Jugendliche
Beim "Wählen mit 16" ist Österreich immer noch ein Vorreiterland in Europa.
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„Die Jugend braucht ein eigenes Budget“

9. Oktober 2019
Die Präsidentin des Europäischen Jugendforums, die Österreicherin Carina Autengruber, erklärt, was junge Menschen an ihre Gemeinde bindet und wie die Abwanderung der Jungen dadurch gedrosselt werden könnte.

Die Österreicherin Carina Autengruber ist seit Jahresbeginn die neue Präsidentin des Europäischen Jugendforums. Im KOMMUNAL-Interview erklärt sie die Rolle dieser Plattform der nationalen Jugendvertretungen und internationalen NGO Jugendorganisationen in Europa und spricht vom Supranationalen und Kommunalen. 

Kommunal: Frau Autengruber, was macht das Europäische Jugendforum?
Carina Autengruber: Es leistet Vertretungsarbeit im Namen aller europäischen Jugendlichen. 

Und wie finanziert es sich?

Den größten Teil der Förderungen erhalten wir von der Europäischen Kommission, Teile auch vom Europäischen Parlament. Wir bekommen weiters eine Förderung vom Europarat. Unsere Mitgliedsorganisationen zahlen eine jährliche Mitgliedsgebühr, und dann gibt es noch projektbasiertes Funding, wie  z. B. eine Kooperation mit dem UNHCR in Flüchtlingsprojekten. Wir hatten aber auch eine Person mit Google-Fellowship, oder Kooperationen  mit Microsoft. 

Kurz gesagt: Unsere Mitgliedsorganisationen zahlen Mitgliedsgebühren, aber das Jugendforum wird auch von den europäischen Institutionen unterstützt.

Das Europäische Jugendforum wird vom Europarat, der UNO und der EU anerkannt. Was bringt das?

Formal nichts, aber aus moralischer Perspektive sind wir  die erste Ansprechorgansation, wenn es um jugendpolitische Themen geht. Daher ist diese Anerkennung als Organisation, die die Interessen der Jugend vertritt schon wichtig.

Sie sind selbst 29 Jahre alt. Wie lange ist man jugendlich bzw. bis wohin reicht Ihre Interessensvertretung?

Es gibt in den verschiedenen Ländern und Institutionen unterschiedliche Altersdefinitionen. In Österreich ist es gesetzlich bis 30 Jahre, in meiner Organisation bis 35 Jahre. Auf UN-Ebene wiederum geht es beispielsweise bis 24 Jahre. 

Die Definition, die wir üblicherweise verwenden, ist der Übergang zwischen Kindheit und Erwachsenwerden und verschiebt sich immer weiter nach hinten. Weil man mit dem Studium später anfängt, oder weil es einfach  zu teuer ist, eine eigene Wohnung zu finden und  man länger bei den Eltern wohnt. Da gibt es viele Einflussfaktoren. 

Was können Gemeinden tun um, die jungen Leute im Ort zu halten?

Ich komme selbst aus St. Oswald bei Haslach, einer kleinen Gemeinde mit 500 EinwohnerInnen im Bezirk Rohrbach in Oberösterreich.

Es ist besonders wichtig, dass man auch junge Menschen in die Angelegenheiten der Gemeinde oder  in politische Prozesse auf lokaler Ebene miteinbezieht. Einerseits schafft man dadurch ein politisches Verständnis, was eine Gemeinde tun kann, aber auch was eine Gemeinde nicht tun kann; wo Verantwortungen enden, wo der Bund oder das Land gefragt sind, Veränderungen zu bringen.

Da gibt es ganz konkrete Beispiele wie das aussehen kann. Eines könnte etwa sein, dass man ein partizipatives Budget für Jugend schafft, bei dem man dann auch junge Menschen mitentscheiden lässt. Soll die Gemeinde in einen Parkplatz investieren oder beauftragt man das lokale Busunternehmen drei mal am Tag in die nächste Gemeinde zu fahren, wo es vielleicht einen Supermarkt gibt? Oder Ähnliches.

Junge Menschen sollen bei solchen Themen auch mitreden können, damit man mitbekommt, was wichtige Themen sind, die junge Menschen betreffen. Die Jugendlichen, die da mitbestimmen dürften, würden dann bei einem Treffen entscheiden. 

Sie sprechen nicht von Jungpolitikern sondern von der Bevölkerung?

Genau. Man könnte einen Ausschuss einrichten, der beispielsweise aus drei gewählten GemeinderätInnen, einer Person von der Gemeindeverwaltung, aus RepräsentantInnen von Jugendorganisationen, Multiplikatoren aus der Schule, und ein paar individuellen jungen Menschen zusammengesetzt ist - um ein bisschen Diversität zu haben.

Carina Autengruber
Carina Autengruber vertritt als Präsidentin des Europäischen Jugendforums die Interessen von Jugendorganisationen aus ganz Europa.

Ideal wäre es natürlich, wenn so etwas regelmäßig stattfindet. Nicht nur einmal  im Jahr, sondern vielleicht drei- oder viermal, sodass eine richtige Struktur dahinter erkennbar wird. Die jungen Menschen werden merken, dass sie sich darauf verlassen können, und gleichzeitig miterleben, dass die Dinge, die sie mitentschieden haben, auch tatsächlich passieren. Sie erfahren, dass sie ihren Heimatort aktiv verändern und verbessern können, anstatt den Status quo entweder zu akzeptieren oder wegzuziehen.   

Welche Botschaft haben Sie an Österreichs Bürgermeister?

Ich denke, dass gerade auch Gemeinden das Potenzial viel mehr nützen sollten, neue Politiken auszuprobieren. Im Kleinen kann man oft auch rasch die direkte Wirkung sehen. Mir fällt da das Beispiel „Wählen ab 16“ ein. Da ist Österreich noch immer ein Vorreiterland in Europa, wie auch weltweit. Zuerst wurde das in Wien umgesetzt.

Natürlich ist Wien zwar alles andere als eine kleine Gemeinde, aber selbst in diesem Fall hat man kleinere Entitäten verwendet, um Politikprozesse zu testen, zu untersuchen und zu schauen, ob sie funktionieren. Ich würde mir wünschen, dass Gemeinden in dieser Hinsicht noch viel mehr tun, um Beteiligungsprozesse für junge Menschen auszuprobieren.