Blick auf Linz
Die regionale Verteilung der Wahlberechtigten in Oberösterreich folgt einem Muster, das auch in anderen Bundesländern oder im Bund zu finden ist: Mit Linz (Bild) gibt eine große Stadt und mit erheblichem Abstand einige wenige mittelgroße Städte und Gemeinden. Die übrige Bevölkerung wohnt in der überwiegenden Zahl kleiner Gemeinden.
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Die Landtagswahl in Oberösterreich

Am 26. September 2021 wählte Oberösterreich nach sechs Jahren den Landtag neu. Wie unterschieden sich die Ergebnisse von Stadt und Land? Und wie wirkte sich der Impfstatus einer Region aus?

Die Wahl konnte die ÖVP mit 37,6 Prozent und einem Plus von 1,24 Prozentpunkten für sich entscheiden. Auf dem zweiten Platz landete erneut die FPÖ, die allerdings 10,6 Prozentpunkte einbüßte und knapp unter 20 Prozent (19,77) zum Liegen kam. Dass sie in der Reihung nicht weiter abrutschte, verdankte sie gleichsam der SPÖ, die nur 0,21 Prozentpunkte auf 18,6 Prozent zulegen konnte. In absoluten Zahlen erhielt sie aufgrund einer gesunkenen Wahlbeteiligung (76,3 Prozent gegenüber 81,6 Prozent 2015) sogar weniger Stimmen als vor sechs Jahren – was auch für die ÖVP galt.

Nur die Grünen (plus zwei Prozentpunkte auf 12,3 Prozent) und die NEOS (plus 0,76 Prozentpunkte auf 4,2 Prozent) verbuchten absolut wie prozentuell Zugewinne. In letzterem Fall sicherte dies den Einzug in den Landtag, den die NEOS vor sechs Jahren noch verpasst hatten. Ein großer Gewinner der Wahl war die erstmals antretende Liste MFG (Menschen, Freiheit, Grundrechte), die auf 6,2 Prozent kam.

In Mandaten bedeutet dieses Ergebnis, dass die ÖVP nun 22 der 56 Sitze hält (plus eins), die FPÖ elf (minus sieben), die SPÖ elf (+/- 0) und die Grünen sieben (plus eins). Die NEOS ziehen mit zwei MandatarInnen in den Landtag ein, MFG mit drei.

Aufgrund des oberösterreichischen Proporzsystems hat das Ergebnis unmittelbare Konsequenzen für die Zusammensetzung der Landesregierung: Alle Parteien erhalten ab einer bestimmten Mandatszahl Sitze in der Landesregierung. Klar ist bereits, dass die FPÖ zumindest einen ihrer bisherigen Plätze verlieren wird. Mögliche weitere Verschiebungen hängen davon ab, ob die ÖVP den – separat vom Landtag zu wählenden – Landeshauptmann auf ihre Zahl an Regierungssitzen anrechnet oder nicht.

Ergebnisse zwischen Stadt und Land

Die regionale Verteilung der Wahlberechtigten in Oberösterreich folgt einem Muster, das auch in anderen Bundesländern oder im Bund zu finden ist: Es gibt eine große Stadt und mit erheblichem Abstand einige wenige mittelgroße Städte und Gemeinden. Die übrige Bevölkerung wohnt in der überwiegenden Zahl kleiner Gemeinden.

Die große Stadt ist im konkreten Fall Linz, in der gut zwölf Prozent aller Wahlberechtigten leben. Wels, Steyr und Leonding zählen noch über 20.000 Wahlberechtigte (in Summe knapp acht Prozent), die restlichen 80 Prozent der Wahlberechtigten verteilen sich auf 434 (wesentlich) kleinere Gemeinden.

Das Bundesland eignet sich besonders gut für eine Analyse der Ergebnisse auf Gemeindeebene: Aufgrund des Wahlrechts müssen Wahlkarten (die „Briefwahl“) spätestens bis zum Wahlschluss in der jeweiligen Wohnsitzgemeinde eintreffen. Sie werden dann gemeinsam mit der Urnenwahl in den zuständigen Sprengeln ausgezählt. Die Gemeindeergebnisse enthalten damit, anders als bei vielen anderen Wahlen, bereits die Briefwahlstimmen und ein komplettes Resultat.

Das ist aufgrund der in den vergangenen Jahren stark gewachsenen Zahl an beantragten Wahlkarten relevant. 2021 wurden 241.033 Wahlkarten beantragt, was mehr als 20 Prozent aller Wahlberechtigten und praktisch einer Verdoppelung von 2015 entsprach.

