Baumpflanzung in Villach
Neue Bäume für den Villacher Hauptplatz: Nach und nach hievten die Stadtgrün-Teams die neuen Schwammstadtbäume an ihren Platz.
© Stadt Villach / Astrid Kompan

Villach zeigt, wie Klimaanpassung funktioniert

Starkregenereignisse und urbane Hitzeinseln sind die modernen Katastrophen und werden für Österreichs Gemeinden zur wachsenden Herausforderung. Die Stadt Villach hat mit ihrer „Grünen Achse“ ein Zeichen gesetzt und auch ein innovatives Schwammstadt-Konzept umgesetzt und dieses erst im Mai 2025 fertiggestellt, das zeigt: Klimafitte Ortsentwicklung ist machbar, finanzierbar und bringt messbare Vorteile für Bürgerinnen und Bürger. Andere Gemeinden ziehen nach.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache, wie eine im März 2025 veröffentlichte Studie der Geosphere Austria belegt: Extreme Regenereignisse bringen innerhalb einer Stunde mittlerweile um 15 Prozent mehr Regen als früher, die Regenmenge innerhalb eines Tages hat bei extremen Ereignissen in den letzten 40 Jahren um 8 Prozent zugenommen. 

Extreme Regenmengen innerhalb eines Tages haben sich an der Nordseite und Südseite der Alpen sehr unterschiedlich entwickelt (links). Extreme Regenmengen innerhalb einer Stunde zeigen an der Nord- und Südseite der Alpen eine ähnliche Entwicklung rechts)

Während sich die Intensität von Starkregenereignissen österreichweit verstärkt, stehen Gemeinden vor der Herausforderung, ihre Infrastruktur entsprechend anzupassen. Längere Hitzephasen fordern Kühlung und optimiertes Wassermanagement. Im Bundesland Kärnten macht Villach vor, wie das gelingen kann. Aber auch in anderen Gemeinden ist man bereits aktiv.

Mehr als nur Grün: Das Schwammstadt-Prinzip verstehen

„Schon jetzt haben wir rund 3500 Bäume im öffentlichen Innenstadt-Raum, künftig werden es noch deutlich mehr sein“, erklärt Villachs Bürgermeister Günther Albel auf der offiziellen Website villach.at am Beginn des Projektes „Grünen Achse“. Dahinter steckt weit mehr als herkömmliche Stadtbegrünung. Es handelt sich dabei um eine nachhaltige Begrünung vom Hauptbahnhof bis zum Stadtgarten, die im Mai fertiggestellt wurde mit Einbeziehung des Schwammstadt-Prinzipes.

Das Schwammstadt-Prinzip ist ein innovatives System und eine an die lokalen Gegebenheiten anpassbare Maßnahme, die die gesunde Entwicklung großkroniger Bäume in befestigten Flächen ermöglicht und unterirdischen Retentionsraum für Niederschlagswässer schafft. 

„Der Wurzelraum von Bäumen kann, ohne Schäden zu verursachen, unter befestigten Flächen liegen“, ist auf dem Schwammstadt-Portal nachzulesen. Der zusätzliche Effekt: Die Schaffung von Retentionsraum für Niederschlagswässer entlastet das Kanalsystem und versorgt die Bäume auch in Trockenperioden.

Der technische Unterbau macht den Unterschied. Die Umsetzung erfordert präzise Planung: Im Untergrund wird ein Skelett aus Grobsplitt eingebaut, das sowohl Verkehrslasten abträgt als auch Hohlräume für Luft und Wasser schafft. Diese Zwischenräume werden mit mineralisch-organischem Feinsubstrat gefüllt, das den Bäumen Nährstoffe und Wasserspeicher liefert.

Darüber folgt eine Belüftungsschicht und schließlich die oberste Tragschicht mit dem eigentlichen Straßen- oder Platzbelag. Unterirdische Verteilsysteme leiten Regenwasser über Einlaufgitter gezielt in den Schwammkörper, wo es gespeichert wird oder kontrolliert versickern kann.

Bürgerbeteiligung als Erfolgsfaktor

Villachs Ansatz zeigt: Ohne die Menschen geht es nicht. Bei sogenannten „Baustellen-Stammtischen“ wurden Anrainerinnen und Wirtschaftstreibende von Anfang an eingebunden. Diese partizipative Herangehensweise zahlte sich aus: Die Baustellen wurden so getaktet, dass wirtschaftliche Einbußen minimiert wurden, während gleichzeitig das Verständnis für die langfristigen Vorteile wuchs.

Finanzierung durch lokale Partnerschaften

Günther Albel
Günther Albel, Bürgermeister von Villach: „Schon jetzt haben wir rund 3500 Bäume im öffentlichen Innenstadt-Raum, künftig werden es noch deutlich mehr sein.“

Ein besonders innovativer Aspekt des Villacher Modells ist die Einbindung der lokalen Wirtschaft. Firmen wie „Willroider, Infineon, Papyrus, Saubermacher, Neukauf, Kelag, August De Roode und Voco“ übernahmen Baumpatenschaften und finanzierten die aufwändigen Schwammstadt-Bäume mit.

