Empfang an Gemeindetag in Innsbruck
Tiroler Schützen mit Polit-Prominenz: Ernst Schöpf, Präsident des Tiroler Gemeindeverbandes, der Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi, Staatssekretär Florian Tursky, Finanzminister Magnus Brunner, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, Bundeskanzler Karl Nehammer, Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Landeshauptmann Anton Mattle. Familienministerin Susanne Raab, Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl, Innenminister Gerald Karner und Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig.
© Jürg Christandl

Gemeindetag

Der Finanzausgleich dominierte die Wortmeldungen

22. Juni 2023
Am zweiten Tag des Gemeindetages in Innsbruck stand die kommunalpolitische Haupttagung mit zahlreichen Spitzenvertretern der Republik und der Länder am Programm. Vor über 2.000 versammelten Gemeindevertreterinnen und -vertretern betonten alle die nicht zu unterschätzende Bedeutung der Gemeinden für Österreich.

Vor über 2.000 versammelten Gemeindevertreterinnen und -vertretern stellte Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl klar: „Es braucht mehr Geld!“ Die Gemeinden würden die vielen Aufgaben, die sie übertragen bekommen, gerne übernehmen – allerdings „leben die Gemeinden von den Regeln, die die Landtage und der Nationalrat vorgeben. Und wenn der subsidiäre Staat funktionieren soll, muss man nötige Mittel zur Verfügung stellen.“

Riedl zeigte sich aber optimistisch, dass die Verhandlungen zum Finanzausgleich heuer erfolgreich abgeschlossen werden. Dass der aktuelle Finanzausgleich mangels Einigung nur verlängert werde, glaubt er nicht.

Der Bundesvorstand des Gemeindebundes hatte am Tag zuvor gefordert, dass zukünftig 15 statt bisher zwölf Prozent der Ertragsanteile an die Gemeinden fließen sollen.

Brunner für mehr Wertschätzung des Steuergelds

Finanzminister Magnus Brunner kündigte ein „Ja“ zu mehr Geld für Kinderbetreuung, Pflege und Gesundheit an. Man könne auch über eine Neuordnung der Grundsteuer reden.

Allerdings forderte er, Steuergeld wieder mehr zu schätzen. „Ich habe den Eindruck, dass in den vergangenen Jahren oft Millionen mit Milliarden verwechselt wurden." Wie auch Riedl zeigte sich aber auch Brunner überzeugt, dass beim Finanzausgleich eine gute und partnerschaftliche Lösung im Sinne der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler herauskommen werde.

Riedl: Zeit nicht reif für Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung

Gemeindebund-Chef Riedl lehnte einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab. Angesichts des Mangels an Geld und Personal sei die Zeit nicht reif dafür. „Es ist nicht sinnvoll Bürgermeister zu kriminalisieren, wenn sie gar keine Möglichkeit haben, genügend Kinderbetreuungsplätze anzubieten.“

Der Staat gebe den Familien viel Geld, aber gleichzeitig komme immer öfter die Debatte auf, dass die Sachleistung gratis sein müsse. „Das gibt es in keinem Land in Europa“, so Riedl.

Nehammer: Menschen Ängste nehmen

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sprach von einer Zeitenwende, in der die Politik nach neuen Lösungen suchen müsse. In der Zeit der Unsicherheit und Krieg gebe es immer wieder auch politische Kräfte, die versuchen, Angst zu kapitalisieren.
In dieser Phase brauche es Menschen, die Ängste nehmen und Sicherheit geben würden. „Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sind hier die Spitze der Wehrhaftigkeit, um Menschen Sicherheit zu geben.“

Sobotka: Gemeinden als stabilisierender Faktor für die Demokratie

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka ging in seiner Ansprache auf das Vertrauen in Politik insgesamt ein: „Durch die vielen Krisen ist das Vertrauen in Parteien, in Repräsentanten der Parteien und ins Parlament gesunken. Aber in den Gemeinden gibt es weiterhin hohes Vertrauen, denn die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister leben die Bürgernähe. Und das ist ein wichtiger stabilisierender Faktor für die Demokratie.“ Es gelte jedenfalls jeden Tag an der Demokratie zu arbeiten.

Van der Bellen: Auf von Teuerung besonders betroffene Menschen achten

Als Hauptredner bat Bundespräsident Alexander Van der Bellen die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister auf Menschen, die von der Teuerung betroffen sind, besonders zu achten. „Die Teuerung betrifft die Menschen unterschiedlich. Mir ist immer unwohl, wenn man sagt, ‚die Menschen‘ sind betroffen – es ist ein Unterschied, ob es mich trifft oder jemanden anderen“, sagte Van der Bellen. Menschen, die etwa Sozialmärkte besuchen, müsse man besonders im Auge behalten. Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister müssten für diese Menschen so vorsorgen, dass sie keine Angst haben müssten, im täglichen Leben zurechtzukommen. 

Bundespräsident Alexander Van der Bellen beim „landesüblichen Empfang“.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen beim „landesüblichen Empfang“.