Legt man die sehr vereinfachende Annahme „weniger Wahlberechtigte = ländlichere Gemeinde“ an, landet man bei einem bekannten Bild: Die ÖVP gewann deutlich mehr Stimmenanteile in Gemeinden mit weniger Wahlberechtigten, SPÖ, Grüne und NEOS punkteten umgekehrt eher in größeren Gemeinden und Städten. Für FPÖ und MFG ist der Unterschied weniger deutlich. Nimmt man Linz als größenmäßigen Ausreißer aus der Analyse heraus, bleibt der grundlegende Trend bestehen.

Wahlergebnis nach Zahl der Wahlberechtigten

Wahlergebnis nach Zahl der Wahlberechtigten
Die x-Achse zeigt logarithmisch die Zahl der Wahlberechtigten, die y-Achse den Stimmenanteil der Parteien. Die Linie steht für den linearen Trend – steigt sie, dann erhielt die Partei mit zunehmender Zahl der Wahlberechtigten tendenziell mehr Stimmen, sinkt sie, war die Partei in kleineren Gemeinden erfolgreicher. Quelle: Eigene Darstellung, Land Oberösterreich.

Die ausschließliche Einteilung nach Gemeindegröße ist kein idealer Indikator, ob eine Gemeinde ländlich oder städtisch ist. Seitens der Statistik Austria gibt es die – an dieser Stelle schon mehrfach – verwendete Zuordnung des Urbanisierungsgrads an Gemeinden. Sie folgt der Stadt-Land-Typologie der Europäischen Kommission. Die Klassifizierung zieht die Bevölkerungsdichte pro Quadratkilometer als zentrales Unterscheidungsmerkmal heran. Sie weist überwiegend ländliche (dünn besiedelte), intermediäre (mitteldicht besiedelte) und überwiegend städtische (dicht besiedelte) Gemeinden aus (für einen gesamtösterreichischen Überblick siehe https://www.drawingdata.net/adl_stadt_land/adl_stadt-land.png). Linz ist in diesem Schema städtisch, Wels, Steyr und 72 andere Gemeinden in Oberösterreich intermediär und die übrigen 363 Gemeinden gelten als ländlich.

Gruppiert man die Ergebnisse der Parteien entsprechend, dann sieht man deutlich, wie stark die ÖVP am so genannten Land auch 2021 war. Sie übertraf ihr Gesamtergebnis um fast fünf Prozentpunkte, die Kluft zwischen dem Resultat der Partei in Linz und jenem in allen ländlichen Gemeinden betrug 15 Prozentpunkte. Auch die FPÖ und MFG waren am Land stärker, gemeinsam mit der ÖVP kommen sie gemeinsam auf fast 70 Prozent der gültigen Stimmen.

SPÖ, Grüne und NEOS waren umgekehrt im städtischen Bereich erfolgreicher, in Linz hatten sie zusammen eine absolute Mehrheit. Insbesondere bei den Grünen brachen die Ergebnisse außerhalb der Stadt jedoch deutlich ein. Kam die Partei in der Landeshauptstadt auf fast 19 Prozent, landete sie im ländlichen Raum bei 10,5 Prozent.

Das drückt sich auch in der Zusammensetzung der Ergebnisse aus: Insgesamt kam rund jede zehnte gültige Stimme aus Linz, zum Grünen-Ergebnis trug das Stadtresultat aber rund 16 Prozent bei. Zum Vergleich: Bei der ÖVP machte der Linz-Anteil am Gesamtergebnis nur rund sieben Prozent aus (siehe auch https://www.drawingdata.net/ooe_bezirke2021/). Eine Rolle für diese Verteilung spielt zudem die unterschiedliche Wahlbeteiligung: Betrug sie in Linz nur 63,7 Prozent, lag sie in ländlichen Gemeinden bei 81,8 Prozent.

Ergebnis der Landtagswahl nach städtischen, intermediären und ländlichen Gemeinden

Ergebnis der Landtagswahl nach städtischen, intermediären und ländlichen Gemeinden
Die Balken zeigen die Parteiergebnisse in städtischen (=Linz), intermediären und ländlichen Gemeinden.
Quelle: Eigene Berechnung, Land Oberösterreich, Statistik Austria.

Mit der Urban-Rural-Typologie der Statistik Austria gibt es eine noch feingliedrigere Einteilung der Gemeinden, sie bildet in den zwei Überkategorien „städtisch“ und „ländlich“ drei sowie acht Unterkategorien. Linz bleibt als einziges „urbanes Großzentrum“ übrig, dazu kommen aber 20 urbane Mittel- und zwölf urbane Kleinzentren, die insbesondere im Umfeld von Linz, Wels und zwischen Gmunden und Attnang-Puchheim liegen.

