Symbolbild mit 100 Euro Schein und Kran
Es ist nicht davon auszugehen, dass Baustoffe in nächster Zeit billiger werden.
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Wirtschaft

Preisexplosion am Bau

Die Kosten für Baumaterialien steigen seit Monaten stark an und bringen Auftraggeber wie Ausführende zunehmend in die Bredouille. Eine Entspannung der Lage ist nicht in Sicht. Was bedeutet das für Bauprojekte der Gemeinden?

Die Baustoffpreise klettern seit geraumer Zeit in ungeahnte Höhen. Der Trend, der schon länger bemerkbar war, erfuhr durch die Ereignisse in der Ukraine nochmals einen kräftigen Schub. Laut dem statistischen Bundesamt in Deutschland haben sich die durchschnittlichen Preise für Baustoffe so stark erhöht wie noch nie seit Beginn der Erhebungen im Jahr 1949.

An der Spitze steht laut dem Nachrichtenmagazin „Fokus“ Konstruktionsvollholz mit einer Teuerungsrate von mehr als 77 Prozent. Das sind etwa die Holzbalken, die für Möbel, Gartenhäuser und Fachwerkhäuser eingesetzt werden. Dachlatten stiegen um 65 Prozent im Preis, Bauholz um 61 Prozent. Betonstahl kostete am Jahresende 53 Prozent mehr als im Vorjahr.

Großhandelsindizes bis März 2022

Auch in Österreich sind erhebliche Kostenanstiege im Baubereich spürbar. Im März 2022 lag der Baukostenindex (Basis 2020) für den Wohnhaus- und Siedlungsbau laut Berechnungen der Statistik Austria bei 121,1 Indexpunkten.

Verglichen mit März 2021 entspricht das einem Anstieg von 15,2 Prozent. Allein gegenüber dem Vormonat stieg der Index schon um 4,6 ­Prozent. Die Tiefbausparten verzeichneten ebenfalls allesamt Kostenanstiege: im Siedlungswasserbau um 15 Prozent im Vergleich zu letztem Jahr, im Brückenbau plus 20 Prozent und im Straßenbau plus 21 Prozent. Die Preisanstiege der durch Stahlprodukte geprägten Warengruppen schlugen insbesondere im Brückenbau auf.

Im Wohnhaus- und Siedlungsbau waren erneut Holz sowie Polystyrol (Schaumstoffplatten) beträchtliche Kostentreiber. Bituminöses Mischgut sowie Diesel und andere Treibstoffe verzeichneten ebenfalls wesentliche Kostenanstiege, was sich vor allem auf die Tiefbausparten und insbesondere den Straßenbau auswirkte.

Auch Holzpreis kräftig gestiegen

In Deutschland steht Holz an der Spitze der Teuerungsraten, doch auch hierzulande ist der Holzpreis kräftig gestiegen. Die Holzindustrie in Österreich hat ihre Produktion 2021 zwar gesteigert und den Heimatmarkt priorisiert, Entspannung verheißt das allerdings kaum.

„Wir gehen davon aus, dass der Bedarf an Holzbauprodukten weiter steigen wird“, sagt der Geschäftsführer des Fachverbands der Holzindustrie, Heinrich Sigmund. „Kurzfristig wird der Import von Holzprodukten aus Russland, Belarus und der Ukraine in die EU ausfallen.“

Umso wichtiger sei es daher, die Produktion in Österreich zu steigern und die Wälder in Europa weiterhin nachhaltig zu bewirtschaften. Politische Absichten, großflächige Waldflächen in Europa für die Holzernte zu sperren, wie sie etwa in der EU-Waldstrategie angelegt seien, sieht Sigmund daher sehr kritisch. „Die weiteren Entwicklungen am Holzmarkt sind derzeit schwer zu prognostizieren“, bekennt er. Holzprodukte werden aber auch 2022 sehr gefragt bleiben, schließlich ist Holz nachhaltiger als so manch anderer Baustoff.  

