
ÖVGW-Vizepräsident Mag. Nikolaus Sauer, Sprecher des Wasserfachs und DI Dr. Roman Neunteufel (BOKU Wien, Studienautor)
© ÖVGW / Daniel Hinterramskogler
Stark schwankendes Grundwasser
Wasserversorgung: Klimawandelanpassungen erhöhen Kosten
Die Österreichische Vereinigung für das Gas- und Wasserfach (ÖVGW) fordert eine rasche Umsetzung des Regierungsprogrammes und untermauert die Dringlichkeit ihrer Forderung mit einer wissenschaftlichen Studie durchgeführt von der BOKU Wien. Mag. Nikolaus Sauer, Vizepräsident der ÖVGW und Sprecher des Wasserfaches betont, dass seitens der Politik klare Maßnahmen gesetzt werden müssen, man müsse vom Zugeständnis ins Handeln kommen.
Die ÖVGW-Studie „Hochwasser, Überflutungen und Stand der Wasserversorgungssicherheit im Jahr 2024“ belegt anschaulich, dass Trockenheit und Starkregenereignisse den Grundwasserspiegel stark schwanken lassen, mit allen einhergehenden Problemen für die Trinkwasserversorgung. Studienautor DI Dr. Roman Neunteufel (BOKU Wien) bezieht neben der Datenauswertung der Wetterereignisse auch Umfrageergebnisse der Wasserversorger mit ein. Die vorliegende Studie erfolgte im Rahmen einer Studienreihe, die von der BOKU Wien seit dem Jahr 2015 zum Thema „Wasserversorgung und Versorgungssicherheit“ regelmäßig durchgeführt wird.
ÖVGW fordert rasche Umsetzung des Regierungsprogramms
Hochwasser, Überflutungen und klimatische Veränderungen prägten das Jahr 2024 – und beeinflussten auch die Versorgungssicherheit mit Trinkwasser in Österreich. Die Systeme seien zwar robust, aber die Herausforderungen durch den Klimawandel nehmen zu. Gemeinden werden künftig stärker gefordert sein, wenn es um Investitionen und klare Prioritäten im Umgang mit Wasserressourcen geht. Langfristig seien sowohl technische als auch strategische Anpassungen der Wasserversorgungssysteme bzw. des Ressourcenmanagement erforderlich.
„Mit zunehmenden Klimawandelauswirkungen wird es stärkere Schwankungen im Niederschlagsgeschehen geben und somit auch zunehmende Schwankungen der Grundwasserstände und der Quellschüttungen. Für die Wasserversorger bedeutet das, dass die Wassergewinnung hinsichtlich der quantitativen Verfügbarkeit herausfordernder wird. Daher kann es zukünftig unter anderem notwendig sein, Ressourcen zu nutzen, die qualitativ beeinträchtigt sind und einen entsprechenden Aufbereitungsbedarf aufweisen, um die gesetzlichen Qualitätsanforderungen einzuhalten“, sagt Roman Neunteufel von der BOKU Wien.
Wetterextreme 2024: Von Trockenheit zu Hochwasser
Das Jahr 2024 begann mit ungewöhnlich trockenen Monaten, gefolgt von einem heißen Sommer mit Rekordzahlen an Hitzetagen. Im September erlebten Teile Niederösterreichs schließlich außergewöhnliche Starkregenereignisse: Innerhalb weniger Tage fielen stellenweise bis zu 400 Millimeter Niederschlag – mehr als das Doppelte der bisherigen Rekorde. Ganze Regionen standen unter Wasser.
Die Untersuchung zeigt jedoch, dass solche Hochwasserereignisse die Grundwasserstände nur kurzfristig anheben. Schon nach wenigen Monaten pendelten sich die Werte wieder auf niedrigem Niveau ein. Die langfristige Tendenz: stärkere Schwankungen und häufiger niedrige Grundwasserstände.
Versorgungssicherheit 2024: Robust, aber nicht selbstverständlich
Eine Befragung von 70 Wasserversorgern, die gemeinsam über fünf Millionen Menschen versorgen, ergab:
- 51 % waren von Starkregen oder Überflutungen betroffen,
- 36 % von Trockenheit,
- 17 % sogar von beidem.
Trotzdem kam es nur bei 3 % der Versorger zu kurzzeitigen Ausfällen von bis zu 24 Stunden. Für die Bevölkerung blieben die Einschränkungen damit überschaubar. Doch schon ein Tag ohne Wasser würde gravierende Folgen für Alltag, Hygiene und Ernährung bedeuten.
