
Vergabeverfahren sollen vereinfacht und flexibilisiert werden.
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Bestbieterprinzip wird weiter gestärkt
Bereits mit der letzten Novelle zum Bundesvergabegesetz hat das Parlament die Weichen in Richtung Bestbieterprinzip gestellt. Seither muss bei bestimmten Vergaben der öffentlichen Hand ein stärkerer Fokus auf Qualitätskriterien und Folgekosten gelegt werden. Auch soziale Aspekte können in die Bewertung von Angeboten einfließen. Dieser Weg wird nun fortgesetzt. Der Verfassungsausschuss des Nationalrats hat das von der Regierung vorgelegte Vergaberechtsreformgesetz 2018 mehrheitlich gebilligt.
Zentrales Ziel des Gesetzentwurfs ist es, den rechtlichen Rahmen für Auftragsvergaben der öffentlichen Hand - in Anlehnung an die EU-Vorgaben - zu vereinfachen und zu modernisieren. Unter anderem geht es um die Einführung neuer Arten von Vergabeverfahren und die Ermöglichung gemeinsamer Auftragsvergaben österreichischer Behörden und Behörden anderer EU-Länder. Außerdem sollen künftig mehr Aufträge als bisher nach qualitativen Kriterien (Bestbieterprinzip) und nicht alleine nach dem Preis (Billigstbieterprinzip) vergeben werden.
Neben einer vollständigen Neufassung des Bundesvergabegesetzes gehören ein neues Bundesgesetz über die Vergabe von Konzessionsverträgen und eine Novellierung des Bundesvergabegesetzes für den Bereich Verteidigung und Sicherheit zum insgesamt 324 Seiten starken Reformpaket.
Wie bisher gilt das Vergaberegime nicht nur für Bund, Länder und Gemeinden, sondern auch für Auftragsvergaben in bestimmten Sektoren wie etwa der Wasser- und Energieversorgung und Teilen des öffentlichen Verkehrs.
Vergabeverfahren werden vereinfacht und flexibilisiert
Im Sinne der angestrebten Vereinfachung und Flexibilisierung von Vergabeverfahren werden die europarechtlichen Spielräume größtmöglich genutzt, wird in den Erläuterungen zum Gesetzentwurf hervorgehoben. So ist etwa vorgesehen, die Ausnahmebestimmungen zu erweitern, den Zugang zum Verhandlungsverfahren zu erleichtern, die Verpflichtung zur Durchführung einer formalen Angebotsöffnung mit Bieterbeteiligung zu streichen, mehr Flexibilität beim Abruf von Leistungen aus Rahmenvereinbarungen zu ermöglichen und die Mindestfristen für die Abgabe von Teilnahmeanträgen und Angeboten zu verkürzen. Auch für Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich, für die es keine spezifischen EU-Vorgaben gibt, kommt es zu Vereinfachungen.
EuGH mahnt Transparenz auch bei kleinen Aufträgen ein
Der Schwellenwert für Direktvergaben ohne vorherige Bekanntmachung wird wie bisher mit 50.000 Euro festgesetzt, wobei es weiterhin möglich sein wird, den Betrag mittels Verordnung hinaufzusetzen bzw. zu reduzieren. Das betrifft auch bestimmte andere Los- und Schwellenwerte. Zuständig dafür ist allerdings nicht mehr der Bundeskanzler, sondern der Justizminister. Laut aktueller Verordnung liegt die Obergrenze für Direktvergaben bei 100.000 Euro.
