Lena Schilling
Lena Schilling: „Die EU muss der Ort werden, an dem wir zeigen, dass Landwirtschaft und der Respekt vor der Natur zusammengehen.“
© Karo Pernegger

„Wir wollen eine starke Europäische Union, die das Klima schützt“

22. April 2024
Die Klimaschutz-Aktivistin Lena Schilling erklärt, warum sie sich bereiterklärt hat, Spitzenkandidatin der Grünen zu werden und und warum sie die Idee der Europagemeinderät:innen toll findet.

Grüne Politik hat oft den Ruf, die Sicht „junger, alternativer LGBTQ- Stadtmenschen“ zu vertreten. Vielen Menschen auf dem Land, in Landgemeinden, fühlen sich da so gar nicht angesprochen. Wie wollen Sie diese Menschen von Ihren Standpunkten überzeugen?

Lena Schilling: Die Grünen haben in den vergangen fünf Jahen gezeigt, dass sie sowohl für eine konstruktive Klima- und Umweltpolitik wie auch einen starken Rechtsstaat und eine gerechte Sozialpolitik stehen. Die Klimakrise ist die größte Herausforderung unserer Zeit und betrifft uns alle – egal, ob wir in Großstädten oder in kleinen Gemeinden am Land leben. Vor diesem Hintergrund habe ich mich dafür entschieden, die Partei als Spitzenkanditin in die Europawahl zu führen.

Diese EU-Wahl ist eine Richtungsentscheidung: Wird die EU auch in Zukunft das Klima schützen oder wird das Rad der Zeit zurückgedreht? Halten wir in den gegenwärtigen Krisen weiterhin solidarisch zusammen oder schaffen es die Rechten Nationalismus und Konkurrenz zu säen?

Aus unserer Sicht ist klar, wohin die Reise gehen soll: Wir wollen eine starke Europäische Union, die das Klima schützt, auf unsere Umwelt schaut und so dafür sorgt, dass wir auch in Zukunft in Frieden und Wohlstand leben können. Gemeinsam sind wir stärker, darum ist klar, dass wir gemeinsam diese historische Aufgabe als Europäische Union zukunftsgewandt und lösungsorientiert angehen.

Die Gemeinden gelten als „Schule der Demokratie“. Wie wollen Sie die Rolle der Gemeinden – auch im europäischen Kontext – stärken?

Da möchte ich beispielhaft die Europagemeinderät:innen nennen. Europagemeinderät:innen sind Personen, die in ihrer Heimatgemeinde als Gemeinderätin bzw. Gemeinderat aktiv sind und sich für die lokale und regionale Vermittlung von EU-Themen engagieren. Allein in Österreich gibt es knapp1.600 von ihnen und sie bilden ein europaweites Netzwerk, das im Rahmen des Projekts „Europa fängt in er Gemeinde an“ geschaffen wurde.

Um die Gemeinden im europäischen Kontext zu stärken, sollen die Europagemeinderät:innen über ihre Vermittlungsrolle hinaus noch stärker in EU-Entscheidungen eingebunden werden, die für die Gemeinden unmittelbar relevant sind. Und – um die Wege zu verkürzen und den direkten Austausch zu intensivieren - sollen sie für ihre Anliegen in der EU-Kommission eine direkte Ansprechperson bekommen.

Was werden Sie unternehmen, dass die EU ein besseres Image in Österreich erreicht? Welche Vorteile vermitteln Sie den Bürgerinnen und Bürgern?

Ich werde mich mit vollem Einsatz in den Maschinenraum der EU begeben, um Lösungen streiten und Kompromisse definieren und gleichzeitig genau darüber sowohl in sozialen Medien wie auch bei Veranstaltungen in Österreich berichten. Und ich werde mir auch unterschiedliche Meinungen einholen, das ist mir wichtig.

