Flüchtlinge in der Arena Nova in Wiener Neustadt. Foto: Franz Baldauf

Österreich zwischen Hilfsbereitschaft und Fremdenfeindlichkeit

8. Oktober 2015
Fast zwei Drittel der österreichischen Bevölkerung sind von der aktuellen Flüchtlingssituation stark berührt. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie von Marketagent.com. Eine klare Erkenntnis der Studie ist, dass die aktuelle Zuwanderung acht von zehn der Befragten Sorge bereitet, 83,7 Prozent zumindest mehr Sorge. Nur 16,3 Prozent machen sich „weniger Sorgen“ bzw. „gar keine Sorge“.



Acht von zehn Österreichern erwarten zudem, dass sich die Flüchtlingssituation verschärfen wird, während nur 4,7 Prozent mit einer Entspannung rechnen. Auffallend: Jüngere und Grüne-, SPÖ-, und ÖVP-Wähler glauben weniger, dass sich die Flüchtlingssituation auf jeden Fall verschärfen wird, als die der FPÖ.

Fluchtauslöser Krieg



Als Hauptgrund für die Flucht nach Europa sehen


  • 81,5 Prozent den „Krieg in den Heimatländern der Flüchtlinge“, gefolgt vom

  • „Wunsch nach einem besseren Leben“ (69,2 Prozent),

  • die „Verfolgung aus politischen und/oder religiösen Gründen“ (52,8 Prozent),

  • „keine Arbeit und kein Auskommen im Heimatland“ (39 Prozent),

  • „Zugehörigkeit zu einer verfolgten Volksgruppe“ (27,1 Prozent),

  • „Hunger und Naturkatastrophen im Heimatland“ (19,2 Prozent).



Anzumerken ist, dass lediglich 61 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher der Auslöser der aktuellen Flüchtlingssituation bekannt ist.

Legitime Fluchtgründe



„Krieg im Heimatland“ gilt für 79,2 Prozent der Bevölkerung als legitimer Fluchtgrund, gefolgt von „Verfolgung aus politischen/und oder religiösen Gründen“ (52,8 Prozent), Hunger und Naturkatastrophen (38,1 Prozent), „Zugehörigkeit zu einer verfolgten Volksgruppe“ (33,3 Prozent). Den „Wunsch nach einem besseren Leben für sich und die eigenen Kinder“ werten nur 12,8 Prozent als legitimen Fluchtgrund. Nur 9,6 Prozent haben Verständnis für eine Flucht, wenn „Keine Arbeit und kein Auskommen im Heimatland besteht“.



Als Grund für die aktuelle Verschärfung wird vor allem die „steigende Bedrohung durch den IS“ geortet, gefolgt von „Perspektivenlosigkeit angesichts der lang andauernden Kriege“ und „Medienberichte über die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland haben Hoffnung geweckt“.

Verteilung der Flüchtlinge



87 Prozent finden die aktuelle Verteilung der Flüchtlinge in den einzelnen EU-Ländern eher unfair; nur 6 Prozent finden sie „eher fair“ bzw. „sehr fair“. Beispielhaft für den Umgang mit Flüchtlingen werden Österreich, Deutschland und Schweden gesehen. Dann folgen Ungarn, Italien und Griechenland. Alle anderen europäischen Staaten finden sich unter 4 Prozent Zustimmung.

Persönliches Engagement



23,1 Prozent haben sich bereits in der Flüchtlingshilfe engagiert, 76,9 Prozent noch nicht. Jene mit Matura bzw. Universitäts-Ausbildung weisen ein deutlich höheres Engagement auf als Absolventen von Pflichtschulen bzw. Lehre oder Fachschulen. Jeder Fünfte, der sich aktuell noch nicht engagiert, könnte sich aber ein künftiges Engagement in der Flüchtlingshilfe vorstellen. Von jenen die sich bereits in der Flüchtlingshilfe engagieren, setzen 72,4 Prozent auf Sachspenden, 38,1 Prozent auf Geldspenden und 17,3 Prozent auf „Ehrenamtliche Tätigkeit bei Flüchtlingsheimen/Notquartieren“.

Persönliche Befürchtungen weit verbreitet



54,6 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher sehen keine Vorteile von Zuwanderung durch Flüchtlinge in Österreich. 28 Prozent sehen Vorteile der Zuwanderungen von Flüchtlingen „durch Arbeitskräfte für Bereiche, wo Mangel in Österreich herrscht“, 19,4 Prozent weil sie „der Überalterung der Bevölkerung entgegenwirkt“ und 17,6 Prozent finden dass eine „Durchmischung der Kultur das Leben insgesamt interessanter macht“.



