Finanzen
Tenor: Die Liquidität der Gemeinden ist nachhaltig geschwächt
Während der Trendforscher Pitters einen Detailblick auf seinen Gemeinde-Investitionsbericht 2024 gab, informierte der Verwaltungsforscher Biwald über die wichtigsten Ergebnisse und gab einen Ausblick auf die Gemeindefinanzen 2024.
Gemeinden pessimistisch
Laut Pitters gehen vor allem Gemeinden, die ihre finanzielle Situation bereits als „schlecht“ bezeichnen, von einer weiteren Verschlechterung aus. Ganze 82 Prozent gaben für 2024 an, dass sie für heuer eine Verschlechterung der Gemeindefinanzen erwarten. Ein ähnlich pessimistischer Wert wurde zuvor nur im Corona-Krisenjahr 2020 erreicht.
Größere Gemeinden dagegen würden häufiger Ausgabe planen – in einem Volumen in Höhe von rund sechs Milliarden Euro. Bezeichnend, so Pitters, sei, dass weibliche Entscheidungsträgerinnen in Gemeinden häufiger als ihre männlichen Kollegen, angeben, 2024 keine Investitionen zu planen.
Dem gegenüber steht als Trend, so Pitters, dass 99 Prozent der Gemeinden angeben, dass vor allem in Krisenzeiten den Gemeinden eine wichtigere Rolle zukomme, es also wesentlich sei, die Finanzmittel sicher zu stellen. Und der Aussage, dass der Finanzausgleich, der Ende 2023 im Wesentlichen erfolgreich ausverhandelt wurde, dennoch neu geregelt werden solle, stimmten 92 Prozent der Befragten zu.
Befragt wurden zwischen November 2023 und Jänner 2024 übrigens mit Online-Interviews 305 Entscheidungsträger in Österreichs Gemeinden, wovon 15 Prozent weiblich waren.
Geringerer Spielraum bei Gemeindefinanzen
Peter Biwald, Verwaltungsforscher und Geschäftsführer des Zentrums für Verwaltungsforschung KDZ, stellte in seiner Keynote einen Überblick über die Gemeindefinanzen, eine Vorschau auf die zu erwartenden Herausforderungen und seine Lösungsansätze vor.
Der Zustand der Gemeindefinanzen ist demnach im Wesentlichen unverändert zur KDZ-Prognose vom April. Das bedeutet, dass die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben immer mehr aufgeht, erschwert durch die Transferzahlungen der Gemeinden an die Länder. Die kommunale Liquidität 2024 und die Folgejahre ist nachhaltig geschwächt, das Niveau ähnlich wie im Krisenjahr 2020. Viele Gemeinden schaffen den Budgetausgleich nicht, die Zahl der Abgangsgemeinden steigt.
Als Folge ist ein Rückgang der kommunalen Investitionen erwartbar. Darüber hinaus ist die Finanzierung wichtiger Zukunftsbereiche wie Klimaschutz und Mobilitätswende ungewiss, und auch wenn das Finanzausgleichsgesetz Linderung bringe, so braucht es weitere Reformschritte, so Biwald.
Zudem seien in den meisten Bundesländern für 2024 Umlagensteigerungen von über zehn Prozent gegenüber 2023 vorgesehen. Bis 2027 könnten bereits über 70 Prozent der Ertragsanteile der Gemeinden über den Weg der Umlagen an die Länder gehen (2018 lag der Anteil bei 60 Prozent). Dies ist eine permanente Verschlechterung der Einnahmenbasis der Gemeinden, sodass immer weniger Mittel aus dem großen Topf der Ertragsanteile für die Kernaufgaben der Gemeinden verbleiben.
Ein möglicher Ausweg: Finanzausgleich für jedes Bundesland
Der Finanzausgleich müsse, so Biwald, zusätzlich zur Bundesebene auch in jedem Bundesland verhandelt werden, um ausufernde Transferzahlungen hintan zu halten. Der jetzige Zustand würde die Gemeinden mancherorts zwingen, ihre Kernaufgaben mit lediglich 30 Prozent der dafür vorgesehenen Mittel zu erfüllen, auf längere Sicht ein Ding der Unmöglichkeit. Als weiteren Ausweg sieht Biwald die Dringlichkeit, Reformen auch durchzuführen und nannte dabei die Grundsteuerreform.
Die Frage nach den Kernaufgaben und wie sie kommuniziert werden sollten
Das KWF ging mit einer hochrangig besetzten Podiumsdiskussion zum Themenspektrum zu Ende. Gemeindebund-Präsident Hannes Pressl bestätigte dabei die Problematik der Finanzen.
„Deswegen haben wir ja die Forderung nach einer Milliarde Mittel Zusatzmittel, die wir benötigen, auch gegenüber dem Bund aufgestellt. Aber am Ende des Tages müssen wir uns eines klar werden müssen: Es wird nicht jede jedes Jahr Zusatzmittel geben können. Die Gespräche, die ich führe, zeigen mir auch deutlich, dass der Bund und die Länder in derselben Situation sind.“
Pressl meinte, dass sich die Gemeinden wieder auf ihre Kernaufgaben konzentrieren müssen, sich sagen müssen, wofür die Gemeinden da sind. „Man kann sich schon wünschen, wofür man noch überall zuständig sein will oder sollte. Aber zunächst geht darum, die Kernaufgaben zu füllen. Und das ist auch mit der Bevölkerung zu kommunizieren“, so Pressl. Er habe manchmal den Eindruck, dass – nicht nur auf Gemeindeebene – Erwartungshaltungen geweckt wurden, was korrigiert werden müsse.
Denn die Bürger, die Bürgerinnen draußen haben andere Sorgen. Die wollen wissen, wo die Kinder in die Schule gehen. Was dahinter passiere, sei zweitrangig.
Er führte weiter aus, dass in Erinnerung geholt werden muss, dass es bei allen Diskussionen um Steuergeld geht.
„Das muss auch irgendwer bezahlen.“ Kommunale Leistungen kosten etwas, und zum Thema Grundsteuer meinte er, dass mit der Feststellung, dass den Gemeinden durch die „Nicht-Reform“ 380 Millionen Euro entgehen würde, auch zusammenhängt, dem Bürger, der Bürgerin das zu erklären. „Man muss sich hinstellen und dem Menschen sagen, dass sie bislang 180 Euro Grundsteuer B bezahlt haben, nach der Reform sind es dann 250, 260 Euro. Und diese Ehrlichkeit müssen wir an den Tag legen“, so Pressl.