Was tun mit dem „Problem“ Hund?
Eigentlich ist das Thema Hunde und Hundehaltung kein wirkliches Gemeindethema. Höchstens am Rande. Die Gesetze über die Haltung von Tieren kommen vom Bund und in der Hauptsache von den Ländern. Gerade die Hundehaltung und die Vorgaben, unter welchen Bedingungen das geschehen soll, ist eigentlich Ländersache.
Aber nach Ansicht der Volksanwaltschaft ist „die Feststellung der Auffälligkeit eines Hundes Aufgabe der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich“. Sie beruft sich auf einen Vorfall, nach dem in Niederösterreich frei laufende Schäferhunde eine Familie mit Hund (an der Leine) angegriffen haben. „Im besagten Fall argumentierte die Gemeinde, erst aufgrund des Einschreitens der Volksanwaltschaft und nach Rücksprache mit dem zuständigen Amtstierarzt von früheren Vorkommnissen erfahren zu haben“, heißt es im Bericht der Volksanwaltschaft.
Und obwohl der Halter bei der Polizei angezeigt und der Fall an die zuständige BH weitergeleitet worden war, hatten die Behörden einander nicht über die Vorfälle informiert.
Datenschutzrechtliche Probleme
Ein Problem liegt laut Volksanwaltschaft darin, dass die Übermittlung von personenbezogenen Daten aus einem Strafverfahren derzeit datenschutzrechtlich nicht gestattet ist. Ein weiteres Problem entstand, als der nachlässige Hundehalter seinen Wohnsitz in eine andere Gemeinde verlegte und sich somit den auferlegten Beschränkungen zum Führen des Hundes entzog. Auch in diesem Fall fehlt eine Rechtsgrundlage, um die neue Wohnsitzgemeinde über den nachlässigen Hundehalter informieren zu können.
Um künftig tragische Vorfälle zu vermeiden, müssen Behörden und Hundebesitzer, so die Volksanwaltschaft, ihren Pflichten nachkommen. Und auch der Gesetzgeber ist gefordert, eine Regelung für offene Fragen zu finden.
Verschärfung und Überwachung
Nach diesem und anderen Vorfällen haben Bund und Länder eine Verschärfung der Regeln und Gesetze und eine striktere Überprüfung in den Raum gestellt. Bei Alkoholsucht oder anderen Suchterkrankungen (als im Oktober in Wien ein Hund ein Kind tödlich biss, war die Hundebesitzerin schwer betrunken) ist die Haltung von Hunden schon jetzt in den meisten Bundesländern untersagt.
In Salzburg muss beispielsweise jeder Hundehalter einen Kurs besuchen. Halter von gefährlichen Rassen müssen dort auch längere Kurse absolvieren. Auch in Niederösterreich und Oberösterreich muss jemand, der einen sogenannten „Listenhund“ halten möchte, einen Sachkundenachweis erbringen. Ähnliche Gesetze gibt es in ganz Österreich – die Überprüfung obliegt derzeit den Gemeinden.
Überwachung ist schwierig
Und da liegt der Hase im Pfeffer! Es gibt genau in 40 der 2098 Gemeinden Österreichs eigene Wachkörper, die eine derartige Überprüfung durchführen könnten. Und, wie Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl sagt, selbst die „strengsten Gesetze werden keine Unglücke verhindern“. Schon jetzt sei es für Gemeinden schwer, die Einhaltung zu überprüfen.
„Wir haben auch schon in der Vergangenheit aufgrund der schwierigen Vollziehung dieser Gesetze die Mitwirkung der Polizei gefordert. Sie wurde uns aber immer verweigert“, stellte Riedl klar. „Es wäre aber sinnvoll, wenn der Bund die Kontrolle der Gesetze übernimmt“, so Riedl und fragt rhetorisch nach: „Oder sollen Gemeinden künftig auch gleich Alkotests machen?“
Wie der Mensch auf den Hund gekommen ist
Aber was hat es eigentlich mit der Emotionalität bei Hunden auf sich? Oder anders gefragt: Wieso halten wir Hunde? Hier soll nicht geklärt werden, ob eine Hunderasse „gefährlicher“ ist als eine andere. Und es soll auch nicht geklärt werden, welche Rassen Probleme machen.
Diese Fragen treffen schlicht gar nicht zu. Hunde reagieren ja nur auf Situationen. Und zwar mit den Mitteln, die sie zur Verfügung haben. Wie Menschen. Vor Angriffen werden sie fliehen oder sich stellen, wenn sie keine Möglichkeit einer Flucht haben. Gleichzeitig können sie „Couchpotatoes“ oder Schmusehunde sein. Sie sind aber auch Arbeitshelfer wie Schutzhunde (Herdenschutz- oder Polizeihunde!), Hütehunde, Fährtensucher, Lawinensuchhunde, sie waren und sind Partner beim Militär, sie wurden zu Helfern bei der Pflege – kurz: Sie haben all jene Rollen übernommen, für die sie von uns Menschen ausgewählt wurden.