Bei der Vergabe kleinerer Aufträge gilt es jedoch nicht nur, die Vorgaben des Bundesvergabegesetzes zu berücksichtigen, sondern auch auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) Bedacht zu nehmen, wird in den Erläuterungen angemerkt. Demnach sind bestimmte Verpflichtungen wie das Gebot der Gleichbehandlung und der Transparenz im Falle eines grenzüberschreitenden Interesses auch bei wertmäßig nicht von den EU-Vergabe-Richtlinien umfassten Vergabeverfahren einzuhalten. Faustregel laut Justizministerium: Je höher der Wert, je näher der Leistungs- und Nutzungsort an einer Staatsgrenze und je spezifischer der Auftragsgegenstand, desto eher muss von einem grenzüberschreitenden Interesse ausgegangen und ein angemessener Grad von Öffentlichkeit sichergestellt werden.
Schwellenwerte angepasst
An aktuelle EU-Vorgaben angepasst wurden einzelne Schwellenwerte. Der Oberschwellenbereich für Liefer- und Dienstleistungsaufträge beginnt demnach bei 221.000 Euro bzw. - in bestimmten Fällen - bei 144.000 Euro. Zuletzt waren es 209.000 Euro bzw. 135.000 Euro gewesen. Bei Bauaufträgen liegt der entsprechende Wert bei 5,548 Millionen Euro (alt: 5,225 Mio. Euro).
Um eine missverständliche Interpretation der gesetzlichen Bestimmungen zu vermeiden, wurde zu diesen Schwellenwerten heute auch eine Ausschussfeststellung gefasst. Demnach sind ausgeschriebene Dienstleistungsaufträge für ein Vorhaben nur dann zusammenzurechnen, wenn es sich um Dienstleistungen desselben Fachgebiets handelt. Bei völlig unterschiedlichen Dienstleistungsaufträgen, etwa wenn eine Gemeinde Architekturplanung, Projektsteuerung, rechtliche Beratungsleistungen und Vermessungsleistungen ausschreibt, müsse kein komplexes EU-weites Vergabeverfahren durchgeführt werden, sollten die Aufträge zusammengerechnet den Schwellenwert von 221.000 Euro überschreiten.
Bestbieterprinzip wird ausgeweitet
Ein wesentlicher Punkt der Novelle ist die weitere Forcierung des Bestbieterprinzips gegenüber dem Billigstbieterprinzip. Schon jetzt gilt, dass rein auf den Preis abstellende Ausschreibungen - ohne die Berücksichtigung von Folgekosten wie etwa Wartungskosten oder Lebenszykluskosten - nur bei Waren und Dienstleistungen mit hohem Standardisierungsgrad erlaubt sind.
Zudem ist bei bestimmten Vergaben wie Bauaufträgen über einer Million Euro oder der Beschaffung ausgewählter Lebensmittel wie Fleisch, Käse, Obst und Gemüse in jedem Fall verpflichtend das technisch und wirtschaftlich günstigste Angebot zu wählen, wobei neben Kostenfaktoren etwa auch soziale Kriterien berücksichtigt werden können. Diese Verpflichtung wird nun ausgeweitet und gleichzeitig ein neues Qualitätssicherungsmodell eingeführt, das den Auftraggebern die Möglichkeit eröffnet, Qualitätskriterien nicht nur im - laut Erläuterungen komplexen und anfechtungsgefährdeten - Bereich der Zuschlagskriterien festzulegen, sondern etwa auch bei der Leistungsbeschreibung, den Eignungskriterien oder den Ausführungsbedingungen.
Das neue Modell hat den Vorteil, dass die geforderten Qualitätskriterien - in Frage kommen soziale, ökologische und innovative Aspekte - vom Bieter in jedem Fall zu berücksichtigen sind und nicht durch ein besonderes Glänzen bei einem höher gewichteten Zuschlagskriterium, etwa einen besonders attraktiven Preis, umgangen werden können.
Als ein konkretes Beispiel einer Ausführungsbedingung wird in den Erläuterungen die verpflichtende Beschäftigung von Lehrlingen oder Langzeitarbeitslosen im Rahmen der Auftragsausführung genannt. Wie schon bisher muss jedenfalls aus der Ausschreibung klar hervorgehen, welche Leistungen gefordert sind und wie die einzelnen Zuschlagskriterien gewichtet werden.
