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Nützt der Föderalismus in der Corona-Krise oder schadet er?

9. März 2021
Aus aktuellem Anlass ist eine zweite erweiterte und ergänzte Auflage des IKW-Bandes 132 „Föderalismus“ erschienen. Den Autoren Friedrich Klug und Bernhard Ebner geht es dabei um Klärung der Fragen, ob der Föderalismus die Bewältigung der Krise ermöglicht oder erschwert, ob man aus der Krise etwas gelernt hat und mit welchen Herausforderungen der öffentliche Sektor, besonders die Gemeinden, konfrontiert sind. Dabei geht es um die entscheidende Frage, wer letztlich die Zuschüsse, „koste es was es wolle“, tragen wird.

Leider kostet die egoistische und undisziplinierte „Spaßgesellschaft“ der Allgemeinheit mehrstellige Milliardenbeträge und wird die Erholung der Wirtschaft noch sehr lange dauern. Ob man aus dem Schaden klug geworden sein wird, hängt von der jeweiligen optimistischen oder pessimistischen Einstellung bei der Beurteilung ab und ist ungewiss.

Die Autoren behandeln aus der Sicht der öffentlichen Wirtschaftslehre und Verwaltungsökonomie Fragen der Verschuldung, der Ankurbelung des Wirtschaftskreislaufs, der Privatisierung, Renaissance des Staates, der Re-Kommunalisierung, der Wohlfahrt und des qualitativen Gemeinwohls.

Die Besonderheiten des Föderalismus österreichischer Prägung, Probleme und Lösungsvorschläge werden ebenso ausführlich dargestellt, wie der Föderalismus im Lichte der Coronakrise in Österreich, in Deutschland und in den skandinavischen Ländern mit unterschiedlichsten Vorgangsweisen und Lösungsvorschlägen - und dies angesichts der größten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg.

Die skandinavischen Staaten weisen viele Gemeinsamkeiten, wie Freiheit, Autonomie, Transparenz, Bürgernähe und Wohlfahrt auf, wobei Schweden beim Umgang mit der Pandemie bekanntlich einen Sonderweg geht.

Was schlagen die Autoren vor?

Vorgeschlagen wird vor allem die Reduzierung der gesetzgebenden Instanzen: Neun Landesgesetzgeber, ein Bundesgesetzgeber und darüber das zu etwa zwei Dritteln direkt beeinflussende EU-Recht sind für einen effizienten Verwaltungsvollzug ganz einfach zu viel. Ein einheitliches Dienstrecht und eine Strukturreform sind ein dringendes Gebot.

In Deutschland, so die Autoren, wirke sich der Föderalismus bei der Bekämpfung der Pandemie durch unterschiedliche und im Zeitablauf volatile Änderungen der Regelungen der Länder nachteilig aus. Eine länderübergreifende Einigung sei schwierig, weil regionale Besonderheiten zu berücksichtigen sind. Die Einflussnahme der Länder auf das Krisenmanagement wäre jedenfalls kritisch zu hinterfragen, meinen die Autoren.

Föderalismus neu denken

Aus Sicht der Experten wäre es notwendig, den Föderalismus neu zu denken und auf den menschlichen Faktor besonders Rücksicht zu nehmen, um stabile soziale Beziehungen zu etablieren. „Ein Österreich - eine Gesetzgebung“ durch Übertragung einzelner Materien auf den Nationalrat, womit im Landesbereich statt rund 3.000 Gesetzen nur mehr ca. 300 Gesetze zu vollziehen wären, wird als das erstrebenswerte Ziel postuliert.

Schulwesen zeigt Schwächen des Föderalismus

Im Schulwesen würden sich Schwächen des Föderalismus bei der Digitalisierung zeigen, weil keine zentrale digitale Ausbildung für das Lehrpersonal vorhanden ist, keine einheitliche Software eingesetzt wird und Schüler benachteiligt sind, die am Online-Unterricht nicht teilnehmen können.

Ein großes Problem im Bildungsbereich seinen die Zuständigkeiten des Bundes, der Länder und der Gemeinden und die damit verbundenen politischen Einflussnahmen. Die überbordende Verwaltungssache sei gleichzeitig eine Bildungsfrage, besonders in COVID-Zeiten, was in den Kindergärten bildungsferne Schichten benachteiligt.

Duale Finanzierung als Problem im Gesundheitswesen

Im Gesundheitsbereich liege das Hauptproblem des föderalen Systems in der dualen Finanzierung und Verantwortung von Sozialversicherung und Ländern sowie in der getrennten Betrachtung des niedergelassenen und stationären Bereichs. Gesundheitliche und soziale Agenden, wie Pflege würden nicht gemeinsam betrachtet. Die Primärversorgung durch Hausärzte sei jahrzehntelang vernachlässigt worden. Personalknappheit bestehe bekanntlich auch im Pflegebereich.

Bund nimmt Geld ein, Länder verteilen es

Die Landeshauptleutekonferenz „treibt die Bundesregierung vor sich her“ und entwickle sich zu einer Reformbremse. Das per umfassenden Finanzausgleich eingerissene Prinzip, dass der Bund das Geld einnimmt und die Länder dieses Geld verteilen, sei eine Hauptursache des Dilemmas „Macht ohne Verantwortung“ im „Gamsbartföderalismus“.

Föderalismus im Sicherheitsbereich

Im Sicherheitsbereich sei die Beibehaltung oder der Ausbau föderaler Strukturen nur dann zielführend, wenn sie mit einer klaren Aufgaben- und Ausgabenaufteilung einhergehe. Eine bundesweite Vereinheitlichung sicherheitsnaher Rechtsmaterien wäre zur Steigerung der Effizienz und Flexibilität angebracht, so die Autoren. Durch den Einsatz freiwilliger Helfer könne der Ortsbezug gewahrt und die Motivation gesteigert werden.

Überlegungen für einen neuen Finanzausgleich

Grundsätzliche Überlegungen zu einem neuen Finanzausgleich sollten nach Ansicht der Experten drei Ziele erfüllen:

  • Einfachheit und Transparenz,
  • aufgabenadäquate Ausgabenfinanzierung und
  • Offenheit gegenüber Änderungen.

Eine Entflechtung und Verstetigung der finanziellen Basis vor allem der Kommunen wären notwendig. Im Heft werden Varianten mit oder ohne materielle Aufgabenverlagerung vorgestellt. Profiteure eines solchen neuen Finanzausgleichs wären tendenziell die Gemeinden. Das Schulwesen ginge ebenso wie die Agenden Wissenschaft und Forschung an die Länder. Zweckzuweisungen und Zuschüsse des Bundes an die Länder und der Transfer im Rahmen des Gesundheits- und Sozialbereichs könnten entfallen.

Zu bestellen ist der Band 136 der Schriftenreihe des Institutes für Kommunalwissenschaften (IKW) auf der Homepage des IKW oder bei Prof. Friedrich Klug, E-Mail: friedrich.klug@ikw.linz.at