Großer Besprechungsraum voller Kommunalpolitikern
In ausführlichen Hintergrundgesprächen erklärten Experten die aktuelle Förderpolitik.
Foto: European Union/Fred Guerdin

Die Europäische Woche der Städte und Regionen

EU-Förderungen kommen nicht von alleine. Man muss sie beantragen. Die Österreicher wissen das, und schöpfen die vorhandenen Mittel bislang gut ab.

Mitte Oktober fand in Brüssel die bereits fünfzehnte, alljährliche Europäische Woche der Städte und Regionen statt. Rund 6000 Vertreter aus ganz Europa, hauptsächlich Beamte der kommunalen und regionalen Ebene, trafen dabei zusammen, um sich über die aktuellen Herausforderungen der Regionalpolitik auszutauschen. Die drei Schwerpunkte lagen dabei auf dem Fokus witschaftlicher und sozialer Auswirkungen der Globalisierung, weiters im Erfahrungsaustausch um durch Best-Practice-Beispiele von einander zu lernen sowie einer Standortbestimmung und Reflektion der EU-Regionalpolitik aus Sicht der Regionen, um mögliche Adaptionen für die nächsten fünf bis zehn Jahre zu identifizieren.

„Tage der offenen Tür“ des Ausschusses der Regionen



Die European Week of Cities and Regions umfasst über hundert Workshops, Debatten, Ausstellungen und Networking-Veranstaltungen. Sie trägt auch den Beinamen „Open Days“, denn sie stellt gleichzeitig „Tage der offenen Tür“ des Ausschusses der Regionen, in Brüssel ansässiger Vertretungsbüros lokaler und regionaler Gebietskörperschaften bei der europäischen Union, und mittlerweile auch der Europäischen Kommision sowie anderer Inetressensträger dar.

Die Kohäsionspolitik der EU aus österreichischer Sicht



Die EU nutzt die Großveranstaltung traditionell, um Einblick in ihre Arbeit zu geben und über ihre Leistungen zu berichten.KOMMUNAL hat sich die Kohäsionspolitik der EU aus österreichischer Sicht näher angesehen und mit Experten der europäischen Struktur- und Investitionsfonds gesprochen.



Die Köhäsionspolitik ist jene Politik, die für den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt in Europa sorgen soll. Sie steht hinter den hunderttausenden Projekten, die Mittel aus den europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESI) erhalten. Ihr Haushalt läuft jeweils über einen Zeitraum von sechs Jahren. Unabhängige Experten haben die letzte abgeschlossene Haushaltsperiode 2007-2013 evaluiert und nun Ergebnisse vorgelegt.



Generell gilt, dass jeder Euro der Investitionen durch die Kohäsionspolitik bis 2023 mit rund zusätzlichen 2,74 Euro zum BIP beitragen wird. Die 346,5 Milliarden Euro, die zwischen 2007 und 2013 investiert wurden, bewirken folglich eine Steigerung der EU-weiten BIPs von knapp einer Billion Euro. Die EU-Investitionen sind für manche Staaten eine zentrale Finanzierungsquelle. An der Spitze liegt hierbei Ungarn. Über 57 Prozent aller öffentlichen Investitionen wurden

bei unseren östlichen Nachbarn durch die EU kofianziert und so oftmals überhaupt erst möglich gemacht. Österreich rangiert in diesem Vergleich ziemlich am anderen Ende der Skala mit einer Unterstützung von nur 0,7 Prozent aller staatlichen Investitionen.



Das klingt nach nicht viel. Die absoluten Zahlen sprechen allerdings eine deutlichere Sprache. In den sechs Jahren wurden 646 Millionen Euro durch die Europäischen Regionalentwicklungsfonds in Österreich investiert, hauptsächlich in den Bereichen Forschung und Entwicklung sowie bei der Unterstützung von Unternehmen.

11.000 Jobs geschaffen



Rund 11.000 Jobs konnten geschaffen werden, von denen sich 879 in der Forschung befinden. Weiters wurden 76 Start-ups unterstützt. 428 Forschungsprojekte wurden kofinanziert sowie 60 Kooperationen zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen auf die Beine gestellt.Der Output durch geförderte Projekte auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien beträgt zusätzliche 111 Megawatt.



Mit 454 Milliarden Euro für den aktuellen Haushalt im Zeitraum 2014–2020 sind die ESI-Fonds auch jetzt das wichtigste investitionspolitische Instrument der EU. Durch vier nationale Programme wurden Österreich daraus 4,92 Milliarden Euro zugewiesen. Gemeinsam mit einem nationalen Beitrag in der Höhe von 5,73 Milliarden Euro verfügt Österreich über einen Gesamthaushalt von 10,65 Milliarden Euro, die in die Bereiche Innovation, Forschung und technische Entwicklung, Erhaltung und Schutz der Umwelt sowie Förderung nachhaltiger und hochwertiger Beschäftigung, sozialer Inklusion und Bildung fließen.

Bei Fonds ist Österreich ein Sonderfall



Eine Besonderheit stellt die Dotierung der Fördertopfe dar. Normalerweise besitzt der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) den größten Anteil.am Fördervolumen eines Landes. Im Falle Österreichs ist es jedoch der Fonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER). Verglichen mit anderen Ländern bekommt Österreich angesichts dessen, dass es ein kleines und reiches Land ist, immer noch verhältnismäßig viel. Das hat zwei Gründe: Zum einen ist es abgesehen von Wien ländlich geprägt und zum anderen, konstatieren die EU-Verantwortlichen, hat Österreich bei seinem Beitritt zur EU sehr gut verhandelt. Davon profitiert es bis heute.

Österreicher holen sich, was ihnen zusteht



Und noch etwas scheint den zuständigen EU-Beamten erwähnenswert. Die Österreicher sind sehr gut darin, die verfügbaren Mittel auch auszuschöpfen. Die Gelder werden zu annähernd hundert Prozent abgeholt, und das ist gut so, denn das Geld, das liegen bleibt, wandert zurück in das allgemeine EU-Budget und ist für das Land verloren. Dabei gilt es auch die Jahrestranchen zu berücksichtigen. Die Haushaltssumme der Sechsjahresperiode kann nämlich nicht beliebig aufgeteilt werden, sondern ist in Jahresteilbeträge aufgeteilt. Eine solche Jahrestranche muss nach spätestens drei Jahren abgeholt sein. Diese Vorgabe wird „n+3“-Regel genannt.



Bemerkenswert ist auch, dass man es in Österreich sehr gut versteht, neben staatlichen und EU-Geldern auch private Mittel in die Finanzierungen einzubinden. Die Hebelwirkungen sind daher relativ hoch.