Pressl in Brüssel
Hannes Pressl nahm in Brüssel auch an zwei Podiumsdiskussionen teil.

Europa

Demokratischer Nahversorger zu Besuch in Brüssel

Zwei Jahre herrschte Funkstille in Brüssel. In einer Stadt, die von Sitzungen, Treffen und Veranstaltungen lebt. Seitdem Belgien aber Anfang März auf Code Gelb umgestellt hat, beginnt langsam wieder das normale Leben. Nicht nur im Alltag, sondern auch bei der Arbeit. Der Präsident des niederösterreichischen Gemeindebundes, Hannes Pressl, eröffnete sozusagen Mitte März die Europasaison mit einem zweitägigen Arbeitsbesuch in Brüssel, bei dem er nicht nur EU-Abgeordnete, Kommissionsvertreter und den österreichischen EU-Botschafter traf, sondern im Rahmen zweier Podiumsdiskussionen und eines Fachgesprächs auch ganz konkrete Anliegen der Gemeinden deponierte. Organisiert wurde das Ganze vom Land Niederösterreich und Landesrat Eichtinger, der dem Brüsseler Publikum zahlreiche Best-practices aus Niederösterreich näher brachte.

Must-have Breitband (Ländlicher Raum)

Die vom Verbindungsbüro des Landes Niederösterreich organisierte Podiumsdiskussion zur Ortskernstärkung bat Gelegenheit, im Rahmen der Keynote nicht nur Best practices aus Ardagger anzusprechen, sondern auch Forderungen an Europa zu richten. Dass nämlich die Mehrwertsteuerrichtlinie interkommunale Zusammenarbeit nicht behindern darf, Raumordnung ureigenste kommunale Aufgabe ist und eine echte Folgenabschätzung europäischer Regeln den ländlichen Raum umfassend berücksichtigen muss.

Vitale Ortskerne brauchen politisches Engagement, Umnutzung von Bestandsgebäuden und innovative Konzepte für Geschäftslokale. Ohne flächendeckendes Breitband geht gar nichts mehr.

Bürger mitnehmen – Hausfrauen fragen (Grüner Deal)

Es gibt natürlich unglaublich viele gute Ideen, wie man Europa nachhaltiger, grüner und energieeffizienter machen kann. Präsident Pressl gab aber zu bedenken, dass die Gemeinde dort an ihre Grenzen stößt, wo der Bürger nicht mitmacht, sei es aus Bequemlichkeit, sei es aus Angst vor Veränderung. Die von ihm zitierte Hausfrau steht für die Entscheidungsträger in den Familien, die möglicherweise bewusster angesprochen werden müssen, wenn der Grüne Deal flächendeckend wirken soll.

Im Wirkungsbereich der Gemeinde passiert bereits jetzt sehr viel, die Wirtschaftlichkeit aller Maßnahmen hat jedoch Priorität. Für private Verhaltensänderungen sind Anreize und Förderungen wesentlich, was man derzeit beim Raus aus dem Öl-Bonus in Niederösterreich beobachten kann, der von Landesrat Eichtinger vorgestellt wurde und in der Gemeinde Ardagger einen Ansturm auf Installationsbetriebe ausgelöst hat. 

Gesichtserkennung im digitalen Amt

Als digitaler Vordenker traf Präsident Pressl auch Werner Stengg, Digitalexperte im Kabinett von Kommissions-Vizepräsidentin Margarete Vestager.

Auch wenn die Vorschläge der EU in diesem Bereich für die Gemeinden mitunter sehr abstrakt wirken, zeigten sich im Gespräch doch viele Anknüpfungspunkte. Datenwirtschaft und Datenzugang, Datennutzung zur Dienstleistungsoptimierung, eID für das elektronische Amt und der Dauerbrenner DSGVO sind konkrete Schnittstellen zwischen EU-Digitalstrategie und Gemeinden. Die DSGVO bleibt für Gemeinden das Maß aller Dinge, d.h. auch innovative Ideen der Datennutzung und Datenoptimierung müssen den Datenschutztest durchlaufen.

Brandaktuell ist die Umsetzung der europäischen eID, die auch im digitalen Gemeindeamt nötig ist. Denn im Gegensatz zum Bürgerservice einer kleinen Gemeinde, wo die Bevölkerung sozusagen mit persönlicher Gesichtserkennung empfangen wird, braucht es im digitalen Raum wirksame Garantien, dass sich hinter einem Namen auch tatsächlich die betreffende Person verbirgt.

Reale Gespräche statt virtuellem Raum

Die beiden Veranstaltungen im Niederösterreichbüro waren wohl nicht nur wegen der hochkarätigen Podien gut besucht – durch die Bank freute man sich, Kollegen und Ansprechpartner endlich wieder in echt zu sehen. Konkrete Anliegen und Beispiele nach Brüssel tragen, Netzwerke knüpfen, Kontakte pflegen – das gehört zum 1x1 der Interessensvertretung. Jetzt ist es wieder möglich.