Es ist offensichtlich, dass wir die Krisen dieser Welt nur gemeinsam in der EU bzw. im Rahmen der Vereinten Nationen lösen können. Doch die EU könnte der Ort werden, an dem wir beweisen, dass man gut leben kann, ohne dabei den Planeten zu ruinieren. Und der Ort, an dem wir das Zusammenleben als offene und freie Gesellschaft verteidigen – als Gegenmodell zu Diktaturen und Regimen.

Die EU muss der Ort werden, an dem wir zeigen, dass Landwirtschaft und der Respekt vor der Natur zusammengehen. Sie muss der Ort werden, an dem wir der Natur sogar Flächen und Räume zurückgeben, damit sie sich erholen kann. Wir müssen zeigen, dass Wirtschaft ohne Ausbeutung funktioniert. Und auch ohne Öl- und Gaslieferungen von erpresserischen Despoten. Ich höre oft, dass wir als EU die Welt nicht alleine retten können. Das stimmt sicher. Aber wir können ein Ort sein, der zeigt, wie es klappen kann. Daran möchte ich arbeiten, weil genau das muss uns die EU bringen.

Wie werden Sie sicherstellen, dass das Subsidiaritätsprinzip als Kernprinzip der EU weiter Bestand hat und weiterhin bis auf die Gemeindeebene hinunterreicht.

Selbstverständlich sind wir dafür, dass Entscheidungen möglichst bürgernah getroffen werden. Deshalb, ja, zur Subsidiarität, zur Einbindung der Gemeinderät:innen sowie der regionalen und nationalen Parlamente. Dabei geht es nicht nur um scharfe Kompetenzabgrenzungen sondern gerade auch um die Zusammenarbeit der Ebenen und die Frage, wo findet der politische Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern statt. Und dabei spielt die lokale Ebene einfach eine ganz wichtige Rolle.

Grundsätzlich können die großen Herausforderungen unserer Zeit von keinem Mitgliedstaat im Alleingang wirksam bewältigt werden. Vor allem, wenn es um Fragen der Klimakrise, der Sicherheit, der Demokratie und des wirtschaftlichen und sozialen Wohlstands geht, braucht es gemeinsame Lösungen auf europäischer Ebene. Entscheidungen werden aber am besten auf der Ebene getroffen, auf der sie am effektivsten umgesetzt werden können. Um dieses Verständnis des Subsidiaritätsprinzips zu bewahren, müssen die europäischen Institutionen, die nationalen bzw. regionalen Parlamente und die Gemeindeebene weiterhin eng und effizient zusammenarbeiten.

Es gibt in Österreich als einzigem Land der EU knapp 1600 EU-Gemeinderäte. Welchen Beitrag können diese auf dem Weg zu einer positiveren Sichtweise auf die EU leisten und die die EU und die europäischen Themen den Menschen hierzulande näherbringen? Und wie könnten sie dem Trend entgegenwirken, dass die EU-Skepsis nicht noch mehr steigt?

Die Idee der EU-Gemeinderät:innen finde ich so toll, dass ich mir denke: Wenn es  sie noch nicht gäbe, müsste man sie erfinden. Sie können eine wichtige Kommunikations- und sozusagen Scharnierfunktion im europäischen Mehrebenensystem übernehmen. Sie sind am nähesten dran bei den Menschen und ihren Erfahrungen, Sorgen aber auch für Ideen. Wie sich die gemeinsam auf EU-Ebene getroffenen Beschlüsse praktisch auswirken, ist auf der lokalen Ebene meistens schneller bekannt, als in den Hauptstädten oder in Brüssel. Und diese Information sollte über Netzwerke rasch an die entscheidenden Stellen übermittelt werden.

Gleichzeitig müssen aber auch die Informationen über die großen wirtschafts-, klima- und geopolitischen Entscheidungen für rund 450 Millionen Menschen schnell an die kommunale Ebene kommuniziert werden, damit in den Debatten am Dorfplatz