Qualitätskriterien im Gesundheits- und Sozialbereich beachten
Verpflichtend berücksichtigt werden müssen Qualitätskriterien künftig jedenfalls bei der Ausschreibung personenbezogener Dienstleistungen im Gesundheits- und Sozialbereich - genannt werden in diesem Zusammenhang etwa ärztliche und therapeutische Leistungen, Kinderbetreuung, Erwachsenenbildung, Altersfürsorge etc. -, bei der Ausschreibung von Gebäudereinigungs- und Bewachungsdienstleistungen, bei der Beschaffung von Lebensmitteln sowie bei Verkehrsdiensten im öffentlichen Straßenpersonenverkehr - z. B. bei Linienbussen, Rufbussen oder Anrufsammeltaxis -, wobei bei den unter das Gesetz fallenden Verkehrsdiensten, abweichend von der grundsätzlich freien Wahl der Qualitätsaspekte, zumindest ein soziales Kriterium zur Anwendung kommen muss.
Allgemein kommen als Qualitätskriterium beispielsweise Energieeffizienz, Abfallvermeidung, Bodenschutz, Tierschutz oder die Beschäftigung bestimmter Gruppen wie ältere Arbeitnehmer oder behinderte Menschen in Frage. Im Bereich der Lebensmittelbeschaffung könnte es in diesem Sinn etwa ein Biogütezeichen sein.
Darüber hinaus ist das technisch und wirtschaftlich günstigste Angebot - abseits von Bauaufträgen mit einem geschätzten Auftragswert über einer Million Euro - auch bei Dienstleistungen, die im Verhandlungsverfahren vergeben werden, insbesondere bei geistigen Dienstleistungen, bei einer im Wesentlichen funktionalen Beschreibung der Leistung, bei einem wettbewerblichen Dialog sowie bei Auftragsvergaben im Wege einer so genannten Innovationspartnerschaft verpflichtend zu wählen. Bei letztgenannter handelt es sich um ein neues Vergabemodell mit dem Ziel, eine innovative Ware, Bau- oder Dienstleistung zuerst zu entwickeln und diese dann zu erwerben. Generell gilt, dass die Konzeption und Durchführung eines Vergabeverfahrens nach Möglichkeit so erfolgen soll, dass auch kleine und mittlere Unternehmen daran teilnehmen können.
Pflicht zu elektronischen Vergabeverfahren ab Oktober 2018
Neu ist auch die Verpflichtung der Auftraggeber zu elektronischen Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich ab Oktober 2018. Ab diesem Zeitpunkt müssen außerdem - im Sinne des Transparenzgedankens - die Ergebnisse aller einschlägigen Vergabeverfahren auf einer eigenen Plattform veröffentlicht werden. Das betrifft sowohl vergebene Aufträge als auch abgeschlossene Rahmenvereinbarungen und Ergebnisse von Ideenwettbewerben. Ausnahmen sind nur in bestimmten Fällen vorgesehen, etwa wenn eine Veröffentlichung öffentlichem Interesse zuwiderläuft oder berechtigte geschäftliche Interessen eines Unternehmens geschädigt würden.
Die EU erwartet sich von der elektronischen Abwicklung von Vergabeverfahren nicht nur mehr Transparenz, sondern auch eine erhebliche Reduktion der Kosten. Das Einsparungspotential könne allerdings nur dann realisiert werden, wenn standardisierte Software-Lösungen auf breitester Basis eingesetzt werden bzw. die implementierten Lösungen untereinander kompatibel sind, mahnt das Justizministerium eine abgestimmte Vorgangsweise zwischen Bund und Ländern ein. Die Erfahrung in Deutschland zeige, dass im Falle des Einsatzes unterschiedlicher Beschaffungssysteme hohe Kosten bei den Unternehmen drohen.
Quelle: Parlamentskorrespondenz