Die vergleichsweise geringen Schäden sind den bereits getroffenen Vorsorgemaßnahmen zu verdanken: Viele Brunnen und Quellen wurden hochwassersicherer gemacht, Schutzanlagen verbessert und Notfallpläne etabliert.
Steigende Kosten durch Klimawandelanpassungen
Langfristig werden die Anpassungen an den Klimawandel für Gemeinden und Versorger jedoch teuer:
- In der Vergangenheit lagen die Vorsorgekosten bei etwa 25 € pro Kopf.
- Künftig müssen etwa 75 € pro Kopf einkalkuliert werden.
Vor allem Maßnahmen gegen Trockenheit – wie zusätzliche Verbundleitungen, die Erschließung neuer Ressourcen oder Aufbereitungsanlagen – sind kostenintensiver als der Schutz vor Hochwasser.
ÖVGW-Forderungen: Rasche Umsetzung des Regierungsprogramms
Damit auch in Zukunft eine sichere Versorgung gewährleistet werde, fordert die ÖVGW von der Politik drei zentrale Schritte:
- Rechtliche Priorisierung der Trinkwasserversorgung
Trinkwasser muss in Mangelsituationen Vorrang vor Industrie und Landwirtschaft haben. „Gerade in Phasen von Trockenheit braucht es einen unmissverständlichen Rechtsrahmen betreffend die Nutzung von knappen Wasserressourcen. Sollte Wasser nicht mehr ausreichend für alle Verwendungszwecke wie Industrie, Landwirtschaft oder eben Wasserversorgung zur Verfügung stehen, muss sichergestellt sein, dass die Trinkwasserversorgung Vorrang vor anderen Wassernutzungsarten hat. Hierfür braucht es einen klaren und verbindlichen Rechtsrahmen, der von den zuständigen Behörden auch rasch exekutiert werden kann.“, sagt Mag. Nikolaus Sauer, Vizepräsident der ÖVGW und Sprecher des Wasserfaches.
- Ein zentrales Wasserentnahmeregister
Eine Aufzeichnungspflicht für alle Wasserentnahmen aus den Grundwasserkörpern ist für die Planbarkeit und Sicherstellung der Versorgungssicherheit bei schwankenden Grundwasserständen und Quellschüttungen unbedingt notwendig.
Bislang fehlt ein Überblick, wie viel Wasser wo entnommen wird. „Aktuell befinden wir uns als Wasserversorger, aber natürlich auch die zuständigen Behörden, im ,Blindflug‘. Es gibt derzeit nämlich keinen Überblick, wer wie viel Wasser aus unseren Grundwasserkörpern entnimmt. Gerade diese Informationen sind aber entscheidend für eine vorrausschauende Planung und Einschätzung von Risiken. Daher ist eine zügige legistische Umsetzung des im Regierungsprogramm verankerten Entnahmeregisters von besonderer Priorität.“, so Sauer.
- Bundesförderungen für Klimaanpassung
Gemeinden und Versorger haben bereits viel investiert – von neuen Brunnen bis zu überregionalen Transportleitungen. Doch die Studie zeigt klar: Die Kosten für weitere Anpassungen werden steigen. Ohne Förderungen sind diese Investitionen kaum zu stemmen. „Durch viele bauliche Optimierungen in der Infrastruktur, die Erschließung neuer Brunnen bzw. Quellen oder den Ausbau von überregionalen Transportleitungen konnte die Versorgungssicherheit bisher auf hohem Niveau erhalten werden. Es braucht aber unbedingt weitere Investitionen sowie deren Förderungen seitens der öffentlichen Hand, um diesen Standard aufrechterhalten zu können – zumal aus der präsentierten Studie eindeutig hervorgeht, dass die Kosten für weitere Anpassungen an den Klimawandel deutlich steigen werden“, so Sauer abschließend.
Die österreichische Trinkwasserversorgung ist nach wie vor auf hohem Niveau. 2024 hat gezeigt, dass selbst extreme Ereignisse wie Hochwasser und Starkregen die Systeme nicht aus dem Gleichgewicht bringen. Doch die Reserven sind nicht grenzenlos: Mit fortschreitendem Klimawandel steigen die Risiken, die Schwankungen und die Kosten.
Für Gemeinden bedeutet das:
- Investitionen in Infrastruktur frühzeitig planen
- Kooperationen über Regionen hinweg nutzen
- Rechtsrahmen aktiv einfordern, damit Trinkwasser die höchste Priorität behält.
Download der Studie
Die vollständige Studie „Hochwasser, Überflutungen und Stand der Wasserversorgungssicherheit im Jahr 2024“ steht als PDF auf www.unsertrinkwasser.at zum Download bereit.