Ärzte
Ärztinnen und Ärzte, die eine Kassenordination nicht alleine übernehmen wollen, können sich in einer PVE die Arbeit aufteilen.
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Primärversorgungszentren als Weg aus der Ärztekrise?

8. Januar 2021
In vielen Gemeinden vor allem am Land fehlt es an ärztlicher Versorgung. Immer weniger Ärzte und Ärztinnen sind bereit, die hohe Belastung eines Gemeindearztes zu tragen. Welchen Weg es aus dieser Situation geben kann, darüber hat KOMMUNAL mit Harald Reigl, Prokurist der Österreichischen Ärzte- und Apothekerbank, gesprochen.

Die Ärzte- und Apothekerbank ist der breiten Masse nicht so bekannt. Das liegt auch daran, dass das Angebot dieser Bank – und es handelt sich um eine Universalbank mit der vollständigen Palette  an Bankdienstleistungen – nur den jeweiligen Berufsgruppen Ärzte und Apotheker offensteht. „Wir haben jahrzehntelange Erfahrung mit der Bonitätsbewertung dieser Kundengruppen, dagegen beispielsweise nur wenig damit, wie man Gemeinden bewertet“, so Harald Reigl, Prokurist der Bank, auf die Frage, ob auch Gemeinden Kunden werden könnten.

Gemeinden leiden darunter, keinen Arzt zu finden

Und rein rechtlich ist die Gesundheitsversorgung auch keine primäre Aufgabe der Gemeinde. Dennoch leiden viele, vor allem ländliche Gemeinden darunter, dass der „altgediente“ Gemeindearzt entweder in Pension gehen will oder schon gegangen ist und sich niemand findet, der die Aufgabe übernehmen würde.

Dafür gibt es gleich mehrere Gründe: unter anderem die noch ausbaubaren Ausbildungsschwerpunkte für allgemeinmedizinische Ärzte. Dieser Problematik müssen sich  der Gesetzgeber beziehungsweise die Standesvertretungen widmen, dafür haben Gemeinden keinerlei Handhabe. Einen Ausweg stellen jedoch die sogenannten PVE bzw. PVZ (Primärversorgungseinheiten/-zentren) dar, die ja im weitesten Sinn ein Grundversorgungsinstrument sind.

Besonders Ärztinnen wollen keinen Rund-um-die-Uhr-Job

Das wäre, so Reigl, auch ein Feld, wo eine Gemeinde aktiv werden könnte. In den PVE sind per Definition nur Allgemeinmediziner und keine Fach- oder Wahlärzte tätig. „Wir wissen, dass durch PVE die demoskopischen Änderungen in der Ärzteschaft abgefedert werden könnten. Der Beruf ,Allgemeinmediziner/in‘ wird zunehmend weiblicher, es kommen viel mehr Ärztinnen nach als Ärzte. Früher war es auch so, dass sich für eine freie Stelle als Kassenarzt mehrere Bewerber fanden – was so heute auch nicht mehr stattfindet.

Diese Entwicklung ist seit rund 20 Jahren zu verfolgen. Und für die nachkommenden Ärztinnen ist eine Dreifach-Belastung Ärztin-Unternehmerin-Mutter nicht einfach zu bewältigen“, wie Reigl erzählt.

Folgerichtig kommt es immer öfter vor, dass sich zwei Ärztinnen um eine Kassenplanstelle bewerben. Solche Kassenplanstellen sind von der Arbeitsbelastung her auch deutlich aufwendiger. 80 bis 100 Patienten in 12 Stunden seien da keine Seltenheit. „Das muss man auch wollen“, so Reigl. Allein deswegen ist eine Wahlarzt-Ordination begehrter.

Was ist eine PVE und wie kommt man als Gemeinde zu einer?

Die PVE hat da große Vorteile: Ärztinnen und Ärzte, die eine Kassenordination nicht alleine übernehmen wollen, können sich in einer PVE die Arbeit aufteilen, vor allem den gesamten zeitlichen und finanziellen Einsatz und den Abrechnungsmarathon. „Zumeist sind es drei Ärzte“, wie Reigl aufzählt, „die in einer PVE auf einem Kassenvertrag arbeiten. Dadurch sinkt allein die Zeitaufwendung auf ein Drittel.“

Harald Reigl
Harald Reigl: „„Die Frage der Termineinteilung oder wer wann auf Urlaub ist, wer Materialien wie Tupfer bestellt, wer Impfdosen bestellt – das alles wird Ärztinnen und Ärzten in einer PVE abgenommen.“

Zudem verfügen solche PVE in aller Regel auch über einen PVE-Manager, der kein Arzt ist und sich nur um organisatorische Belange kümmert. „Die Frage der Termineinteilung oder wer wann auf Urlaub ist, wer Materialien wie Tupfer bestellt, wer Impfdosen bestellt – das alles wird Ärztinnen und Ärzten abgenommen.“ Zudem sind in einer PVE auch nicht medizinische Fachkräfte wie Physiotherapeuten oder Logopäden tätig. Von der Anamnese bis zur Nachbehandlung ist hier alles unter einem Dach.

„Aber die Beratung, wie so eine PVE aufzubauen ist, ist etwas, was wir als Ärzte- und Apothekerbank nicht nur Ärzten, sondern auch den Gemeinden anbieten können. Wir beraten hier von der ersten Frage weg über notwendige Räumlichkeiten bis hin zur Organisationsform. Dazu gibt es auch das ‚Handbuch zur Gründung einer PVE‘. Und wir haben sogar ein Tool entwickelt, mit dem sich erste Berechnungen zum Projekt machen lassen“, so Reigl.
Ein Wermutstropfen ist allerdings auch dabei, wie Reigl verrät: „Benötigt wird schon ein Einzugsgebiet von rund 6000 bis 9000 Einwohnern, alles andere ist wirtschaftlich nicht sinnvoll .“ 

Mehr Infos

Österreichische Ärzte- und Apothekerbank
Prokurist Harald Reigl, MAS
Tel.: 01/400 80-140 
E-Maill: pve@apobank.at 
www.apobank.at