© GustavsMD - stock.adobe.com

Gemeindemarketing

Der Weg zur Gemeindemarke

Was ist eine „Marke“? Warum sollte eine Gemeinde zu einer Marke werden wollen? Und wie sieht der Weg dahin aus? Ein Gespräch mit dem Experten Josef Wanas.

Was versteht man unter einer Marke?

Josef Wanas: Grundsätzlich kommt der Begriff Marke von „markieren“ also etwas kennzeichnen, im Englischen heißt es „brand“ – von „brandmarken“, ein Brandzeichen geben (branding). Markieren oder branden wurde angewendet, um etwas wiederzuerkennen, aus einer Menge heraus zu erkennen.

Eine absolut eindeutige Definition des Begriffs „Marke“ kann man nur schwer finden. Marketingexperten bezeichnen eine Marke als einen Namen, einen Begriff, ein Symbol, ein Zeichen oder deren Kombination mit dem Zweck, dass Produkte oder Dienstleistungen damit gekennzeichnet werden und somit von anderen Mitbewerberprodukten oder Dienstleistungen unterschieden werden können. 

Was ist Markenführung?

Die Fundamente der Markenführung sind 

  • die Markenidentität
  • die Markenpositionierung
  • das Markenimage
  • die Markenkommunikation

Markenführung ist ein Managementprozess, der sich in strategische und operative Maßnahmen teilen lässt. Grundsätzlich sind darunter alle Maßnahmen der Markenentwicklung zu sehen, mit dem Ziel, Unterscheidungsmerkmale zu definieren, mit denen sich diese Marke von Konkurrenzprodukten klar – mit den Augen des Kunden gesehen – differenziert. Gleichzeitig soll mit der Markenführung die Kundenbeziehung intensiviert werden. 

Unter strategischer Markenführung versteht man einen geplanten und systematischen Aufbau und Erweiterung einer Marke. Strategische Markenführung ist eine langfristig ausgerichtete Strategie, bei der die Marke immer mehr weiterentwickelt und ausgebaut wird. Das heißt, eine Marke wird nicht nur einmal entwickelt, sondern immer wieder weiterentwickelt. 

Unter operativer Markenführung versteht man die „Umsetzung“ der Pflege und Nutzung der Marke. 

Dabei:

  • müssen Produkte und Dienstleistungen ständig weiterentwickelt werden, damit daraus auch eine Wertschöpfung erzielt werden kann, 
  • muss das Touchpoint-Management (Kundenkontaktpunktmanagement) durchgeführt werden, 
  • muss die Kommunikation intern und extern durchgeführt werden und in der heutigen Zeit
  • eine digitale Transformation ins Auge gefasst werden. 

Bei beiden Instrumenten handelt es sich um eine Management- und Führungsaufgabe, die sehr umfangreich ist und in einem ständigen Kreislauf durchgeführt wird. 

Warum ist es für eine Gemeinde sinnvoll, sich als Marke zu etablieren?

Auch Orte stehen heute in einem intensiven Wettbewerb zueinander. Abhängig von der Lage des Ortes geht es darum, Ansiedelung zu fördern bzw. Abwanderung zu verhindern, Betriebe anzusiedeln, die Versorgung auf sozialer und gesundheitlicher Ebene abzusichern, die Versorgung durch den Einzelhandel (Güter des täglichen Bedarfs und Auswahlprodukte) zu sichern etc. Dabei stehen viele Orte in der direkten Konkurrenz zu den Ballungsräumen und zu Einrichtungen auf der grünen Wiese. Gemeinden können nicht direkt mit Betrieben verglichen werden, da die Aufgabe von Gemeinden ja nicht die Profiterzielung ist, sondern die langfristige Erhaltung eines ökonomisch – ökologisch – sozial ausgewogenen Lebensumfeldes. 

Mit der richtigen Entwicklung einer „Orts“-Marke kann sich eine Gemeinde so positionieren, dass die Erreichung dieser Ziele erleichtert wird. Dabei muss natürlich immer davon ausgegangen werden, dass nur eine „Markenbezeichnung“ alleine keine wie immer geartete Verbesserung bringt, solange die Erwartungen, die durch die Markenbotschaft entsteht, nicht erfüllt werden können. Vereinfacht gesagt, darf die Marke keine leere Worthülse bleiben. 

Kann eine Marke dazu beitragen, das Image einer Gemeinde zu ändern?

Als Markenimage kann die Wahrnehmung bezeichnet werden, die Kunden und die Einwohner vom Ort bzw. der Gemeinde haben. Dieses Image kann nun durch den Einsatz des sogenannten Marketing-Mix gesteuert werden. Das heißt, Marke und Markenimage brauchen im Hintergrund immer auch eine Marketingorganisation zur Steuerung. Ein Image einer Gemeinde kann langfristig erarbeitet werden, kann aber durch bestimmte Ereignisse auch spontan entstehen (hier als Beispiel Ischgl während der Covid-Pandemie). 

