo muss wie viel gesalzen werden, damit die Fahrbahn sicher bleibt? Wo werden bei heftigem Schneefall die Räumtrupps am dringendsten gebraucht?

Auf den Autobahnen überlässt die Digitalisierung längst nichts mehr dem Zufall. Bei Entscheidungen zum Winterdienst übernimmt zunehmend die künstliche Intelligenz. Zwar sitzen beim Schneeräumen immer noch Menschen aus Fleisch und Blut hinter den Steuerrädern der orangen Laster und Unimogs – viele andere Entscheidungen wie die Dosierung der Salzmenge werden aber zunehmend automatisiert. Das hat viele Vorteile: Ressourcen werden gespart und zielgenau eingesetzt, die Umwelt wird geschont und die Sicherheit erhöht.

Viel versprochen, wenig gehalten

Früher oder später werden solche Sensoren – ob direkt an der Fahrbahn oder als Kameras von oben – wohl auch auf Landstraßen Einzug halten und den Winterdienst erleichtern. Schon jetzt gibt es Hersteller, die gezielt an Gemeinden herantreten und günstige Komplettlösungen für die Digitalisierung der Fahrbahnen anpreisen. Doch dabei ist Vorsicht geboten: „Meist wird da viel versprochen und eher wenig gehalten“, sagt Michael Ronald Gruber, Experte für Straßenwesen an der TU Wien. Zwar gebe es einige namhafte, seriöse Anbieter. Doch deren Lösungen seien für ein Gemeindebudget in der Regel zu kostspielig. Daneben würden sich viele kleine Firmen tummeln, die den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern das Blaue vom Himmel versprechen. „Man sollte nicht auf Lockangebote hereinfallen, sondern zuerst die Meinung von unabhängigen Experten einholen“, rät Gruber.

Das eigentliche Problem sei weniger die Qualität der gemessenen Werte, sondern deren Auswertung. Am Ende würde man in der Gemeindestube vor einer Flut von unterschiedlichen Daten stehen, die schwer einzuordnen seien. Denn die Sensoren können nur messen, nicht interpretieren und schon gar keine Entscheidun­gen fällen – etwa wo der Schneepflug gerade am dringendsten gebraucht wird. Dort, wo am meisten Schnee liegt? Dort, wo die meisten Autos fahren? Oder vielleicht doch dort, wo es in den letzten zwanzig Jahren die meisten Unfälle gab?

Erfahrung lässt sich nicht ersetzen

Am Ende lässt sich die Erfahrung der alten Hasen im Gemeindeamt, die schon zwanzig oder mehr Winterdienste hinter sich haben, durch Algorithmen nicht ersetzen – allenfalls ergänzen. Der Verkehrsexperte Gruber ist aber überzeugt, dass auch das ländliche Wegenetz früher oder später von der Digitalisierung erfasst werden wird. Dazu brauche es aber noch eine ausgereiftere, bedienungsfreundlichere Technik und besseres Breitband-Internet.

„The internet of things“, wie die permanente Vernetzung der gesamten Infrastruktur in Fachkreisen gerne genannt wird, ist auf den Mobilfunkstandard 5G ausgerichtet. Und den gibt es derzeit noch nicht einmal in den großen Städten flächendeckend – geschweige denn am Land, wo man in manchen Gegenden schon froh ist, wenn man am Handy die Nachrichten lesen oder ein kurzes Mail verschicken kann.

Schulen und warten

Noch hat sich am Winter­dienst in den Gemeinden nicht allzu viel geändert. Das heißt aber nicht, dass sich nicht da oder dort allerhand verbessern lässt. Das betrifft zum Beispiel die Wahl des Auftaumittels. Gruber rät nachdrücklich zur Verwendung von Feuchtsalz – und zwar sowohl beim präventiven Streuen als auch beim eigentlichen Enteisen. Denn die Flüssigkeit haftet besser am Boden und kann schwerer vom Wind oder fahrenden Autos verweht werden. Das erhöht die Sicherheit und spart Ressourcen, weil seltener nachgesalzen werden muss.

Der Experte hat noch zwei Ratschläge für Bürgermeisterinnen und Bürgermeister parat. Erstens: „Das Personal muss gut geschult werden.“ Auch erfahrenen Winterdienstlern schadet ein wenig Theorie nicht, etwa wenn es um die präzise Dosierung des Salzes geht. Abhängig von den Verhältnissen sollten zwischen 5 und 40 Gramm pro Quadratmeter aufgetragen werden. Die Feinabstimmung ist oft eine Wissenschaft für sich – das Prinzip Auge mal Pi ist hier nicht angebracht.

Und zweitens: Überprüfen Sie Ihren Winterdienst-Fuhrpark. Je moderner und besser gewartet die Maschinen sind, desto exakter kann geräumt und gestreut werden. Das spart Kosten, erhöht die Sicherheit und schont die Umwelt.

Das rät der Verkehrsexperte

  • Lockangebote. Vorsicht bei allzu verlockenden Angeboten. Wenn Sie auf Digitalisierung setzen wollen, holen Sie unabhängige Experten ins Boot.

  • Verbesserung. Eine gute Nachschulung des Personals sowie die Wartung und gegebenenfalls Erneuerung der Geräte kann helfen, Kosten zu senken.

Dieser Beitrag ist erstmals in der Winterdienst-Ausgabe der „Bürgermeister Zeitung“ erschienen. Die „Bürgermeister Zeitung“ ist das Magazin für kommunale Entscheider. Jede Ausgabe bereitet ein nachhaltiges Thema umfassend und verständlich auf. 
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