Innenminister Gerhard Karner, der als ehemaliger Bürgermeister und Bundesvorstandsmitglied des Gemeindebundes schon einiges an Gemeindetags-Erfahrung hat, berichtet über die aktuellen gemeinderelevanten Themen aus seinem Ressort, wie etwa die Wahlrechtsreform oder Digitalisierung.

„Durch die Änderung des Wahlrechts haben wir den Samstag als Eintragungszeitraum für Volksbegehren gestrichen - eine große Erleichterung für die Gemeinden“, so Gerhard Karner. „Die Digitalisierung hat unser Leben nachhaltig verändert. Mit einer Vielzahl an Chancen durch die Digitalisierung sind natürlich auch Gefahren verbunden. Die Polizei ist in Fragen der Cyber-Sicherheit ein verlässlicher Partner für die Gemeinden“, so der Innenminister.

Landwirtschafts- und Regionenminister Norbert Totschnig ging auf die Bodenstrategie ein. „Für die Umsetzung braucht es jedenfalls die Gemeinden und Länder. Es braucht auch Standorte für erneuerbare Energie, Wohnraum, Betriebsentwicklung aber auch Lösungen für effiziente Innenentwicklung“, so Totschnig. Er berichtete auch über die Förderprogramme LEADER und INTERREG, bei denen sich Regionen und Kommunen viele Fördermittel zur Unterstützung abholen können.

Staatssekretär Florian Tursky ging auf die digitale Transformation ein, die mehr Chancengleichheit für den ländlichen Raum bringt. „Die digitale Infrastruktur ist Teil der Daseinsvorsorge“, so Tursky. Bis 2030 soll es überall Gigabit-fähiges Internet geben. Im letzten Jahr wurden 900 Millionen Euro in den Breitbandausbau investiert. Auch dieses Jahr gibt es einen weiteren Call, um die weißen Flecken in der Breitbandversorgung zu schließen. In Sachen Künstliche Intelligenz sieht er die Aufgabe des Staates darin, die Herausforderungen aufzuzeigen und gleichzeitig die Ängste zu nehmen.

Frauen- und Familienministerin Susanne Raab dankte den Gemeinden für ihre Leistungen für die Familien im Land. Ihre Vision ist es, „Österreich zum Familienland Nummer 1 zu machen. Ich will, dass jede Familie das Lebensmodell wählen kann, das sie möchte. Die Gemeinden schaffen dabei ein kinderfreundliches Umfeld“, so Raab. Sie hebt den bisherigen Einsatz der Gemeinden bei der Organisation der Kinderbetreuung hervor. Im Rahmen des Gemeindetages werden auch zahlreiche familienfreundliche Gemeinden ausgezeichnet. Mittlerweile gibt es mehr als 600 familienfreundliche Gemeinden im Land.

Tirols Landeshauptmann Anton Mattle erläutert in seiner Ansprache, warum die Gemeinden so wichtig für die Gesellschaft sind. Er selbst war 29 Jahre und zwei Monate lang Bürgermeister von Galtür und kennt daher die Sorgen und Anliegen der Kommunen aus eigener Erfahrung. „

Im Wort Gemeinde steckt auch Gemeinschaft drinnen und gerade in Krisen ist die Gemeinschaft wichtig, da es gilt, alle Teile der Bevölkerung am Weg mitzunehmen“, so Mattle. Der Österreichische Gemeindebund ist einer der ganz großen Verantwortungsträger im Bund, der 70 Prozent der Bevölkerung repräsentiert.

„Die Bundesländer und der Gemeindebund haben sich in Sachen Finanzausgleich positioniert. Alle tragen gemeinsam Verantwortung fürs große Ganze. Es geht um Bürgergeld und Steuergeld und wir müssen nun das Geld richtig umverteilen, damit ein Land wie Österreich gut funktionieren und soziale Sicherheit und Wohlstand anbieten kann.“

Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher dankt dem Bund, dem Land Tirol und den Gemeinden für die Unterstützung bei allen Fragen der Autonomie seines Bundeslandes. Für ihn begleiten die Gemeinden „die Bürger von der Wiege bis zur Bahre mit ihren Dienstleistungen“. Sie haben auch eine wichtige Rolle bei der Implementierung von Maßnahmen gegen den Klimawandel. Ein Großteil der Maßnahmen findet auf kommunaler Ebene statt. Klar sei, dass sich „Europa nur von unten, von der Basis bauen lässt“, so Kompatscher.

Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Innsbruck, Georg Willi, betont in seiner Ansprache ebenfalls die Bedeutung der Kommunen: „In den Gemeinden ist man nah am Pulsschlag der Bevölkerung. Man spürt, wenn es mit dem Puls bergauf oder bergab geht. Entscheidungen in den Kommunen selbst sind direkt spürbar bei den Menschen vor Ort. Die Gemeinden sind daher wichtige Seismographen für die Stimmung der Menschen. Wir spüren auch Nicht-Entscheidungen, wie eine fehlende Mietpreisbremse.“ Seine Bürgermeisterkollegen bittet Willi, eng zusammenzuarbeiten und von den Konzepten der anderen zu lernen. Er appelliert an Finanzminister Magnus Brunner, bei der finanziellen Ausstattung der Gemeinden ein großes Herz zu zeigen.