Grundsätzlich muss dabei immer die Markenidentität – also das Selbstbildnis der Marke, welches die internen Zielgruppen (Politiker, Verwaltung, Einwohner, angesiedelte Unternehmer) haben – dem Markenimage, also dem Fremdbild, welches die Kunden und Gäste haben, gegenübergestellt werden. Je kleiner die Abweichung desto besser! 

Das Markenimage muss auch ständig überprüft werden, um auf Veränderungen und Abweichungen rasch reagieren zu können. 

Fazit: Mit strategischem und operativem Marketing, gemeinsam mit einer Markenentwicklung kann so das Image eines Ortes verändert werden. 

Eine Marke ist ja mehr als nur ein Logo. Was gehört alles dazu?

Marken leben im Bewusstsein von Menschen. Dort versucht man eine „Top of the mind Position“, das heißt, bei Entscheidungen soll eine automatische – unbewusste Präferenz für ein Produkt, eine Dienstleistung oder für einen Ort entstehen. Dafür muss eine Markenidentität auf rationaler Ebene und auf emotionaler Ebene aufgebaut werden. Diese Markenidentität stellt das Selbstbildnis des Ortes bzw. der Gemeinde dar und kann mit dem Markensteuerrad dargestellt werden. 

  • Markennutzen (Was biete ich an?)
  • Markenattribute (Über welche Eigenschaften verfüge ich?)
  • Markentonalität  (Wie bin ich?)
  • Markenbild (Wie trete ich auf?)

Nach der Markenidentität, deren Aufbau vor allem in Gemeinden ein länger andauernder, moderierter Entwicklungsprozess durch alle Gruppen der Bevölkerung ist, erfolgt die Markenpositionierung (die einzigartige Stellung im Wettbewerb). Je klarer und professioneller diese Positionierung erfolgt, desto klarer und besser wird auch das Markenimage für die jeweiligen Zielgruppen. 

Im Rahmen dieser Prozesse wird auch das „Logo“ entwickelt. Es hat eine hohe Bedeutung für die Kommunikation, braucht aber die oben angegebenen, vorgelagerten Prozesse. 

Braucht man dazu professionelle Unterstützung, oder kann das auch in der Gemeinde erfolgen?

Grundsätzlich kann eine Markenentwicklung auch von der Gemeinde selbst, ohne professionelle Unterstützung von außen, erfolgen. Allerdings ist die Sichtweise vieler örtlicher Probleme und Herausforderungen eines Außenstehenden neutraler.

Viele Chancen oder Alleinstellungsmerkmale sind für die Betroffenen in den Gemeinden nicht ersichtlich, da hilft natürlich die Mitarbeit eines externen Profis.

Für die Durchführung einer Markenentwicklung mit breiter Bevölkerungsbeteiligung sind natürlich auch viele Workshops notwendig. Professionelle Begleiter kennen diese Tools und die Abwicklung vor, in und nach den Veranstaltungen besser und sind darin erfahren. Dadurch ist die Erfolgswahrscheinlichkeit einer rascheren und effizienteren Markenentwicklung höher. 

Ein sehr wichtiger Punkt ist: Nicht der externe Berater entwickelt eine Marke für die Gemeinde, sondern die Gemeinde entwickelt mit dem externen Berater die Marke. Der Wille an intensiver Mitarbeit aller Beteiligten – allen voran der politischen Spitze – ist unabdingbar. 

Was wird beim Gemeindemarketing am häufigsten falsch gemacht?

  • Es wird unterschätzt, wieviel Geld und Manpower dafür notwendig ist.
  • Gemeindemarketing wird zu sehr als politisches Instrument missbraucht.
  • Gemeindemarketing als reine Alibihandlung.
  • Mangelnde Konsequenz in der Umsetzung.
  • Es wird ein Orts-Marketingmanager eingesetzt, dem man alle Probleme umhängt und den man dann allein bei Problemen lässt.
  • Der Irrglaube, dass das alles ganz schnell geht.
  • Zu viele konfliktäre Ziele.
  • Zu viele gegensätzliche Interessen, die schwer zu vereinbaren sind. 
  • Viel zu hohe Erwartungen, die in das Gemeindemarketing gesetzt werden. 
  • Politische Ziele und Marketingziele sind nicht immer vereinbar.
  • Keinerlei Sanktionsmöglichkeiten, wenn Beteiligte sich nicht an Gemeindemarketingziele halten (das ist der ganz große Unterschied zu Unternehmen). Beispiele dafür sind z. B. unterschiedliche Öffnungszeiten von Betrieben oder mangelnde Teilnahme an Gemeinschaftswerbung.
  • Keine klaren Kompetenzen und Handlungsfelder.
  • Die Komplexität wird weit unterschätzt
  • und vieles anderes mehr ... 

Zur Person

Josef Wanas

Josef Wanas arbeitete bei ÖAR-Wallenberger und Linhard Regionalberatung und bei MBS Kurzbauer als Regional- und Unternehmensberater. Weiters lehrte er an der WU Wien und an der New Design University St. Pölten (NDU), an der er heute die Gründergarage leitet.