Sonja Ottenbacher
Sonja Ottenbacher: „Am Land oder besser in den Gemeinden am Land hast du auch die Nähe zu den Menschen auf deiner Seite“
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Porträt

Sonja Ottenbacher: Eine Vorkämpferin nimmt Abschied

Sonja Ottenbacher, 20 Jahre Bürgermeisterin von Stuhlfelden im Pinzgau, kandidiert nicht mehr. Nach der Salzburger Gemeinderats- und Bürgermeisterwahl im Frühjahr 2024 wird sie das Bürgermeisteramt abgeben. Für Salzburg, den Pinzgau und vor allem die Frauen in der Kommunalpolitik in Österreich hat sie Geschichte geschrieben.

Mit Sonja Ottenbacher verlässt eine wahre Vorkämpferin die kommunalpolitische Bühne Österreichs. Sie wurde 2004 als eine von drei erste Bürgermeisterin Salzburgs überhaupt. Über den Grund für ihren Rückzug meint sie, dass es sich „jetzt einfach gut anfühlt“. Bei den letzten Wahlen wurde sie in der Direktwahl noch mit mehr als 90 Prozent im Amt bestätigt (damals liebäugelte sie in einem „Kronen Zeitung“-Interview noch mit einer weiteren Periode), jetzt „ist es aber an der Zeit“. 

Sonja Ottenbacher
Sich auf ihr Bauchgefühl zu verlassen, damit ist Sonja Ottenbacher die vergangenen 25 Jahre gut gefahren, und vielleicht ist es auch das, was den Unterschied zwischen Männern und Frauen im Amt ausmacht. Foto: Franz Gleiß

Sie meint damit die einfache Tatsache, dass es nach 25 Jahren – vor der Bürgermeisterin war sie Vize – ein gutes Gefühl ist, das Amt an einen Nachfolger übergeben zu können, der sich ebenso gut in der Gemeinde auskennt und so integriert ist wie sie selbst. Sie kann „ihren Ort“ in gute Hände geben.

Ein Blick zurück. 1999 gewann die VP in der Gemeinde Stuhlfelden überraschend ein Mandat dazu und damit den Posten des Vizebürgermeisters. Dieses Amt übernahm die damalige Quereinsteigerin in die Politik, die diplomierte Krankenschwester und Psychotherapeutin Sonja Ottenbacher.

Fünf Jahre war sie als Vizebürgermeisterin aktiv und überzeugte die Leute in vielen Gesprächen und Kontakten, dass sie sich auch eine „Frau Bürgermeisterin“ vorstellen konnten. Denn nach 36 Jahren an der Spitze von Stuhlfelden war für den damaligen Bürgermeister Johann Steiner klar, dass die Zeit für eine Wachablöse gekommen war. Dass diese Ablöse durch eine Frau erfolgte, stieß dann zwar nicht überall auf Begeisterung – „es war einiges an Skepsis zu spüren“, wie sich Ottenbacher erinnert –, doch mit 81 Prozent gewann sie 2004 die Wahl zur Bürgermeisterin eindrucksvoll.

Im KOMMUNAL-Porträt nach ihrer Kür zur ersten weiblichen Vizepräsidentin des Österreichischen Gemeindebundes, gemeinsam mit der Lienzerin Roswitha Glashüttner, erzählte sie, dass ihr die Unterstützung der Kollegen auf Bezirksebene sehr viel Auftrieb gegeben habe. Und sie meinte damals schon, dass Frauen den Job vielleicht anders, aber genauso gut erledigen.

Nicht so positiv gemeinte Sätze wie „Du bist halt schon sehr sozial“ haben sie am Anfang begleitet. Auch dass beispielsweise das Bauwesen eine „Männerdomäne“ sei, wurde ihr zugetragen. „Aber was ich nicht weiß, kann ich lernen“, meint sie selbstbewusst. Dieser Grundsatz hat sie seit damals geleitet.

Das gelte auch umgekehrt. In Dingen, die emotional aufgeladen sind wie etwa, wenn die Gemeinde von einer Tragödie betroffen ist (das ist ihr gleich zu Beginn ihrer Amtszeit passiert), agieren Frauen anders als Männer. „Die werden oft zu Unrecht angegriffen. Männer können auch emotionale Stützen sein. Sie können das auch, aber halt anders.“

„Du bist nicht allein“

Zu Beginn wurde ihr also Skepsis entgegengebracht. Aber ihre Überzeugung war immer die, dass Frauen diesen Job genauso gut wie Männer machen können. Und sie hat es unter Beweis gestellt. Geholfen haben auch der Zusammenhalt und das Netzwerken der Frauen untereinander. Sonja Ottenbacher hat die jährlichen Bürgermeisterinnen-Treffen auch aus diesem Grund mit aus der Taufe gehoben.

