Carlo Ratti
Carlo Ratti, Direktor des Senseable City Lab im Massachusetts Institute of Technology (MIT) sprach über die rasche Veränderung der Bedürfnisse durch die Digitalisierung in vielen Lebensbereichen.
© Event-Fotograf/Gemeindebund

Die Macht der Vernetzung

12. September 2019
Der zweite Tag der Kommunalen Sommergespräche in Bad Aussee startete mit dem Impulsvortrag des Gastes mit der wohl weitesten Anreise – Carlo Ratti, Direktor des Senseable City Lab im Massachusetts Institute of Technology (MIT). In seinem Vortrag ging der Italiener auf die rasche Veränderung der Bedürfnisse durch die Digitalisierung in vielen Lebensbereichen ein, indem er an Hand von Beispielen aus den Bereichen Verkehr, Mobilität, Architektur, Umwelt und Klima eine Reise in die Zukunft unternahm, die mancherorts längst begonnen hat.

Konkret sprach Carlo Ratti von “shareability of networks”, mittels derer viele Prozesse wie gleiche Verkehrswege (beleuchtet u. a. am Verkehrsverhalten in New York) und das Kommunikationsverhalten via Internet (ausgewertet anhand des Verhaltens der User an den WLAN-Zonen am MIS-Gelände) effizienter genutzt werden können.

Auto als Sensorenplattform für Datengewinnung

Einen Schwerpunkt des Senseable City Lab am MIT unter der Leitung von Carlo Ratti bilden die Forschungsprojekte im Bereich des autonomen Fahrens.

In New York hat ein Forschungsprojekt zum Thema Intelligente Stadt des MIT ergeben, dass Taxifahrten durch den Einsatz von autonomen Autos eine viel effizientere und kontinuierlichere Nutzung ermöglichen würden.

“Dazu kommt, dass man mit Hilfe der Sensoren, die über das Mobiltelefon übertragen werden, auch eine Menge an Daten zu Straßennutzung, Bremsvorgängen, Unfallprognosen oder sogar zur meteorologischen Entwicklung bzw. zum Klimawandel  erfahren kann. Das ist übrigens nicht nur eine Idee für die große Stadt, sondern hat vor allem in kleinen Gemeinden eine große Auswirkung”, macht Ratti den Gemeindevertretern Mut.

Brückensanierung durch Einsatz intelligenter Sensoren

Anhand eines weiteren Forschungsprojektes im Bereich der Bauinfrastruktur ging Ratti auf den Einsatz Intelligenter Systeme (Sensoren) für die Überwachung von Brücken ein.

"Klassische Inspektion von Brücken ist nicht nur zeit-, sondern auch kostenintensiv. Durch den Einsatz von  Sensoren können wir diese teuren und langwierigen Verfahren künftig durch Schwingungsinformationen intelligent beobachten und rechtzeitig Brückeneinstürzen vorbeugen bzw. Sanierungsarbeiten einleiten”, berichtet Ratti von einem weiteren Forschungsprojekt.

Potenzial durch intelligente Parkraumbewirtschaftung

Ein enormes Effizienzpotenzial sieht Carlo Ratti künftig im Bereich der intelligenten Parkraum-, Immobilien- und Verkehrsnutzung. “Derzeit parken unsere Autos 95 Prozent der Zeit. Nur 5 Prozent der Zeit nutzen wir unsere Autos – noch dazu meist nur alleine und nicht effizient mit fünf Personen. Das birgt große Potenziale auch für die Gemeinden, konkret bei der Errichtung von Parkplätzen beispielsweise bei Bahnhöfen etc.”, so Ratti.

Auch autonomes Fahren am Fluss wird ein Thema

Neben den Forschungen im Bereich der Straße, dem Verkehr und der Immobilien befasst sich Carlo Ratti auch mit Untersuchungen am Wasser.

“Auch auf Flüssen bzw. Kanälen, wie beispielsweise in Amsterdam, haben wir durch intelligenten Drohneneinsatz autonomer Boote auf dem Wasser erforscht, wie Menschen künftig transportiert, Müll aus dem Wasser entfernt oder auch Daten durch die Beschaffenheit von Böden für Versicherungen erhoben werden können”, sagt der Direktor des MIT.

Generell sei für die künftigen Infrastrukturplanungen und -entwicklungen ratsam: “Wir sollten bei unseren künftigen Projekte darauf abzielen, für die nächsten 50 bis 100 Jahre zu planen. Der Zeithorizont muss ein anderer werden. Wir sollten uns davon verabschieden, Dinge, die in 20 Jahren unbrauchbar sind, überhaupt anzudenken”, empfiehlt der Experte.