Das Projekt Seestadt Aspern wurde kritisch beleuchtet.
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Was bringen Smart Cities?

10. November 2016
Eine Veranstaltung von Umwelt Management Austria, beschäftigte sich vor allem mit der Seestadt Aspern, dem größten Smart City Projekte in Österreich.

„Smart City Wien“ der Modernisierung der Stadt verschrieben, um Energieverbrauch und Emissionen signifikant zu senken, ohne dabei auf Konsum oder Mobilität verzichten zu müssen. „Smart City Wien soll für eine intelligente Stadt, für intelligente und innovative Lösungen, für den verantwortungsvollen und nachhaltigen Umgang mit Ressourcen stehen“, sagt der Geschäftsführer von Umwelt Management Austria, Reinhold Christian. „Schaut man aber in die bereits gebaute Seestadt, dann sieht man z. B. vier Spuren für Pkw und Öffi-Haltestellen ohne Wartehäuschen.

Schlechte Verkehrsanbindung für Unternehmen



Oliver Juli von Siemens zeigte sich überzeugt, dass Wohnungen in der Seestadt Aspern „wie die warmen Semmeln weggehen“ würden, für Unternehmen sei der Standort aber wegen der mangelhaften Straßenanbindung nicht ideal. Er sprach sich daher für die Anbindung an die S1 und A23 sowie für den Bau des Lobautunnel aus, mit dem man sehr schnell am Flughafen sein könnte.



Juli machte darauf aufmerksam, dass es im Projekt Seestadt Aspern drei eingebundene Baufelder gäbe. Unterschiedliche Technologien wie Wärmepumpen, Solar-Technologie, thermische und elektrische Speicher wurden installiert. Der Batteriespeicher im Studentenwohnheim diene auch als Netzspeicher, über 500 Smart Meter seien verbaut worden, das Niederspannungsnetz unterliege einem Monitoring usw. Die komplette Infrastruktur inklusive der Gebäudeautomation wäre im Besitz der Forschungsgesellschaft ASCR.



Mit jedem einzelnen am Forschungsprojekt teilnehmenden Mieter sei ein Vertrag zur Aufzeichnung und Verwendung der Daten unterzeichnet worden, ebenso mit den Gebäudeeigentümern. Bis zu zwei Millionen Datensätze würden pro Tag aufgezeichnet.



Das Forschungsprogramm des ASCR besteht aus vier Säulen (Gebäude, Netze, Nutzer, IKT).



Juli erläuterte, dass sich etwa 100 Haushalte (knapp 50% der befragten) am Projekt beteiligen.[1] User könnten Wohnklima und Lüftung steuern, dies wäre aber nichts Besonderes, denn technische Lösungen könne man auch im Elektrofachhandel erwerben.



Demnächst sollen Wünsche der Haushalte in die Weiterentwicklung der Technik einfließen. Daten der Anlagen würden gemessen, Systeme zur Automatisierung und zum Management würden simuliert werden.



Elf Anwendungsfälle würden durch ASCR betrachtet. Insbesondere seien Flexibilitäten von Gebäuden interessant, sprich die Teilnahme am Energiemarkt. Eine Kommunikation der Gebäude mit dem Niederspannungsnetz könne erfolgen. Wenn heutzutage das Niederspannungsnetz in Schwierigkeiten gerät, gäbe es keine Lösung. Ziel sei es, solche Lösungen zu erarbeiten, z. B. vorübergehende Abschaltung der Wärmepumpe, wenn genug Wärme zwischengespeichert wurde, oder die Abschaltung der Kühlaggregate, ... Des Weiteren könnten in Zukunft Geldflüsse für Flexibilitäten generiert werden (gezielte Nachfrage nach Strom erzeugen, Verlagern bzw. Abschalten von Lasten, Einspeisung von Strom aus Batteriespeichern, …).



Derzeit müssten nach Meinung von Juli EVUs sehr viel „Kupfer vergraben“. Neue Technologien würden andere Möglichkeiten bieten.

