renaturierter Flusslauf
Die Wiederherstellungsverordnung führte im Vorfeld der Abstimmung zu Konflikten im EU-Parlament. Mitgliedstaaten können den Anwendungsbereich auf Ortskerne, Stadtzentren und urbane Cluster beschränken und überdies städtische Bezirke bzw. Ortszentren ausnehmen, die einen Grünflächenanteil über 45 Prozent und mehr als zehn Prozent Baumüberschirmung aufweisen.
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Bodenschutz auf europäischer Ebene

Bodennutzung und Bodenverbrauch stehen nicht nur in Österreich im Zentrum der Aufmerksamkeit, auch die EU hat im Green Deal einiges für den Boden zu bieten. Dabei war es lange umstritten, dass es sich hier um eine europäische Materie handelt, immerhin fehlt an sich die grenzüberschreitende Komponente.

Aber die Zeiten haben sich geändert und die Umweltfunktionen und CO₂-Speicherrolle gesunder Böden lassen ein Einschreiten der EU nun doch gerechtfertigt erscheinen.   

Anfang Juli schlug die Kommission eine Bodenbeobachtungsrichtlinie vor, wo es vor allem um die Erhebung vergleichbarer Daten geht. Auch zum Flächenverbrauch – noch ohne europarechtliche Konsequenz, aber Daten führen bekanntlich über kurz oder lang zu Taten. 
In Wahrheit ist aber auch die Wiederherstellungsverordnung, über die bereits berichtet wurde, eine Bodenschutzrichtlinie. Denn hier geht es um konkrete Renaturierung von Ökosystemen – die viel zitierte Wiedervernässung von Torfmooren ist nur ein plakatives Beispiel für die Bodengesundheit.  

Der Wiederherstellungsverordnung den Schrecken nehmen

Die Gemeinden sind von den land- und forstwirtschaftlichen Vorschlägen natürlich auch betroffen, vielmehr aber von den Bestimmungen über städtische Ökosysteme. Wir erinnern uns: Die Kommission schlug Nettogrünflächenverlustverbote für Städte, Kleinstädte und Vororte vor, dazu klar definierte Wachstumsziele für städtisches Grün und Baumüberschirmung. Die Flexibilität hielt sich in Grenzen und die gewählte Definition der betroffenen Kommunen funktionierte zwar in Frankreich und Belgien, erfasste in Skandinavien und Österreich aber Kleinstädte und Vororte, die anderswo als ländlich gelten würden. 

Im EU-Parlament beschloss die EVP-Fraktion nach langen Verhandlungen, den Vorschlag nicht zu unterstützen, im Rat fand sich eine knappe Mehrheit dafür. Ein hochemotionales Dossier, konfliktträchtig wie kein anderes.  Und das, obwohl in dieser Legislaturperiode zahlreiche Green-Deal-Gesetze erfolgreich abgeschlossen wurden, im Energiebereich viele mit umfassenden Auswirkungen auf Konsumenten und öffentliche Finanzen. Aber kein anderes Dossier war ideologisch so geprägt und emotional so aufgeheizt. Grund und Boden sind einfach heiße Eisen, das hat die Kommission nicht verstanden, dafür muss man ihr Elfenbeinturmdenken vorwerfen.

Die Ablehnung der EVP führte zwar zum Scheitern der Abstimmung im Umweltausschuss, im Plenum des EU-Parlaments gab es aber eine knappe Mehrheit dafür. 

Der Gemeindebund war über das Scheitern im Ausschuss nicht unglücklich. Der Ausschusstext war in einigen Bereichen sogar ambitionierter als der Kommissionsvorschlag und hätte für die Gemeinden nicht die dringend benötigte Klarstellung und Flexibilisierung gebracht. Außerdem bestand die Gefahr, dass der Rat die städtischen Ökosysteme in den Trilogverhandlungen aufgibt, um andere, wichtigere Punkte durchzubringen. 

