Public-Sector-Information-Richtlinie (PSI)
Es sollte den Kommunen selbst überlassen sein, ob und welche Daten sie (kostenlos) zur Verfügung stellen.
© Shutterstock/Ekaphon maneechot

Wie öffentliche Daten weitergegeben werden sollen

Der Gesetzesvorschlag der EU-Kommission zur Public-Sector-Information-Richtlinie (PSI) stellt nur ein kleines und für viele Abgeordnete zu technisches Dossier dar.

Aus dem Blickwinkel des E-Government-Aktionsplans 2016-2020 der EU-Kommission folgt die Novelle der Public-Sector-Information-Richtlinie (PSI) exakt dessen Zielsetzungen und Prinzipien, bis 2020 offene, effiziente und inklusive öffentliche Einrichtungen zu erreichen.

Das Prinzip der „Offenheit und Transparenz“ wird von den Städten und Gemeinden in Österreich – insbesondere von den größeren Kommunen mit vielfältigeren Daten – auch schon seit vielen Jahren aktiv gelebt. Auf der Open Government Data-Plattform www.data.gv.at, die kooperativ von Bund, Ländern und Gemeinden betrieben wird, stammt  die überwiegende Zahl der Datensätze denn auch von den Kommunen.

data.gv.at
Die überwiegende Zahl der Datensätze auf data.gv.at stammt von den Kommunen.

Bereitstellung von Daten bringt Verpflichtungen und Kosten

Die verfügbaren Daten der Städte und Gemeinden dürfen aber nicht über einen Kamm geschoren werden, wie dies unter dem Regime der PSI-Novelle zu befürchten ist. Eine Bereitstellung zieht – folgt man dem Richtlinien-Entwurf – einen Rattenschwanz an Verpflichtungen nach sich, die ihrerseits mit Aufwand und damit auch Kosten für die Kommunen verbunden sind: Qualitätssicherung, Bereitstellung in elektronischer Form, in standardisierten Datenformaten und abrufbar über standardisierte Schnittstellen. Alles Anforderungen, die bei manchen Datenanwendungen, die von PSI betroffen wären, wohl erst zu schaffen sind.

Internationale Datenindustrie ist eher nicht in der EU angesiedelt

Argumentiert wird vielfach mit der Förderung und Belebung der europäischen IT-Szene und insbesondere Start-ups, die nicht über die finanziellen Möglichkeiten verfügen, kostenpflichtige Daten zu beziehen. Bei allem Verständnis für die Idee, die europäische IT-Branche zu stärken, wird leider nur allzu oft übersehen, dass die internationale Datenindustrie eher nicht in der Europäischen Union angesiedelt ist und von einer Öffnung des Zugangs zu hochwertigen kommunalen Daten weit mehr profitiert als kleine europäische Start-ups! Deren Förderung ließe sich über andere Instrumente wesentlich effektiver steuern.

Kommunales Dilemma bei der zwangsweisen Freigabe von Daten

Übersehen wird häufig auch die Tatsache, dass die kommunalen Tätigkeiten schlussendlich keinem Selbstzweck dienen, sondern dem Allgemeinwohl der Bürgerinnen und Bürger. Investitionen in die Erhebung, Aufbereitung, Qualitätssicherung und Nutzung von kommunalen Daten werden nur zu einem vergleichsweise geringen Anteil aus Steuermitteln finanziert, sondern eher aus den Leistungserträgen der kommunalen Dienste (wie beispielsweise Müllabfuhr oder Abwasserentsorgung). Erträge aus einer kostenpflichtigen Bereitstellung dieser Daten fließen wiederum ins Budget der jeweiligen Gemeinde zurück und kommen so unmittelbar dem Gemeinwohl der Zahler zugute – ein fairer Kreislauf, der mit einer zwangsweisen Freigabe – insbesondere hochwertiger Daten wie z. B. Geodaten – durchbrochen wird!

Aber es gibt in den Reihen der Mitglieder des Europäischen Parlaments auch Verständnis für das kommunale Dilemma. In der EVP-Fraktion verstehen, teilen und vertreten die deutsche CDU-Abgeordnete Sabine Verheyen – früher Bürgermeisterin von Aachen - und in der S&D-Fraktion die deutsche SPD-Abgeordnete Martina Werner die Bedenken der Kommunen.

Keine ausgewogene Regelung über Zugang öffentlicher Stellen zu Datensätzen

Dem Gesetzesentwurf fehlt beispielsweise eine ausgewogene Regelung der Frage des Zugangs öffentlicher Stellen zu vorhandenen (privatwirtschaftlichen) Datensätzen, insbesondere wenn es sich um Derivate auf Grundlage ursprünglich kostenlos von der Kommune zur Verfügung gestellter Daten handelt. Ebenso wird das Risiko von Wertverlusten und daraus resultierendes gesamtwirtschaftliches Schadenpotenzial durch einen Abfluss von Daten aus dem Hoheitsbereich der EU von der Novelle nicht adressiert.

Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung

Der mit der PSI-Novelle vollzogene Paradigmenwechsel von einer bisher freiwilligen hin zur verpflichtenden Zurverfügungstellung von öffentlichen Daten stellt eine – aus dem Blickwinkel der Kommunen – überaus beunruhigende Entwicklung dar.

Es handelt sich dabei um einen klaren Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung und steht nicht mit dem Subsidiaritätsprinzip im Einklang. Es scheint auch, als hätte die Europäische Kommission die wenig homogenen Größenverhältnisse unterschiedlicher Behörden und Kommunen nicht berücksichtigt. Auch die Einbeziehung von kommunalen Unternehmen in den Geltungsbereich der Richtlinie wird überaus kritisch gesehen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass diese vielfach am freien Markt tätig sind und dadurch Wettbewerbsnachteile drohen.

Es ist überdies festzustellen, dass die Europäische Kommission parallel versucht, eine Veröffentlichung deren Daten auch über andere Gesetzesvorschläge zu erreichen (z. B. über die TrinkwasserRL), was sehr nach gezielter Einflussnahme durch Wirtschafts-Lobbyisten aussieht!

Kritische Daten im Bereich der Daseinsvorsorge

Im Bereich der Daseinsvorsorge und bei sonstiger kritischer Infrastruktur sollte mit der Zurverfügungstellung von Daten äußerst sparsam umgegangen werden, um die betroffenen Strukturen nicht zu gefährden. Seitens der Interessensvertretungen wird hier ein gewisser Wiederspruch zu Schutzinitiativen der Kommission von „wichtigen Diensten für die Gesellschaft“ gesehen, wie dies im Rahmen der „NIS-Richtlinie“ verfolgt wird.

Erhöhte Anforderungen an die technische Zurverfügungstellung von Daten

Weitere Kritikpunkte aus kommunaler Sicht sind die erhöhten Anforderungen an die technische Zurverfügungstellung von Daten und zusätzliche Einschränkungen der ohnehin bereits nur geringfügigen Möglichkeiten der Gebühreneinhebung. Den begrenzten finanziellen Ressourcen öffentlicher Stellen wird damit nicht mehr Rechnung getragen.

Weitere Kritikpunkte

Ausdrücklich abgelehnt wird auch die neu geschaffene Kategorie von sogenannten „hochwertiger Datensätzen“. Es sollte den Kommunen selbst überlassen sein, ob und welche Daten sie (kostenlos) zur Verfügung stellen.

Nicht akzeptabel ist weiters auch die Regelung zur Festsetzung von hochwertigen Datensätzen durch die Europäische Kommission selbst. Für die Kommunen birgt diese Regelung schwer kalkulierbare Risiken - nicht zuletzt bei der Haushalts- und Investitionsplanung -, zusätzlich verstärkt durch die ebenfalls deutlich höheren Anforderungen an die einzuhaltenden technischen Standards (maschinenlesbar, Standardformate, über Standard-APIs zugänglich, Bereitstellung einer Dokumentation [und damit Support] zur technischen Abrufbarkeit und offene Lizenzierung (wie z. B. Creative Commons-Lizenz).

Änderungen werden gefordert

Zu all diesen Kritikpunkten haben der Österreichische Städtebund und der Österreichische Gemeindebund Änderungsanträge formuliert und „kommunalaffine“ Mitglieder des Europäischen Parlaments im Binnenmarktausschuss und im Forschungs- und Industrieausschuss ersucht, diese in den Abstimmungen zu unterstützen.

Die Schlussabstimmung im Forschungsausschuss ist für den 3. Dezember 2018 anberaumt. Die informellen/vorbereitenden Trilog-Verhandlungen mit dem Rat begannen bereits Ende Oktober. Der Trilog soll Ende Jänner 2019 abgeschlossen sein und die Plenumsabstimmung wird dann Anfang Februar 2019 erfolgen.

Der zypriotische Hauptberichterstatter Neoklis Sylikiotis unterstützt die kommunalen Bedenken – ein Silberstreif am Horizont für die Städte und Gemeinden! Dem gegenüber stehen die Delegationen im Rat (Vertreter der Mitgliedstaaten), die für die berechtigten kommunalen Einwände bislang wenig empfänglich waren. Es bleibt noch viel zu tun, es ist noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten - auch in Österreich!