Technologien, mit denen viele nichts anfangen können



Thomas Ritt, Leiter der Abteilung Kommunalpolitik der AK Wien, betrachtete das Thema „Smart City“ aus gesellschaftspolitischer Sicht. Neben ihm wüssten auch viele andere nicht wirklich, was „Smart City“ bedeutet. Das bisherige Zukunftskonzept „Nachhaltigkeit“ würde jedenfalls (auch ohne Smart City) ökonomische, ökologische sowie sozial nachhaltige Aspekte und zwar integriert berücksichtigen.



Mit der Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt 2007 seien nach Aussage von Ritt auch die Modernisierung der Infrastruktur und Energieeffizienz in den Fokus gerückt. Allerdings sei man inzwischen von Konzepten der Ressourceneffizienz wie „Faktor 4“ weit entfernt. Und Smart Cities bedeute lediglich Digitalisierung und Technologien, mit denen viele nichts anfangen könnten.



Der AK-Experte berichtete über ein Beispiel, das ein IBM-Manager in Alpbach gebrachte hatte: In der Stadt gäbe es Staus, Städte hätten kein Geld und könnten z. B. das Gasnetz nicht reparieren. IBM würde einen Chip in das Auto geben. Dieses würde Gas „erschnüffeln“ und Leckagen der Stadt mitteilen können. Nach Meinung von Ritt hätte dies zur Folge, dass sich die Stadt schrittweise in die Hand von Konzernen begibt. Früher hätte es nach Ansicht des Referenten Öko-Schmäh gegeben, heute würde es Smart City Schmäh (Garage mit WLAN und E-Tankstellen, …) geben.



Aus Sicht von Ritt wäre der Versuch, Smart City zu normieren „gar nicht mehr lustig“, denn z.B. Lebensqualität könne man nicht normieren. Fördermittel würden von Normen abhängen. Ausschreibungen würden dann in Zukunft von Normen abhängen.



Eine der größten Smart Cities wäre Songdo in China, dicht verbaut, mit einer Gestaltung, die an Berlin Marzahn erinnern würde, … aber aus Sicht von Ritt nicht lebenswert ist. Die Politik in China versuche Smart Governance umzusetzen, dies sei im Vergleich mit Good Governance aber weit weg von Nachhaltigkeit.



Nach Meinung von Ritt zielen Smart City Konzepte sehr stark auf Energieeffizienz ab. Die Ausschöpfung von Effizienzpotenzialen steht aber schon seit Jahren im Fokus der Politiken. Aber: „Autos verbrauchen weniger Sprit, werden schwerer, es wird mehr gefahren und Effizienzpotenziale würden letztendlich nicht ausgeschöpft. Im Bereich der Beleuchtung sind wir im historischen Kontext effizienter geworden aber wir verbrauchen mehr Energie für die Beleuchtung, weil mehr und länger beleuchtet wird“, so Ritt.



Neue Technologien wären im Rahmen von Smart City ein großes Thema. Die Frage sei, ob es neue Technologien braucht oder ob einfach bekannte Lösungen umgesetzt werden müssten z.B. Ausbau der Bahn für die Pendler nach Wien, ... Nach Meinung von Ritt wäre „wahnsinnig viel ohne eine neue Technologie möglich.“



Ein großes Problem würde auch der Datenschutz auf Grund der großen Datenmenge darstellen.



Ritt abschließend: „Wien ist anders! Wirklich. Auf der Smart City Expo in Barcelona habe Wien ein gutes Konzept präsentiert. Die Gefahr sei insgesamt, dass der Begriff „Smart City“ hauptsächlich durch industriegeprägte Interessen normiert wird.



[1] Erfasst werden bei den Haushalten über Smart Meter die Gesamtverbrauche. Die Höhe der Verbrauche einzelner Anwendungen wird nicht gemessen. Über die Auswertung der Smart Meter Daten sind Spitzen erkennbar. Diesen könnten theoretisch Anwendungen zu geordnet werden z. B. den Waschmaschinen (wird aber nicht ausgewertet).