Hochemotionale Abstimmung

Letztlich kann man mit dem Ergebnis aber zufrieden sein. Die Abstimmung im Umweltausschuss war noch hochemotional, mit Applaus für knapp erzielte Mehrheiten. Im Plenum fand sich dann eine Mehrheit jener, die das Dossier retten wollten. Gelingen konnte dies nur mit einem Text, der möglichst nah an der allgemeinen Ausrichtung des Rates war. Die Mitgliedstaaten hatten die Problematik des Vorschlags schon früh erkannt und die Bedenken der Umsetzungsebene einfließen lassen. Es gibt mehr Umsetzungsspielraum für die betroffenen Akteure und weniger gleichlautende Ziele. Eine Verordnung im Richtlinienkleid sozusagen, aber immer noch ambitioniert.

Rat und Parlament müssen jetzt noch fertig verhandeln. Da die Positionen nah beieinander liegen, wird das nicht allzu lange dauern. 

Was erwartet die Gemeinden?

Grundsätzlich bleibt es dabei: Auch Städte und Gemeinden müssen einen Beitrag zur Wiederherstellung von Ökosystemen leisten. Diese Verpflichtung wird durch ein Nettoverlustverbot für städtische Grünflächen und einen Aufwärtstrend bei städtischem Grün bis 2030 und 2050 umgesetzt. Dies fand sich auch im Kommissionsvorschlag.

Neu, und jetzt Gegenstand der Verhandlungen, ist aber, dass das Grünflächenverlustverbot nicht für die einzelne Gemeinde gilt, sondern gesamtstaatlich.

Neu ist auch, dass differenziert wird, welche Gemeinden bzw. Ortsteile/Bezirke von den Verpflichtungen betroffen sind. Grundsätzlich bleibt es bei der LAU-Definition aus der Regionalpolitik, die in Österreich rund zehn Prozent aller Gemeinden als nicht ländlich ausweist und daher in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen lässt.

Die Mitgliedstaaten können aber den Anwendungsbereich stattdessen auf Ortskerne, Stadtzentren und urbane Cluster beschränken und überdies städtische Bezirke bzw. Ortszentren ausnehmen, die einen Grünflächenanteil über 45 Prozent und mehr als zehn Prozent Baumüberschirmung aufweisen. Dies ist eine zufriedenstellende Lösung, Sinn der Bestimmung war immer, das städtische Mikroklima zu verbessern und nicht, in die Raumordnung einzugreifen.

Aber Achtung: Die Kartierung der betroffenen Städte und Gemeinden erfolgt national, ebenso wie die Entscheidung, ob die Maßnahmen nur in Zentren und Ortskernen oder im gesamten Gemeindegebiet umgesetzt werden müssen. 

Das bedeutet, der Gemeindebund ist noch nicht aus der Verantwortung und wird sich auch im österreichischen Umsetzungsprozess aktiv einbringen.

Das Parlament übernahm übrigens nicht überall den Wortlaut des Ratskompromisses. Während die Verhandlungspositionen bei den städtischen Ökosystemen weitgehend gleichlautend sind, geht das Parlament bei den Mitsprachemöglichkeiten der lokalen und regionalen Ebene einen Schritt weiter. Lokale und regionale Gebietskörperschaften sollen explizit in die Ausarbeitung der nationalen Wiederherstellungspläne einbezogen werden – eine Forderung, zu der sich die Mitgliedstaaten nicht durchringen konnten …  

Ein Wort zum Schluss: Richtlinien- und Verordnungsvorschläge fallen nicht vom Himmel. Die Kommission handelt im Auftrag der Staats- und Regierungschefs, die sich zur Erreichung der Pariser Klimaziele verpflichtet haben. Jede Richtlinie, jede Verordnung soll dazu ihren Beitrag leisten. System- und Verhaltensänderungen sind dann unumgänglich. Dies darf bei aller Polemik nicht vergessen werden.