Diese Public-Private-Partnership reduziert nicht nur die Kosten für die Gemeindekasse, sondern schafft auch lokale Identifikation mit dem Projekt. Jeder gesponserte Baum wird mit einer Tafel gekennzeichnet – eine win-win-Situation für Kommune und Unternehmen.

Messbare Klimavorteile für die Gemeinde

Die Investition zahlt sich mehrfach aus: Bäume spenden Schatten, kühlen durch Verdunstung und reduzieren urbane Hitzeinseln. Gleichzeitig fungiert das System als dezentraler Hochwasserschutz – Starkregen wird lokal zurückgehalten, die Kanalisation entlastet. Zusätzlich verbessern die Bäume die Luftqualität durch CO₂-Bindung und Filterung von Schadstoffen.

Von der Vision zur durchgehenden Achse

Die durchgehende Allee vom Hauptbahnhof bis zum Stadtpark wurde schrittweise realisiert. Nach dem Start auf dem Standesamtsplatz im Oktober 2022 folgten zehn Schwammstadt-Bäume auf dem historischen Hauptplatz – „erstmals seit Bestehen der Stadt“ stehen dort nun fest verwurzelte Bäume.

„Es ist wirklich historisch“, sagt Bürgermeister Günther Albel. „Erstmals stehen in den Boden gepflanzte Bäume auf dem Hauptplatz“. Die Fertigstellung wurde mit einem großen Baumfest gefeiert.

Was Gemeinden von Villach lernen können:

Das Villacher Modell zeigt entscheidende Erfolgsfaktoren:

  • Wissenschaftliche Fundierung: Datenbasierte Entscheidungen erhöhen die Akzeptanz und Wirksamkeit.
  • Partizipation von Anfang an: Die frühzeitige Einbindung aller Betroffenen verhindert spätere Konflikte und schafft Verständnis für temporäre Unannehmlichkeiten.
  • Innovative Finanzierung: Durch Baumpatenschaften und Sponsoring können auch kleinere Gemeinden ambitionierte Klimaschutzprojekte stemmen.

Investition in die Zukunft

Angesichts zunehmender Extremwetterereignisse ist Klimaanpassung keine Option, sondern Notwendigkeit. Villachs Schwammstadt-Projekt beweist: Mit innovativen Ansätzen, wissenschaftlicher Begleitung und breiter Bürgerbeteiligung können Gemeinden erfolgreich agieren.

Die anfänglichen Kosten – Villach investierte initial 200.000 Euro – amortisieren sich durch geringere Infrastrukturschäden, reduzierte Kanalbelastung und verbesserte Lebensqualität. Vor allem aber schaffen solche Projekte das, was Gemeinden am dringendsten brauchen: Resilienz für eine klimafitte Zukunft.

Schwammstadt-Projekte sind heute zentrale Pilotmaßnahmen für nachhaltige, klimaresiliente Städte in Österreich. Neben Villach gibt es zahlreiche Projekte in Wien, Graz, Amstetten, Mödling und eine wachsende Zahl weiterer Gemeinden, wie beispielsweise Lanzenkirchen oder Attnang-Puchheim setzen das Prinzip um und leisten damit einen aktiven Beitrag zur Kühlung, Entlastung der Kanalsysteme und Förderung gesunder Stadtbäume.

Villachs „Grüne Achse“ im Überblick:

1. Abklärung der Sicherheits- und Veranstaltungsaspekte: Wo müssen Blaulichtzufahrten frei bleiben? Wo sind Wasser- oder Stromleitungen mit Baumpflan¬zun-gen unvereinbar? Welche Areale werden in jedem Fall für Veranstaltungen benötigt? Die Abklärung ist im Sommer 2022 erfolgt.

2. Einbindung der von den Begrünungen betroffenen Anrainer, um möglichst viele Wünsche und Anmerkungen im Vorfeld der Umsetzung einfließen lassen zu können. Diese Phase ist im Sommer und Herbst erfolgt. Der Bauzeitplan wurde von Hauptplatz-Anrainerinnen und-Anrainern aus wirtschaftlichen Motiven abgestimmt, die Baustellen sollen jeweils im Frühling erfolgen. Die endgültige Fertigstellung wird mit Sommer 2025 anvisiert.    

3. Beginn der Entsiegelungsmaßnahmen und erste Pflanzungen: Im Villacher Stadtbudget waren dafür 200.000 Euro vorgesehen. Der Start erfolgte im Herbst 2022 mit zwei Bäumen auf dem Standesamtsplatz.

4. Im März 2023 wurde der erste Baum am Hauptplatz gepflanzt. Drei weitere Schwammstadtbäume wurden im Februar 2024 am unteren Hauptplatz gepflanzt. Im Frühjahr 2025 folgten sechs weitere Schwammstadtbäume am Hauptplatz und im Mai 2025 die Fertigstellung.

villach.at/grueneachse    

 

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