Der Kampf gegen das Vergessen
Gemeinsam mit den Generalsekretären von Städtebund und Gemeindebund, Thomas Weninger und Walter Leiss, sowie mit der wissenschaftlichen Projektverantwortlichen Stefanie Auer, Professorin an der Donau-Universität Krems, wurde das neue Projekt Anfang Mai offiziell gestartet. Die Schulungen werden am E-Campus der Sicherheitsakademie des Bundesministeriums für Inneres angeboten und sind für alle Bediensteten der öffentlichen Verwaltung zugänglich.
Stefanie Auer, Leiterin des Zentrums für Demenzstudien und stellvertretende Dekanin der Fakultät für Gesundheit und Medizin der Donau-Uni Krems, hob die Wichtigkeit der Integration von Menschen mit Demenz als gesamtgesellschaftlichen Auftrag hervor. Das Lernprogramm für öffentliche Bedienstete stelle dafür einen wichtigen Baustein dar. In mehreren Fokusgruppen wurde über das Thema gesprochen und es wurden Bedürfnisse herausgearbeitet, die in die Entwicklung einer zielgruppenorientierten Betaversion des Lernprogramms einflossen. Nach einer breiten Testung des Programms wurde es mit Fragebögen evaluiert und schließlich eine Endversion der Kompetenzschulung erstellt.
Der gesamte Kurs ist in drei Module aufgeteilt. Das erste Modul setzt sich mit den Grundlagen und der Diagnose von Demenz auseinander, das zweite Modul behandelt die Kommunikationsmethoden und das dritte soll helfen, Menschen mit Demenz besser zu verstehen.
KOMMUNAL sprach mit Stefanie Auer über das neue Programm.
Frau Professor, Sie haben gemeinsam mit dem Innenministerium ein E-Learning-Tool entwickelt, das Polizistinnen und Polizisten im Umgang mit demenzkranken Menschen helfen soll. Jetzt gibt es das Tool auch für Gemeindebedienstete. Wer sollte die Schulung machen? Und worauf zielt die Schulung genau ab?
Stefanie Auer: Hinter dem Lernprogramm steht ein großes Team – und das ist die Voraussetzung, dass so ein Schulungsprogramm überhaupt möglich war.
Es war eine glückliche Fügung, dass drei Teams – das Innenministerium, das E-Learning-Center des Innenministeriums und die Donau-Uni Krems – hier eine tolle Kooperation erarbeitet haben.
Wir bauen auf der Schulung für Polizistinnen und Polizisten auf und haben dieses Programm dann auf die zweitwichtigste Gruppe, nämlich die Gemeindebediensteten, ausgeweitet. Dass wir diese Schulung überhaupt entwickelt haben, liegt an der Tatsache, dass in Österreich mittlerweile über 145.000 Menschen von Demenz betroffen sind. Weltweit sind es bereits über 50 Millionen – Demenz ist also als Volkskrankheit auf dem Vormarsch und betrifft nicht nur die Erkrankten selbst, sondern auch die Angehörigen und Familien.
Die Dimension dieser Krankheit steigt dramatisch. Daher müssen wir als Gesellschaft insgesamt demenzkompetent werden. Die Gemeindebediensteten als erste Ansprechpartner vor Ort in den Gemeinden spielen dabei eine wichtige Rolle. Denn wir wollen demenzkranken Menschen so lange wie möglich die Möglichkeit bieten, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben und auch beispielsweise Behördenwege selber erledigen zu können. Und hier ist es wichtig, dass Gemeindebedienstete für den richtigen Umgang mit demenzkranken Menschen geschult werden, damit Konflikte oder Kommunikationsschwierigkeiten vermieden werden können.
Darüber hinaus haben wir gelernt, dass dieses Lernprogramm nicht nur für den Job, sondern auch für die Angehörigen sehr hilfreich ist.
Wo können sich Gemeindebedienstete für die Schulung anmelden und wie lange dauert die Ausbildung?
Anmelden können sich Gemeindebedienstete ab sofort beim E-Campus des Innenministeriums. Die Schulung ist in drei Modulen aufgebaut. Jedes Modul dauert ca. 15 Minuten und die Schulung ist für die Gemeindebediensteten kostenlos. Am Ende des Schulungsprogramms können die Teilnehmer einen Wissenscheck absolvieren.
Die Ausbildung soll in einem zweiten Schritt auch zertifiziert werden. Wie kommen Gemeindebedienstete zur Zertifizierung?
Unser Ziel ist es, dass sich eine Person auf der Gemeinde mit dem Thema Demenz besonders auseinandersetzt, aber auch die Kolleginnen und Kollegen für die Schulung motiviert. Wenn 70 Prozent der Bediensteten einer Gemeinde die Schulung absolviert haben, dann kann sich die Gemeinde bei der Donau-Uni um die Verleihung der Auszeichnung „Demenzkompetente Gemeinde“ bewerben.
Gleichzeitig freuen wir uns auch, wenn uns Gemeinden über zusätzliche Aktivitäten informieren, die es in der Gemeinde zum Thema Demenz gibt. Wir wissen, dass einige Gemeinden bereits jetzt sehr aktiv daran arbeiten, demenzkompetenter für die Bürgerinnen und Bürger zu werden. In einem Jahr soll es dann die Kriterien für die Zertifizierung zur „Demenz-Aktivgemeinde“ geben.
Wo können sich Personen, die diese Schulung machen wollen und Fragen dazu haben, hinwenden?
Fragen können Interessierte direkt an uns an der Donau-Universität richten.
Soll die Schulung auch auf andere Berufsgruppen ausgeweitet werden?
Unser großes Ziel ist es, dass wir als Gesellschaft generell demenzkompetenter werden – die Zahlen steigen dramatisch an. Deswegen ist die beste Lösung, demenzkranke Menschen in unser Alltagsleben zu integrieren. Dafür müssen wir auch Wissen für eine breite Bevölkerung zur Verfügung stellen und diese auch entsprechend schulen. Polizistinnen und Polizisten waren die Pioniere unseres Schulungsprogramms. Nun kommt mit den Gemeindebediensteten eine weitere Gruppe dazu. Aber auch mit Supermärkten sind wir bereits im Gespräch. Toll wären aus unserer Sicht in einem weiteren Schritt auch Banken, Feuerwehren und Sanitäter etc.