„Der Beitritt hat sich für alle gerechnet“
Die ÖVP gilt als die Europa-Partei schlechthin. Alois Mock hat sich seinerzeit „einen Hax‘n ausgerissen“, damit wir beitreten konnten. Mittlerweile wird aber fast nur mehr kommuniziert, dass alles Schlechte aus der EU kommt. Wie wollen Sie dieses negative Bild wieder zurechtrücken?
Reinhold Lopatka: Der Beitritt zur Europäischen Union ist für Österreich eine Erfolgsgeschichte – sei es im Bereich der Sicherheit oder der Wirtschaft. Der Beitritt hat sich für alle gerechnet. Wir konnten unsere Exporte in die EU vervierfachen und somit unser Bruttoinlandsprodukt verdoppeln.
Nichtsdestotrotz müssen wir an der EU arbeiten und diese weiterentwickeln und besser machen. Dafür ist es natürlich auch wichtig, die Erfolge der Union aufzuzeigen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass die EU Antworten auf die großen Fragen liefert.
Entscheidungen, die besser in den Mitgliedstaaten getroffen werden können, sollen auch dort getroffen werden. Dabei ist besonders wichtig, die Erfolge in den Vordergrund zu stellen – dafür wird es aber auch notwendig sein, dass die EU ihren Regulierungskurs korrigiert und Maßnahmen gesetzt werden, die unsere Wirtschaft und unseren Wohlstand erhalten, unsere Außengrenzen sichern und Frieden erhalten.
Warum eigentlich vermittelt die ÖVP in Sachen Europa oft, dass „man sich durchsetzen“ muss? Ist Europa nicht eher ein Konstrukt, in dem es um den bestmöglichen Kompromiss geht? Sich „durchsetzen“ würde ja bedeuten, dass immer einer verlieren muss – das wird Europa nicht lange aushalten.
Sich durchzusetzen verstehen wir dahingehend, die Interessen Österreichs in der EU konsequent zu vertreten. Das bedeutet nicht, dass dadurch jemand verlieren muss, sondern die Interessen möglichst aller Mitgliedstaaten weiterhin gehört werden.
Gerade das Einstimmigkeitsprinzip, welches in vielen Bereichen gilt, ist ein Beispiel für die Kompromissfähigkeit der EU. Zu Beginn stehen die Verhandlungen, am Ende gibt es eine Position, die von allen Mitgliedstaaten unterstützt und mitgetragen wird. Dabei ist es uns aber natürlich wichtig, die Interessen Österreichs bestmöglich zu vertreten.
Als Österreich haben wir damit in der Vergangenheit auch schon zahlreiche Erfolge verzeichnen können. So haben wir es geschafft, dass Maßnahmen gegen illegale Migration, dank uns, auf europäischer Ebene umgesetzt wurden – zuletzt mit dem beschlossenen EU-Asyl und Migrationspakt.
Was werden Sie unternehmen, dass die EU ein besseres Image in Österreich erreicht? Welche Vorteile vermitteln Sie den Bürgerinnen und Bürgern?
Wir müssen Europa weiterentwickeln und besser machen. Dadurch wird sich auch das Image der EU verbessern. Dazu braucht es jedenfalls Einsatz und harte Arbeit!
Die Vorteile der Union liegen auf der Hand: die gemeinsame Währung, keine Zölle. Auch im Bereich der Forschung profitiert Österreich stark von der Union – wir konnten dadurch die österreichische Forschungsquote mehr als verdoppeln.
Aber auch unseren Gemeinden profitieren von umfassenden Fördermaßnahmen – so fördert die EU beispielsweise den Ausbau von Breitbandinternet im ländlichen Raum. Und auch die Jugend hat enorme Chancen bekommen: So haben seit unserem EU-Beitritt mehr als 350.000 junge Österreicherinnen und Österreicher am Erasmus-Programm teilgenommen.
Wie werden Sie sicherstellen, dass das Subsidiaritätsprinzip als Kernprinzip der EU weiter Bestand hat und weiterhin bis auf die Gemeindeebene hinunterreicht.
Das Subsidiaritätsprinzip steht für uns nicht zur Disposition. Es findet sich in den europäischen Verträgen wieder und gilt somit – und das ist gut so. Als Volkspartei gestalten wir unsere Politik auf europäischer Ebene immer nach der Maßgabe, dass sich die EU um die großen Fragen kümmern soll und Herausforderungen, die besser in den Mitgliedstaaten gelöst werden können auch dort gelöst werden sollen. Von diesem Grundsatz wird es mit der Volkspartei auch kein Abweichen geben.
Es gibt in Österreich als einzigem Land der EU knapp 1600 EU-Gemeinderäte. Welchen Beitrag können diese auf dem Weg zu einer positiveren Sichtweise auf die EU leisten und die die EU und die europäischen Themen den Menschen hierzulande näherbringen? Und wie könnten sie dem Trend entgegenwirken, dass die EU-Skepsis nicht noch mehr steigt?
Es freut mich, dass wir in jedem Bundesland und in so vielen Gemeinden so viele engagierte Gemeinderäte haben, die die Europäische Union in ihre Gemeinden bringen. Denn es ist wichtig, den Menschen mitzuteilen, welchen Mehrwert wir als Österreich durch unsere Mitgliedschaft in der Europäischen Union haben. Somit leisten sie einen wertvollen Beitrag, um Europa bürgernah und greifbar zu machen. Und hierfür gebührt ihnen der größte Dank.
Durch konsequentes Handeln, indem den Menschen in Österreich die Vorteile der EU nähergebracht werden, kann man der Skepsis entgegentreten. Wo würde Österreich mit seinen neun Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern in einer Welt mit neun Milliarden Menschen alleine stehen? Die EU ist unsere einzige Chance, um in dem immer globaler werdenden Wettbewerb zu bestehen.