Nur 4,5 Prozent haben keine persönlichen Befürchtungen bezüglich der Zuwanderung durch Flüchtlinge. 69,1 Prozent fürchten eine Belastung für das österreichische Sozialsystem, 65,8 Prozent mehr soziale Konflikte, 63,1 Prozent Probleme mit dem Bildungssystem, 60,1 Prozent eine zunehmende Islamisierung.



Anzumerken ist, dass 43 Prozent der Befragten gerne ein stärkeres Engagement Österreichs für eintreffende Flüchtlinge hätten, wobei man einem Flüchtlingslager in der Nachbarschaft eher skeptisch gegensteht. 55,4 Prozent befürworten eine Integration von Flüchtlingskindern in „regulären“ Schulklassen.

Regierung wird keine Lösungskompetenz zugesprochen



61,7 Prozent der Befragten sind mit der Regierungsarbeit in der Flüchtlingsfrage „eher nicht zufrieden“, und knapp drei Viertel trauen der Regierung nicht zu, in der Flüchtlingsfrage ein sinnvolles Konzept zu erarbeiten. Jeder Vierte traut der FPÖ zu, sinnvolle Konzepte zur Bewältigung der Flüchtlingssituation zu finden. Der SPÖ trauen dies 11,1 Prozent zu, der ÖVP 7,2 Prozent und den Grünen 6,2 Prozent.



Als Politiker, der sich in der aktuellen Flüchtlingssituation besonders gut verhält, wird von 31,9 Prozent der Befragten Außenminister Sebastian Kurz angegeben. Bundespräsident Heinz Fischer kommt auf 17,1 Prozent und Bundeskanzler Werner Faymann auf 13,8 Prozent. 23 Prozent können keinen Politiker angeben, der sich in der aktuellen Flüchtlingssituation besonders gut verhält. Das größte Engagement wird NGOs und privaten Organisationen zugesprochen.



Die Befragten sind der Meinung, dass das Engagement in nicht allen österreichischen Bundesländern gleich stark ausgeprägt ist. Das geringste Engagement wird Vorarlberg und Tirol zugeordnet (68,5 Prozent bzw. 65,1 Prozent stimmen der Aussage zu), während nur 9,3 Prozent finden, dass Wien sich zu wenig in der Flüchtlingssituation engagiert.



73,6 Prozent der Befragten fordern einen verpflichtenden Beitrag von Ländern bzw. Gemeinden. In Wien, Niederösterreich und Oberösterreichisch ist diese Forderung weit ausgeprägter als in Tirol und Vorarlberg. Im Mittel sollte eine Gemeinde oder Stadt zwei Flüchtlinge pro 100 Einwohner aufnehmen.



Eine schärfere Kontrollen an den EU-Außengrenzen werden von 54 Prozent befürwortet, die Wiedereinführung von Grenzkontrollen in Österreich von 41 Prozent, Personenkontrollen an Autobahnen in Österreich von 40,1 Prozent und Grenzzäune an den EU-Außengrenzen von 32,2 Prozent. Jeder Dritte würde die Grenzen komplett schließen und gar keine Flüchtlinge mehr aufnehmen. 63,2 Prozent sind für die durchgehende Einführung von Grenzkontrollen aufgrund der Flüchtlingssituation. Die Fortsetzung der bisherigen Flüchtlingspolitik befürworten hingegen nur 14,9 Prozent, und 12,6 Prozent fordern nur jene Flüchtlinge aufzunehmen, die kulturell zu Österreich passen. Mehr als die Hälfte denkt, dass Österreich weniger Flüchtlinge als bisher aufnehmen sollte.

Arbeitsmarkt und Integration



Bei der Frage, ob der österreichische Arbeitsmarkt für Asylwerber geöffnet werden soll, ist die Meinung gespalten: 49,3 Prozent befürworten die Öffnung, während 50,7 Prozent sie ablehnen, und 37 Prozent denken, dass man die „Fachkräftelücke“ durch Zuwanderung schließen kann. Am wichtigsten für eine funktionierende Integration wird das Erlernen der deutschen Sprache gewertet: 85,5 Prozent bewerten diesen Punkt als sehr wichtig, gefolgt von der aktiven Bereitschaft sich in die österreichische Lebensweise einzugliedern.