Gemeinden nach Urban-Rural-Typologie der Statistik Austria

Gemeinden nach Urban-Rural-Typologie der Statistik Austria
Die Kategorien 101, 102 und 103 gelten als „städtisch“, der Rest sind „ländliche“ Gebiete.
Quelle: Eigene Darstellung, Statistik Austria.

Eine Auswertung des Ergebnisses nach dieser Einteilung zeigt nochmals die Sonderstellung von Linz für fast alle Parteien. Bei den Grünen und – weniger deutlich – bei ÖVP und SPÖ fallen die Ergebnisse in den beiden weiteren städtischen und den ersten ländlichen Kategorien („regionale Zentren“, „ländlicher Raum im Umland von Zentren“) ähnlich aus, bevor sich die Ergebnisse nochmals stärker in Richtung der oben gezeigten simpleren Stadt-Land-Gegenüberstellung verändern.

Ergebnis der Landtagswahl nach der Urban-Rural-Typologie der Statistik Austria

Ergebnis der Landtagswahl nach der Urban-Rural-Typologie der Statistik Austria
Die Balken zeigen die Parteiergebnisse in den Gemeinden nach der Urban-Rural-Typologie der Statistik Austria. Die drei ersten Balken entsprechen den städtischen, die weiteren Balken den ländlichen Kategorien.
Quelle: Eigene Berechnung, Land Oberösterreich, Statistik Austria.

Impfstatus als Wahlmotiv

Der Landtagseinzug von MFG als fünftstärkster Partei ist untrennbar mit dem Thema Corona verbunden. Die Partei hat sich sehr kritisch bis ablehnend zur Impfung gegen das Virus (und gegen zahlreiche andere Maßnahmen der Pandemiebekämpfung) positioniert. In der ORF-Wahltagsbefragung zur Landtagswahl, durchgeführt von ISA und SORA, wies die Partei zu wenig Fälle auf, um belastbare Aussagen über Themenpräferenzen und Motive zu machen, in der Tendenz spiegeln die vorhandenen Daten aber diesen extremen Fokus wider.

Entsprechend lohnt ein Blick auf die Ergebnisse der Partei je nach Impfrate der Gemeinden. Der erwartete Zusammenhang ist offensichtlich: MFG erzielte ihre besten Ergebnisse tendenziell in Gemeinden mit geringerer Impfrate.

Stimmenanteil MFG und Rate der gegen Corona voll Geimpften pro Gemeinde

Stimmenanteil MFG und Rate der gegen Corona voll Geimpften pro Gemeinde
Die x-Achse zeigt den Anteil der vollimmunisierten Bevölkerung, Stand 25. September 2021.
Quelle: Eigene Darstellung, Land Oberösterreich, BMSGPK.

Diese Auswertung ist nicht ohne Probleme.

  • Sie geht erstens davon aus, dass das Thema Impfen ein, wenn nicht der, ausschlaggebender Grund für die Wahlentscheidung war.
  • Zweitens werden Wohn- und wahlberechtigte Bevölkerung verglichen, da beim Impfstatus nicht zwischen den beiden Gruppen unterschieden wird.
  • Drittens kommen so genannte Aggregatdaten zum Einsatz. Das heißt, dass keine Informationen zu einzelnen Wählerinnen und Wählern vorliegen, sondern man zusammengefasste Daten – im konkreten Fall eben nach Gemeinden – heranzieht.

Damit ist es statistisch nicht möglich, auf das Verhalten einzelner Wählerinnen oder Wähler zu schließen, theoretisch könnte MFG auch ausschließlich von geimpften Personen gewählt worden sein. Aufgrund der Selbstpositionierung der Partei erscheint der Zusammenhang aber plausibel.

Bei den anderen Parteien zeigt sich ebenfalls ein teils deutlicher Trend nach Impfrate und Stimmenanteil. Vor allem bei der FPÖ ist er ähnlich negativ wie bei MFG, aber auch bei der ÖVP sinkt der Stimmenanteil mit steigender Immunisierungsrate. Bei SPÖ, Grünen und NEOS ist es umgekehrt. Allerdings haben diese Parteien ihre Haltung zum Impfen nicht vergleichbar in den Vordergrund gerückt, einen direkten Einfluss dieses Themas abzuleiten ist damit weniger naheliegend (der Fall der FPÖ wäre hier gesondert zu diskutieren).

Gemeinderatswahl – eine andere Wahl?