Mit ein Grund dafür war in grauer Vorzeit, dass Hunde Rudeltiere sind. Innerhalb des Rudels oder des Clans gibt es eine klare Rangordnung, die sich von der des Menschen gar nicht so sehr unterscheidet. Dieses Sich-in-den-Clan-Einfügen, auch wenn es ein frühzeitlicher Menschenclan war, war einer der Gründe, warum die Menschheit schon früh Wölfe „domestiziert“ hat. Verhaltensforscher mögen dem Autor diese Vereinfachung verzeihen, aber es geht hier nur am Rande um die „Geschichte der Hundwerdung“. Allerdings ist diese rund 35.000 Jahre alte Geschichte wesentlich, um zu verstehen, warum Hunde für uns wichtig sind.
„Menschenrecht auf Hundehaltung?“
Der Verhaltensforscher Kurt Kotrschal schreibt in seinem jüngsten Buch „Hund und Mensch“ davon, dass „gerade Kinder und Tiere, insbesondere Hunde, zusammengehören.“ Das entspräche sogar einem evolutionären Bedürfnis, unserem „Wunsch nach Kontakt zur Natur“. Unsere Beziehung zu Hunden ist mittlerweile so besonders und langwährend, dass sie nach Ansicht Kotrschals – einem der renommiertesten Wissenschaftler Österreichs – „ein Menschenrecht auf Hundehaltung“ begründet. Warum es zwischen Hund und Mensch so gut klappt? „Wölfe und Hunde sind zutiefst kooperativ, auf das Wohl der Gruppe bedacht und bereit, sich in die menschliche Hierarchie einzufügen“, schreibt Kotrschal.
Die Rollen des Hundes sind heute weit entfernt von den Aufgaben in früheren Kulturepochen, als sie Beschützer der Herden, Partner im Krieg und Helfer bei der Jagd waren. Hier liegt aber der nächste Hase im Pfeffer. Unzweifelhaft sollten wir besser verstehen, wie Hunde ticken, wenn wir welche halten.
Kotrschal umschreibt das mit „Hundeerziehung ist Teambildung mit dem Menschen“. Der Stil des Umgangs mit dem Hund und der Beziehung zu ihm bestimmen demnach, wie sich der Hund anderen Leuten gegenüber verhalten wird. Dazu brauche es die „positive Führung und die Anerkennung des Hundes als Partner, auf dessen Bedürfnisse wir uns einzustellen haben“. Auch wenn Kotrschal schreibt, dass das Buch „keine Kochrezepte für den richtigen Umgang mit Hunden bietet“, beschreibt er dennoch gewisse Problemverhalten.
Darauf achten, wie Hunde kommunizieren
Klar scheint eines: Die Grundbedürfnisse des Hundes im Zusammenleben mit uns Menschen sind mehr als nur Futter, Wasser, ein Schlafplatz und ein Spielzeug.
Um ein harmonisches und konfliktfreies Zusammenleben zu garantieren, müssen Hundehalter, sollten aber auch „Nicht-Hundehalter“ aufmerksamer auf die Zeichen achten, mit denen Hunde mit uns Menschen zu kommunizieren versuchen.
Ein kleines Beispiel: Der Spaziergang am Sonntagnachmittag auf einer Promenade ist bei schönem Wetter ein Garant für viel Trubel. Nicht jeder Hund wird mit einem Spaziergang in dieser Umgebung glücklich sein, er wird zuerst leicht und mit der Zeit immer stärkere Anzeichen von Stress zeigen. Erkennt der Hundehalter diese und handelt er dementsprechend, wird es zu keinerlei Problemen kommen. Tut er das nicht, kann ein Hund schon einmal „überreagieren“, wenn der zehnte Radfahrer zu schnell an ihm vorbeirast und er schon beim ersten Mal Angst vor dem schnellen Ding hatte.
Auch „Nicht-Hundehalter“ sollten in so einem Fall nicht einfach ihr Ding durchzuziehen. Vielleicht könnte man (wie beispielsweise bei einer Begegnung mit Pferden) Rücksicht darauf nehmen, dass ein Hund an der Leine kaum Möglichkeiten hat, einer unangenehmen Situation auszuweichen. Kurz stehenbleiben, nicht zu knapp an ihm vorbei gehen, dem Tier ein wenig Freiraum lassen.
Macht der Hund Probleme, sollte auch der Mensch auf die Couch
Dieser systematische Ansatz, so Kotrschal, sollte heute selbstverständlich sein. Er basiert auf der Erkenntnis, dass die Beziehung zum Hund eine ganz normale Sozialbeziehung ist. Sehr gut lässt sich das mit dem Sprichwort „Wie der Herr, so’s Gscherr“ auf den Punkt bringen.