Sich jedes Jahr in einer anderen weiblich geführten Gemeinde – und nicht in den Hauptstädten der Bundesländer – zu treffen, half und hilft den Frauen und stärkt das Bewusstsein, dass auch kleine, ländlich geprägte Gemeinden Schauplatz solcher Veranstaltungen sein können. „Es muss nicht immer eine große Stadt sein“, so Ottenbacher.

Die jährlichen Bürgermeisterinnentreffen (das allererste fand denn auch 2007 in Stuhlfelden statt) sind zu einer fixen Größe in Österreichs kommunaler Welt geworden und entfalten immer mehr Vorbildwirkung. 2024 wird das Treffen in Deutsch Kaltenbrunn und Rauchwart stattfinden. Die Treffen stehen übrigens unter der Schirmherrschaft von Präsidenten-Gattin Doris Schmidauer.

Bürgermeisterinnentreffen
Oben, ganz hinten in der Mitte im roten Blazer: Im Kreise ihrer Amtskolleginnen wie hier beim Bürgermeisterinnentreffen 2023 – sie hat diese Treffen 2007 ins Leben gerufen – fühlte sie sich immer wohl. 

Dass Frauen auch „taff“ sein können, um diesen Ausdruck zu verwenden, zeigt sie auch auf und gibt ihren jüngeren Kolleginnen damit Auftrieb. „Viele glauben: ‚Wir haben sie gewählt, jetzt müssen sie uns für alles geradestehen und unseren Kränkungen standhalten.‘ Aber ich sage: Nein, müssen wir nicht!“ Für Sätze wie diese erhielt Ottenbacher besonders viel positive Resonanz aus dem weiblichen Publikum – „weil die diese Problematik auch kennen“, wie sie meint.

Über das Liebenswerte und das Lebenswerte kleiner Gemeinden

„Eine Gemeinde braucht genau das, das Liebenswerte und das Lebenswerte“, erzählt sie im Oberpinzgauer Dialekt. „Bei uns wird der Zusammenhalt gelebt, das ist wichtig. Alle machen mit. Und wenn etwas ist, dann sind alle da.“ Überhaupt wird das ländliche Leben von einer sehr selbstbewussten Bevölkerung geprägt. 

Hilfreich ist, dass immer mehr Frauen wieder zurück in ihre Heimatgemeinden kommen. Das Online-Arbeiten, das Homeoffice, macht’s möglich, ist sie überzeugt. Die Frauen würden wissen, dass man am Land nicht allein ist.

„Am Land oder besser in den Gemeinden am Land hast du auch die Nähe zu den Menschen auf deiner Seite“, so Ottenbacher über einen weiteren positiven Aspekt des Bürgermeisterinnen-Amts. „Entscheidend ist, dass du die Menschen magst und mit ihnen auf Augenhöhe redest.“ 

Auch zur viel zitierten Macht-Frage hat sie eine klare Meinung: „Macht brauchst du, um den Job zu erfüllen. Aber sie muss dir sehr bewusst sein.“ Überhaupt meint sie, dass – wenn es immer weniger Männer gebe, die den Job Bürgermeister machen wollen – es dann eben die Frauen übernehmen werden: „Das bringt die Zeit mit sich.“

Time to say goodbye

Sonja Ottenbacher wird bei den Bürgermeisterwahlen 2024 (Salzburg wählt seine Ortschefs direkt) also nicht mehr antreten. Dass sie einen Nachfolger gefunden hat, macht ihr den Abschied etwas leichter. Der Neue ist Josef Voithofer, seit 2018 im Gemeindeamt, seit 2019 Amtsleiter und mit den Gegebenheiten vor Ort gut vertraut. Die Chefin hat ihn auch schon bei vielen Treffen mit den Kollegen aus Bezirk und Land mitgenommen, er ist also kein Unbekannter mehr. 

Josef Voithofer, Gundi Egger und Sonja Ottenbacher
Die Gemeinde in gute Hände übergeben, war auch ein Herzensanliegen: hier im Bild rechts mit ihrer langjährigen Amtsleiterin Gundi Egger und dem  jetzigen Amtsleiter und Nachfolger als Bürgermeister, Josef Voithofer.

Die Gemeinde im Überblick

  • Stuhlfelden hat rund 1.600 Einwohner und liegt auf einer Höhe von 800 Metern über der Adria (müA). Der Ort liegt im Salzachtal und grenzt an den Nationalpark Hohe Tauern.

  • Im Jahr 963 wurde Stuhlfelden – damals als „Stoulveldum“ – erstmals urkundlich erwähnt. Damit ist sie die ältestgenannte Gemeinde im Oberpinzgau.

  • Hauptwirtschaftszweig ist nicht der Tourismus. Der Ort lebt vielmehr von seinen vielen familiären Klein- und Mittelunternehmen, darunter einige Handwerksbetriebe.