Nicht nur der Landtag, sondern auch die Gemeinderäte und die BürgermeisterInnen wurden Ende September in Oberösterreich neu gewählt. Dabei waren um rund 90.000 Menschen mehr wahlberechtigt als bei der Landtagswahl, da auf Gemeindeebene auch EU-BürgerInnen mit einem Hauptwohnsitz in Oberösterreich abstimmen dürfen.

Die Zahl der kandidierenden Listen schwankte zwischen den Gemeinden stark: In Linz standen elf Gruppierungen zur Wahl, in St. Radegund, Pierbach, Schwarzenberg am Böhmerwald und Manning nur eine. Im Mittel konnten die Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher zwischen drei Listen wählen, besonders wenige waren es in ländlichen Gebieten. Es ist schlüssig, dass in großen Städten mehr Listen aufeinandertreffen als in kleinen Gemeinden, in denen das Zusammenleben übersichtlicher ist. Eine mangelnde Wahlmöglichkeit durch ein beschränktes Angebot ist aus demokratiepolitischer Sicht in jedem Fall kritisch zu sehen.

Ein Gesamtergebnis der Gemeinderatswahl ist aufgrund vieler lokaler Listen immer eine Vereinfachung der tatsächlichen Stärkeverhältnisse. Folgt man der offiziellen Zählweise des Landes, dann konnten ebenso ÖVP (4.525 Mandate, plus 0,57 Prozentpunkte) und Grüne (532 Mandate, plus zwei Prozentpunkte) sowie NEOS (35 Mandate, plus 0,18 Prozentpunkte) zulegen, FPÖ (1.432 Mandate, minus 5,3 Prozentpunkte) und SPÖ (2.164 Mandate, minus 0,51 Prozentpunkte) verloren an Boden. Die Liste MFG erreichte 1,3 Prozent und damit insgesamt 44 Gemeinderatssitze.

Durch die Gleichzeitigkeit drängt sich die Frage auf, wie Parteien in den einzelnen Gemeinden bei den unterschiedlichen Wahlen abgeschnitten haben. Oder allgemeiner ausgedrückt: Wählen Menschen bei Wahlen auf verschiedenen politischen Ebenen die gleichen oder andere Parteien? Dieses Phänomen ist in der Politikwissenschaft als „split ticket voting“ bekannt, sein Ausmaß schwankt von Fall zu Fall.

Allerdings sind die Rahmenbedingungen für einen solchen Vergleich erschwert, das Listenangebot war zu unterschiedlich. So trat zwar die ÖVP mit zwei Ausnahmen in allen Gemeinden an, bereits die SPÖ kandidierte aber in 50 Gemeinden nicht. Die FPÖ ließ 68 Gemeinden aus, die Grünen 289 und NEOS und MFG über 400 Gemeinden. Damit wurde vielerorts bereits dadurch ein Parteiwechsel erzwungen, dass man die auf Landesebene gewählte Liste gar nicht am Stimmzettel vorfand.

Beschränkt man sich auf Gemeinden, in denen alle sechs nun im Landtag vertretenen Parteien kandidierten, bleiben nur sechs Vergleichsfälle übrig: Linz, Steyr, Wels, Leonding, Ried im Innkreis und Vöcklabruck. Die sonstigen (nicht) kandidierenden Listen werden in der Auswahl nicht berücksichtigt.

Im Vergleich zeigen sich mehrere Dinge:

  • Erstens war die Wahlbeteiligung bei der Landtagswahl in allen sechs Fällen um rund vier bis gut sieben Prozentpunkte höher.
  • Zweitens schnitten alle Parteien auf Landesebene fast durchgehend besser ab als auf Gemeindeebene, die SPÖ ausschließlich schlechter. Nennenswerte Ausnahme war Wels (wo ein FPÖ-Bürgermeister amtierte), dort erzielte die FPÖ bei der Gemeinderatswahl fast 46 Prozent, bei der Landtagswahl aber nur rund 26 Prozent. GRÜNE und NEOS erreichten in je einer Gemeinde nicht ihr Landesergebnis, die Abweichung betrug aber jeweils weniger als einen Prozentpunkt (oder sechs sowie 43 Stimmen). Ähnlich gering waren die Abweichungen bei MFG, wobei diese Liste auf Landesebene jeweils einen marginal höheren Stimmenanteil erzielte.

Auch hier gilt: Die verwendeten Zahlen sind Aggregatdaten, man kann daher nicht sagen, dass die Parteien ihre Stimmen auf Landes- und Gemeindeeben von denselben Wählern bekommen haben. Eine gewisse Überschneidung scheint aber naheliegend.