So fanden zwei Diplomstudentinnen bei einer Untersuchung von 600 Gassi-Gehern in der Wiener Innenstadt gravierende Unterschiede. Das reichte von einem harmonisch-synchronen Mensch-Hund-Paar, das auch ohne Kommandos und offensichtlich durch Blickkontakt und wechselseitige Aufmerksamkeit funktionierte - und das oft (illegalerweise) ohne Leine. Und es gab die „Flexi-Paare“, die durch eine lange, elastische Leine zwar miteinander verbunden waren, aber sich so gar nicht interessierten, was der jeweils andere gerade tut. Unsynchronisiert und disharmonisch nennt das der Verhaltensforscher.
Es scheint, dass das Verhalten des Hundes sich stark daran orientiert, wie aufmerksam, verlässlich und empathisch der Mensch mit ihm umgeht und es schafft, Sicherheit zu vermitteln und das Selbstvertrauen des Hundes zu stärken.
Hunde beziehen laut Kotrschal ihre Sicherheit im Zusammenleben mit Menschen vor allem aus drei Quellen: „Allen voran der guten Einbettung in die Familie, aus der klaren Führungsrolle des Menschen und dem gelegentlichen liebevollen, aber bestimmten Setzen von Grenzen.“
Dominanz des Menschen ist der falsche Ansatz
Aber Achtung beim Grenzen setzen! Dominanz des Menschen ist der falsche Ansatz. „In der Konsequenz macht es einen Unterschied wie Tag und Nacht, ob ‚mit der Faust‘ dominiert wird oder mittels ‚Motivieren‘ geführt wird.“ Die Leitwolf-Phantasie des Menschen rührt „von einer völlig falschen Ideologie über Wölfe als Rechtfertigung eines problematischen Umgangs mit Hunden und ist schlicht wahnwitzig“, warnt Kotrschal.
Was fangen wir mit dieser Erkenntnis an? Oder anders gefragt: Woran wird’s scheitern, auch wenn wir es besser wissen? Obwohl wir an dieser Stelle kaum an der Oberfläche des richtigen Umgangs oder besser des Zusammenlebens von Menschen mit Hunden gekratzt haben, kann man nach Meinung des Autors davon ausgehen, dass die meisten Probleme mit Hunden vom zugehörigen Mensch ausgehen. Insofern ist eine Art Eignungsprüfung für Menschen, die sich einen Hund zulegen, also durchaus angebracht.
Hunderasse spielt kaum eine Rolle
Die Hunderasse selbst scheint eher nebensächlich zu sein. Aber angemerkt muss werden, dass die Beißkraft der „Listenhunde“ beziehungsweise deren ursprünglicher Zuchtzweck als Kampf- oder Schutzhund oder als Jagdhund für die Jagd auf „wehrhaftes“ Wild diesen ganz eigene Charakterzüge verleiht. Da die Statistik sagt, dass der Deutsche Schäferhund die meisten Bissverletzungen verursacht, sollte der Eignungstest vermutlich auf alle Hundebesitzer ausgedehnt werden. Nicht nur auf Listenhunde, sondern auf alle rund 581.000 Hunde in den rund 511.000 Haushalten (Quelle: petcom.at).
Aber wer soll das machen? Da die Gemeinden hier weder das geeignete Wissen, noch das Personal, noch die Zuständigkeit haben, wird das wohl Landessache sein. Dort sind aber die Experten für Hundeverhalten auch nicht dicht gesät. So wird auf Kynologenverbände zugegriffen, die zwar Hundeexperten sind, aber auch keine Verhaltensexperten.
Eignungsprüfung durch Tierärzte?
Und der Vorschlag der Veterinärmediziner, dass die „Wissensvermittlung in Zukunft bei eigens ausgebildeten Veterinären liegen soll“, ist auch nicht das Gelbe vom Ei. Mit diesen Medizinern ist es so wie mit den „Menschenärzten“– in den meisten Gemeinden gibt es keine. Und eine Zusatzausbildung bräuchten die Tierärzte auch. Und die Anzahl macht’s auch aus: In Wien gibt es rund 25 geprüfte Hundeführscheinprüfer – für rund 200.000 (gemeldete) Hunde.
Conclusio
Die Gemeinden werden vermutlich in der nächsten Zeit mit vielen Problemen übrig bleiben. Die Rechtslage ist – zumindest derzeit – noch unklar, da in vielen Ländern eine Verschärfung der Vorschriften und Gesetze im Gange oder in Diskussion ist.
Die positive Seite der Geschichte ist, dass der überwältigende Anteil der Hundehalter verantwortungsbewusste Menschen sind, die sich an Gesetze halten. Von einigen schwarzen Schafen auf das ganze Rudel zu schließen und mit übertriebenen Vorschriften zu reagieren, wäre also kontraproduktiv.