Bonus-Malus-System

„In Wirklichkeit ist es egal, ob es nachhaltig ist oder nicht – ich muss es kriegen“, argumentiert Vergaberechtsexperte Martin Schiefer. „Wir haben mit der Ukraine-Krise das Riesenproblem, dass wir es nicht bekommen. Selbst wenn wir wollten, wir können weder einen Preis sagen noch eine Verfügbarkeit. Daher ist man jetzt als Auftraggeber gezwungen, flexibel zu sein und mit den Partnern Vereinbarungen zu treffen“, schildert der Rechtsanwalt die Lage aus Sicht der Auftraggeber und erklärt die aktuell vernünftigste Vorgehensweise: „Wir haben jetzt alle unsere Verträge auf garantierte Maximalpreisverträge mit entsprechenden Open-Book-Elementen umgestellt. Rein rechtlich könnte man zwar schon auf seinem Vertragsstandpunkt beharren, nur wird dann die Baustelle nicht fertig. Darum muss man einen vergaberechtskonformen Weg finden, wie man mit dieser Krisensituation umgeht, und das geht nur gemeinsam.“

Das angesprochene Open-Book-Element ist eine Art Bonus-Malus-System und funktioniert vereinfacht gesagt nach dem Schema: „Ich sage dir, wie und wo ich zu welchem Preis einkaufe, und wir vereinbaren beide, uns die Einsparung zu teilen, wenn wir es gemeinsam irgendwo anders billiger bekommen,  bzw. die Verteuerung auch gemeinsam zu bewältigen, wenn wir es irgendwo anders garantiert nicht bekommen.“ 

Martin Schiefer
Rechtsanwalt Martin Schiefer: „Jetzt schlägt die Stunde der findigen Unternehmer und der kreativen Auftraggeber. Mit dem Schema F der letzten Jahre werden wir jedenfalls nicht weiterkommen“

„Viele Berater sagen, dass man den Index großzügiger interpretieren muss, doch das hilft leider nicht weiter. Selbst wenn man festhält, dass Kostensteigerungen von zehn Prozent in den Preisen einzukalkulieren sind, hilft das nichts, denn die Steigerungen betragen im Schnitt über zehn Prozent und das kann man in keinem Index mehr abbilden. Theoretisch könnte man als Auftraggeber im Vorhinein zusagen, um soundsoviel zu überzahlen und gleichzeitig das gesamte Risiko zu tragen, aber das kann wirklich nicht die Lösung sein“, schildert Schiefer das Problem. Er rät daher auch Gemeinden unbedingt diese Art von Verträgen abzuschließen. 

Findet man Anbieter mit Baustoffen auf Lager, habe man das Preisrisiko eher im Griff. Ansonsten sei jetzt der Einfallsreichtum der Unternehmen gefragt, alternative Lieferwege und Versorgungsquellen zu finden. „Dazu ist das Kartellrecht in gewisser Weise erleichtert worden. Beispielsweise wenn man sich zu gemeinsamen Transporten zusammenschließt oder wenn man gemeinsam das Einkaufsvolumen bündelt, was vorher eigentlich unzulässig war. Jetzt schlägt die Stunde der findigen Unternehmer und der kreativen Auftraggeber. Mit dem Schema F der letzten Jahre werden wir jedenfalls nicht weiterkommen“, bringt es Schiefer auf den Punkt.

Es wird nicht billiger werden

Was sollen Gemeinden nun tun, in denen ein Bauvorhaben geplant wird? Wäre eventuell Aufschieben eine sinnvolle Option? „Nein“, sagt Schiefer. „Es ist nicht davon auszugehen, dass es billiger wird. Uns wird der Ukraine-­Konflikt, selbst wenn er irgendwann zu Ende geht, mindestens noch fünf bis zehn Jahre beschäftigen. Daher sollte man partnerschaftlich mit den regionalen Unternehmen aktiv in die Krise eingreifen und die Projekte jetzt umsetzen. Sollte es tatsächlich billiger werden, kann man in einem Vertrag immer vereinbaren, im Open Book darauf zu reagieren.“

Die Gemeinden sollten jedenfalls von der Unverbindlichkeit der Rahmenvereinbarungen weg und in verbindliche Projektgeschäfte gehen. Schiefer rät auch, über Sicherheiten nachzudenken, und meint: „Man wird über geänderte Zahlungspläne mit Vorschüssen arbeiten müssen. Man wird nicht alles erst zum Schluss zahlen können. Das heißt, man wird nach Projektfortschritt zahlen, daher sind auch die Zahlungspläne anzupassen.“

Mit dem Sinken der Baustoffpreise ist auf absehbare Zeit jedenfalls nicht zu rechnen. Das bestätigen heimische Brancheninsider unabhängig davon, um welche Art von Baustoff es sich im Detail handelt.